Frische Brötchen aus dem deutschen Sportwettenrecht - Glücksrecht Teil VI
- es ist nicht alles so einfach, wie die Suche nach einem neuen Teamchef... -
von Rechtsanwalt Michael Terhaag - bitte vergleichen Sie zu diesem Thema auch unsere weiteren Berichte und Beiträge -
Die EM ist vorbei. Griechenland und Otto Rehagel sind Europameister.
Hier in Deutschland geht nicht nur die Diskussion um den neuen Fußball-Bundestrainer, sondern insbesondere auch um die Partie zur rechtlichen Einordnung und Zulässigkeit von Sportwetten im Internet weiter.
Hierbei müssen wieder einmal recht unterschiedliche Entscheidungen verkündet werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir hier teilweise die Kenntnis der vergangenen Aufsätze voraussetzen. Eine aktuelle Tendenz lässt sich aber an dieser Stelle aber konstatieren: während die Lizenzen aus der ehemaligen DDR derzeit etwas straucheln, bekommen EU-Genehmigungen etwas Oberwasser. In ihrer Kombination ist diese Entwicklung alles andere als glücklich.
Ganz aktuell ist noch der neue Staatsvertrag der Länder zum Lotteriewesen (StVL) zu vermelden, mit dem sich die Begünstigten der vorliegenden Monopolisierung von Lotterien und Sportwetten, eine neue rechtliche Grundlage geschaffen haben. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass die BRD nun aber wieder ein richtiges Online-Casino aufzuweisen hat. Nachdem sich die Hamburger Pforten unlängst geschlossen hatten, können die Hessen nun in Wiesbaden virtuell die kleine Kugel rollen lassen.
Aber bleiben wir bei den Sportwetten und schauen uns die hier besprochene Partie zwischen staatlichen und privaten Wettanbietern im Rennen um eine mögliche Modernisierung des Glücksrechts in Deutschland einmal der Reihe nach an…
1:0 für die Privaten (Führungstreffer Österreich) Zu Jahresbeginn bereits hatte das Landgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung vom 21. Januar 2004 - 14 O 3/04 – KfH III - entschieden, dass Anbieter von Pferdewetten auch Sportwetten an einen in Österreich geschäftsansässigen und dort hinreichend lizenzierten Buchmacher vermitteln dürfen. Nach Auffassung der Kammer für Handelssachen seien schon der § 284 des Strafgesetzbuches sowie die Baden-Württembergische Wettverordnung mit Europarecht und hier insbesondere der „Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit“ nicht vereinbar. Insbesondere stelle eine solche Vermittlung von Sportwetten kein unlauteres Verhalten im Sinne des § 1 UWG a. F. dar und sei hiernach nicht wettbewerbswidrig.
2:0 (durch Standardsituation aus spitzem Winkel vor Amtsrichtern) Ebenso konsequent und vergleichsweise kurz hatten im März 2004 das Amtsgericht Bremen - Az: 74 Ds 601 Js 7083/03 - aber auch erneut das Amtsgericht Recklinghausen - Az. 32 Ds 11 Js 474/04 - entschieden, dass im Falle der Vermittlung von Sportwetten an einen Buchmacher aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat die Vorschrift des § 284 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßig nicht erfüllt sei und die Wettvermittler daher keine Strafe erwartet.
1:2 und 2:2 (Anschluss und Ausgleich der öffentlichen Hand vor OVG's) Verwaltungsgerichte kanzeln auf der einen Seite die aus der Zeit kurz vor der Wiedervereinigung resultierenden Lizenzen mittlerweile höhergerichtlich für die alten Bundesländer als dort unzulässig ab. Hierbei sind sich sowohl der bayerische Verwaltungsgerichtshof als auch das Oberverwaltungsgericht Münster dahingehend einig, das solche Lizenzen nicht zur Vermittlung von Sportwetten in Nordrhein-Westfalen oder Bayern berechtigen.
2:3 für private Anbieter (erneute Führung nach Vorlage Gambelli) Auf der anderen Seite kam Anfang Mai 2004 das Verwaltungsgericht Karlsruhe zur Zulässigkeit der Vermittlung von Sportwetten aus einem lokal ansässigen Wettbüro an englische Wettspielanbieter. Unter offensichtlicher Einwirkung des Urteils des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften „Gambelli“ vom 6. November 2003 kamen die erkennenden Richter hier zum Ergebnis, dass durch die Untersagung ein Eingriff in die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vorliege. Auch unter Berufung auf den zuletzt besprochenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Kassel vom 9. Februar 2004 führten die Richter ihre Zweifel daran aus, ob die in Baden-Württemberg bestehende Regelung zur Beschränkung des Angebots von Sportwetten angemessen und erforderlich sei. Besonders interessant ist hierbei die für ein Hauptsacheverfahren angekündigte „kritische Überprüfung“ im Lichte des Artikels 12 Abs. 1 Grundgesetz (Berufsfreiheit). Hierbei soll durchleuchtet werden, ob die Veranstaltung von Sportwetten in staatlicher Monopolregie überhaupt geeignet sei, die mit der Veranstaltung solcher Glückspiele verbundenen Gefahren einzudämmen, wenn mit „aggressiver Werbung“ selbst eingehend zur extremen Ausweitung solcher Spielangebotsmöglichkeiten beigetragen werde.
Großchance vor dem BGH - kein Treffer Ganz sicher kein Aprilscherz war das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofes zu Sportwetten vom 1. April 2004 – Az: I ZR 317/01 - In der Sache ging es eigentlich darum, ob die deutsche Tageszeitung „Die Welt“ auf ihrer Internetseite in einem redaktionellen Beitrag per Hyperlink eine Verknüpfung mit der Internetadresse eines in Österreich lizenzierten Glückspielunternehmens herstellen darf. Während der Bundesgerichtshof entschied, dass dem Herausgeber der Zeitung keine Prüfung hinsichtlich einer möglichen Strafbarkeit des Glückspielangebotes oblegen hat, nimmt das höchste deutsche Zivilgericht beinahe etwas beiläufig zum gesamten Themenkomplex Stellung. Hierzu führt das Gericht wörtlich aus:
„Es wird in Zweifel gezogen, dass die inländischen Vorschriften über die Erteilung von Erlaubnissen zur Veranstaltung von Glückspielen und die Verwendung der Strafvorschrift des § 284 StGB mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit (Artikel 46 EG) und der Dienstleistungsfreiheit (Artikel 49 EG) vereinbar sind“.
Ein zusätzlicher Verweis in diesem BGH-Urteil auf das richtungweisende –wenn auch teilweise überbewertete Urteil des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften „Gambelli“ vom 6. November 2003 tut hierbei sein Übriges und schürt die Hoffnung auf Liberalisierung des Wettgeschäfts.
3:3 Ausgleich durch die Bundesländer Anfang Juli ist nunmehr der Staatsvertrag der Länder zum Lotteriewesen in Deutschland in Kraft getreten. Sinn dieses Staatsvertrages ist die ansonsten länderspezifische Auslegung des deutschen Sportwettenrechts bundesweit zu vereinheitlichen. Bei genauerer Hinsicht darf zudem vermutet werden, dass die Regelungen nicht zuletzt dazu geeignet und bestimmt sein werden, die staatliche Einkunftsquelle des weitgehenden Glückspielmonopols in Deutschland noch ein wenig aufrecht zu erhalten..
Aus nordrheinwestfälischer Sicht ergibt sich aus den Regelungen kaum Neues. Zwar manifestieren sie die grundsätzliche Möglichkeit eine behördliche Erlaubnis zum Betrieb öffentlichen Glückspiels (d.h. heißt Lotterien, aber auch Sportwetten) zu erhalten, nennt aber quasi im gleichen Atemzug eine Vielzahl möglicher Versagungsgründe. So regelt § 7 Abs. 1 StVL in diesem Zusammenhang, dass die Erlaubnis nicht erteilt werden darf, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Veranstaltung des Glückspiels wegen des insgesamt bereits vorhanden Glückspielsangebotes, insbesondere im Hinblick auf die Zahl der bereits veranstalteten Glückspiele, den Spielbetrieb in besonderer Weise fördert. Hiermit wird dem staatlichen Standardargument zur Versagung einer Glückspielerlaubnis Vorschub geleistet. Dieses geht regelmäßig dahin, dass es bereits hinreichend vorhandene (staatliche) Glückspielangebote gibt, die eine weitere Erlaubnis nicht nötig und damit nicht möglich machen…
Es bleibt abzuwarten, ob die Regelungen dieses Staatsvertrages, aus denen sich unmittelbar für Dritte wohl ohnehin keine Rechte ableiten lassen dürften, den aktuellen Entwicklungen standhalten. Insbesondere die zuletzt durch den BGH noch einmal klar ausgesprochenen Zweifel an der Gemeinschaftsrechtsmäßigkeit des deutschen Sportwettenrechts lassen sich hiermit wohl ganz sicher nichts ausräumen. Vielleicht hat ja einmal ein unmittelbar Betroffener den Mumm und das Kleingeld, eine mögliche Gemeinschafts- und Verfassungswidrigkeit dieses Vertrages gerichtlich überprüfen zu lassen.
Zwischenfazit: Natürlich ist auch dieser Bericht wieder nur eine Momentaufnahme der langjährigen Diskussion. Eine klare Regelung oder gar Modernisierung des deutschen Sportwettenrechts scheint insgesamt durchaus möglich. Aber wie sagte König Otto auf die Kritik an seinem veralterten Spielsystems vor dem Titel? „Modern ist, wer gewinnt!“ ;-) In diesem Sinne…
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