Sparbuch mit 106 000 DM nach 48 Jahren entdecktGießen (si). Für einen heute 51-jährigen Gießener ist wahr geworden, wovon viele Menschen träumen: Er hat im Nachlass seiner Eltern ein Sparbuch mit einer beträchtlichen Summe entdeckt. Niemand wusste davon - und es ist auf seinen Namen ausgestellt. Das Problem: Die Bank verweigert die Auszahlung des Geldes. Damit ist sie jetzt allerdings zum zweiten Mal auf die Nase gefallen. Nach dem Landgericht Frankfurt hat sich auch das dortige Oberlandesgericht hinter den Mittelhessen gestellt.
Aus diesem Stoff ist das Märchen gestrickt: Im Jahre 1959 bekam ein junges Ehepaar Nachwuchs und der Vater - nicht ganz unvermögend - legte bei der Dresdner Bank (heute Commerzbank) ein Sparbuch für den neu geborenen Sohn an. Stolze 106 000 DM, das sind rund 54 000 Euro, zahlte er ein. Viel mehr ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass es der einzige Eintrag blieb, und zwar bis heute. Weder wurde auch nur ein Pfennig abgehoben, noch trug die Bank jemals Zinsen ein. Der kleine Vermögen geriet vollkommen in Vergessenheit.
Warum sich der Mann nicht mehr um das Sparbuch kümmerte und auch sonst niemand informierte: Niemand weiß es. Er starb schon vor einigen Jahren und nahm sein Geheimnis mit ins Grab. Der Sohn entdeckte das Dokument erst 2007, 48 Jahre nach der Ausstellung, nachdem seine Mutter gestorben war. Es fand sich, ganz unscheinbar, in ihrer Erbschaft.
Die böse Überraschung kam dann. Die Dresdner bestritt, dass das Sparbuch echt sei. Womöglich seien auch die Unterschriften der Mitarbeiter gefälscht, oder sie hätten kein Zeichnungsrecht gehabt. Auch in den Archiven gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Forderungen zu Recht bestünden, argumentierte die Bank, die nicht einen Cent auszahlen wollte. Also reichte der Gießener Klage ein. Das zuständige Landgericht Frankfurt ließ ein Gutachten erstellen und das war eindeutig: Die Echtheit des Sparbuchs könne nicht bezweifelt werden. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine Fälschung, Tinte und Kugelschreiberpaste seien schon 1955 auf dem Markt gewesen, urteilte der Sachverständige. Dem schloss sich auch das Oberlandesgericht an, wo der Fall landete, nachdem die Bank Berufung gegen das erste Urteil eingelegt hatte.
Das Oberlandesgericht stellte zudem ausdrücklich klar, dass hier nicht der Sparer in der Beweispflicht sei, sondern die Bank. Nur sie habe Zugriff auf die Geschäftsunterlagen und müsse diese deshalb aufbewahren - auch über die gesetzlichen Fristen hinaus. Keinesfalls könne die Bank einfach behaupten, dass Unterschriften gefälscht oder Dokumente nicht echt seien. Im Übrigen bekräftigte das Gericht, dass die Sparbuchforderung nicht verjährt sei und dass der Kläger ein Recht auf Auskunft durch die Bank habe.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil das OLG wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen hat.
Sollte die Bank auf dieses Rechtsmittel verzichten oder der BGH das erste Urteil bestätigen, kann sich der Gießener auf ein kleines Vermögen freuen. Sein Gießener Anwalt Werner Otto (Haas & Haas) hat über Zinsen und Zinseszinsen einen Sparbetrag von »280 000 bis 320 000 Euro« errechnet, der ausbezahlt werden müsste.
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