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Trendgetränk Kokoswasser Ein Hauch von Brasilien in New York
Von Roland Lindner “Vita Coco“ ist unter den Kokoswassermarken der Spitzenreiter
27. November 2009 Michael Kirban verdankt seine Unternehmerkarriere einem Flirt mit Brasilianerinnen. Es geschah vor mehr als sechs Jahren auf einer Salsa-Party in einer New Yorker Bar. Kirban und ein Freund hatten ein Auge auf zwei Schönheiten aus Brasilien geworfen, die in der Stadt weilten, man kam ins Gespräch. Kirban fragte eine der beiden, was aus ihrer Heimat sie in Amerika am meisten vermisse. Die Antwort war: Kokoswasser. Kirban konnte damit zunächst nichts anfangen, aber bald reiste sein Freund nach Brasilien und berichtete hinterher, dass abgepacktes Kokoswasser dort ein Nationalgetränk ist. Kirban sah eine Marktlücke in Amerika, wo Kokoswasser bis dato kaum bekannt war.
Heute ist es eines der Trendprodukte auf dem amerikanischen Getränkemarkt, und Kirbans Marke „Vita Coco“ ist der Spitzenreiter. Gerade in Großstädten wie New York sind die kleinen Tetra-Pak-Behälter mit Kokoswasser mittlerweile allgegenwärtig. Seit kurzem ist es der letzte Schrei, den Saft direkt aus der frisch gekauften Kokosnuss zu trinken. Der Trend hat auch die großen amerikanischen Getränkekonzerne Coca-Cola und Pepsico hellhörig gemacht, die in diesem Jahr beide in den Markt eingestiegen sind.
Kaum Fett und wenig Kalorien
Kokoswasser kommt aus der grünen, unreifen Kokosnuss, die nicht zu verwechseln ist mit den ausgereiften braunen Früchten, wie man sie aus dem Supermarkt kennt. Kokoswasser unterscheidet sich auch von Kokosmilch, die aus dem weißen Fleisch der reifen Frucht gewonnen wird. Im Gegensatz zur Kokosmilch hat Kokoswasser kaum Fett und entsprechend wenig Kalorien. Es verfügt aber über einen hohen Anteil an Mineralstoffen wie Kalium und hat hydrierende Wirkung. Das leicht milchig aussehnende Wasser hat keinen besonders intensiven Geschmack. Vita Coco und andere Hersteller bieten es in reiner Form oder kombiniert mit Geschmacksvarianten wie Ananas oder Pfirsich an.
Michael Kirban gibt zu, dass er Kokoswasser beim ersten Probieren selbst unspektakulär fand und die Popularität in Brasilien oder anderen südlichen Ländern nicht ganz nachvollziehen konnte. „Aber dann habe ich bei einem Trip nach Brasilien gesehen, wie viel Regalfläche das Getränk dort in den Supermärkten hat“, erzählt er. Das war 2004, und zu dieser Zeit wurden in Amerika als gesundheitsfördernd vermarktete Getränke immer beliebter. Das ließ Kirban daran glauben, dass auch das nährstoffreiche Kokoswasser in seiner Heimat eine Chance haben könnte. Er begann, das Getränk in Brasilien abfüllen zu lassen und es als Vita Coco in Amerika zu verkaufen. Die erste Zeit war nicht einfach. Kirban sagt, er sei in New York auf Rollerblades von einem Lebensmittelladen zum nächsten gefahren und habe Probepackungen verteilt, um die Inhaber dazu zu bringen, Vita Coco in ihre Regale zu stellen. Den größten Erfolg hatte er bei kleinen Tante-Emma-Läden, deren Inhaber aus Südamerika oder Asien kamen und mit dem Getränk schon vertraut waren. Anderswo stieß er auf Skepsis: „Schmeckt wie nasse Socken“, habe der Inhaber eines Gourmet-Supermarktes in Manhattan zuerst verächtlich zu ihm gesagt, erzählt Kirban. Heute sei Vita Coco dort das meistverkaufte Getränk.
Viele kleine Läden in Szenevierteln verkaufen ganze Kokosnüsse
Den Durchbruch sieht Kirban in diesem Jahr erreicht, nachdem er auch bei einigen auf die breite Masse abzielenden Supermarktfilialisten untergekommen ist. Das Geschäft beschränkt sich bisher noch in erster Linie auf amerikanische Großstädte wie New York, Los Angeles oder Miami. Als ersten Auslandsmarkt hat Kirban Großbritannien erschlossen, für Deutschland will er sich mindestens noch ein Jahr Zeit nehmen. Der Umsatz von Vita Coco wird 2009 nach seinen Worten 20 Millionen Dollar erreichen, nach 8 Millionen Dollar im Vorjahr. Vita Coco habe einen Marktanteil von 60 Prozent in Amerika, daneben gibt es kleinere Wettbewerber mit Namen wie Zico oder One.
Auf den Straßen von New York ist in diesem Jahr noch eine weitere Version des Trends aufgetaucht: Viele kleine Läden in Szenevierteln verkaufen nun ganze Kokosnüsse. Im Geschäft wird die kegelförmige Spitze aufgeschnitten, damit das Wasser direkt mit dem Strohhalm getrunken werden kann.
Amerikanische Getränkegiganten bekommen Interesse
Der kleine, aber wachstumsstarke Markt hat auch das Interesse der amerikanischen Getränkegiganten Coca-Cola und Pepsico geweckt. Beide Unternehmen haben in den vergangenen Jahren jenseits ihres traditionellen Limonadengeschäfts expandiert und sich im wachstumsträchtigeren Segment von nichtkohlensäurehaltigen Getränken aggressiv mit Zukäufen verstärkt. Angeblich sollen sich beide Konzerne um Vita Coco bemüht haben. Kirban will keine Namen nennen, bestätigt aber, dass es Gespräche über einen Verkauf gab. Sie wurden aber abgebrochen, „weil die Zeit nicht reif war“. Pepsico hat stattdessen im August den größten brasilianischen Kokoswasseranbieter Amacoco gekauft, Coca-Cola stieg wenige Wochen danach bei Zico ein.
Der 34 Jahre alte Michael Kirban gibt sich unbeeindruckt von der neuen Konkurrenz, die über deutlich mehr Marketing- und Vertriebsgewalt verfügt als Vita Coco. „Als unabhängiges Unternehmen sind wir viel agiler. Es gibt genug Beispiele von Marken, die nach der Übernahme in einem Großkonzern untergegangen sind.“ Kirban zeigt sich auch zuversichtlich, dass Kokoswasser mehr ist als eine Modeerscheinung. John Sicher von der Fachpublikation „Beverage Digest“ meint, für ein Urteil ist es noch zu früh: „Das Anfangsinteresse am Produkt ist da, aber man wird erst in ein paar Jahren sehen, ob sich das auf Dauer durchsetzt.“ Kirban hat daran keinen Zweifel. In zwei Jahren will er seinen Umsatz auf 100 Millionen Dollar verfünffacht haben.
Text: F.A.Z. Bildmaterial: Vita Coco |