Strom aus dem Klärwerk
Kläranlagen sind oft große Energieverbraucher. Doch das muss nicht sein. Mit einer innovativen Brennstoffzelle gewinnen Fraunhofer-Forscher aus Biomasse Strom und Wärme.
Text: Chris Löwer
Die Faultürme des Klärwerks Kaditz sind weithin sichtbar. Die Dresdner nennen sie wegen ihrer Form liebevoll »Fauleier«. Was aber kaum bekannt ist: In ihnen steckt ein zäher, brauner, rund 38 °C warmer SchlamStrom aus der Kläranlage.nnen wird. Dieses Klärgas treibt ein Blockheizkraftwerk an. So deckt die Abwasseranlage 60 Prozent ihres Strombedarfs selbst – eine Menge, die genügen würde, um 14 000 bis 16 000 Haushalte mit Elektrizität zu versorgen.
Doch warum benötigen Klärwerke so viel Energie? Vor allem ihre aufwändige Pump- und Belüftungstechnik sind wahre Stromfresser. Das Paradoxe daran: Kläranlagen verbrauchen Strom, um letztlich Energie zu vernichten, die reichlich in ihren Klärschlämmen schlummert. Um aus der Biomasse noch mehr Strom und Wärme zu gewinnen, arbeiten Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden an einer neuen Brennstoffzellen-Technologie und optimierten Prozessen. »Das Ziel ist es, Kläranlagen energieautark betreiben zu können und künftig sogar Überschüsse zu produzieren«, sagt Burkhardt Faßauer, Abteilungsleiter Biomassetechnologien und Membranverfahrenstechnik am IKTS.
Genau dahin geht der Trend: Nach Einschätzung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) ließe sich die bisherige Energieerzeugung der Wasserwirtschaft verdrei- oder vervierfachen, wenn man das Klärgas in Blockheizkraftwerken oder als Wärmeenergie konsequent nutzt. Kläranlagen würden zunehmend zu Energieerzeugern, stellt die DWA fest und spricht vom »Klärschlamm als Wertstoff der Zukunft«.
Energieträger Biomasse besser nutzen
Um den hochwertigen Energieträger nachhaltig nutzbar zu machen, verfolgen die Fraunhofer-Forscher zwei Wege: Sie erproben nicht nur Verfahren, durch die deutlich mehr Biomasse in Gas umgewandelt wird, sondern auch Brennstoffzellen mit einem hohen Wirkungsgrad. Seit Anfang des Jahres testen Matthias Jahn, Leiter der Abteilung »Chemische Verfahrenstechnik und Elektrochemie«, und sein Team in Dresden Kaditz ein »Brennstoffzellen-Labor« unter den realen Bedingungen der Stadtentwässerung. In dem unscheinbaren weißen Container steckt eine Besonderheit: eine Festoxidbrennstoffzelle (SOFC). Durch sie kann Biogas effizient und sauber verstromt werden.
»Im Vergleich zu einem Blockheizkraftwerk ist der Wirkungsgrad deutlich höher«, erklärt Jahn. Während mit der konventionellen Technik allen- falls ein Wirkungsgrad von 40 Prozent erreicht wird und der Rest als Wärme verloren geht, sind mit der Brennstoffzelle 50 Prozent drin – vielleicht sogar mehr. »Die Technologie der Blockheizkraftwerke ist weitgehend ausgereizt, aber bei der Brennstoffzelle gibt es noch Luft nach oben«, informiert der Abteilungsleiter. Das wird an der Fraunhofer-Entwicklung deutlich: Die SOFC arbeitet nicht etwa mit energieintensiv gewonnenem Wasserstoff, sondern mit Klärgas, das von wechselnder Güte sein kann. »Unser System läuft auch stabil, wenn der Methangehalt zwischen 30 und 70 Prozent schwankt«, erklärt Jahn. Außerdem muss im Biogas vorhandenes Kohlendioxid nicht abgetrennt werden, sondern wird im Prozess genutzt. »Das ermöglicht eine höhere Flexibilität der Zusammensetzung des Brenngases: Es kann auch anderer organischer Müll vergoren wer- den, beispielsweise Speise- und Marktabfälle, Rückstände aus der Lebensmittelherstellung oder der Inhalt der häuslichen Biotonne«, sagt Matthias Jahn.
Weitere Vorteile: Die SOFC arbeitet emissionsfrei, leise und ist robust. »Da es keine beweglichen Teile gibt,ist der Betrieb wartungsarm«, erklärt Jahn. Zudem lassen sich unterschiedliche Brennstoffe wie Erdgas, Biogas, Bioethanol oder Flüssiggas einsetzen. Der Prozess läuft bei bis zu 900 °C ab. Möglich wird das durch eine am IKTS entwickelte Hochleistungskeramik. »Eine enorme Herausforderung, da verschiedene Materialien dafür zusammengefügt wurden, die starken Temperatur- und Lastwechseln standhalten müssen«, meint Burkhardt Faßauer.
Der Klarschlamm wird mit Ultraschall zerkleinert
Um die Ausbeute an Biogasen in der Kläranlage Dresden Kaditz zu erhöhen, wollen die Forscher neben dem Klärschlamm mehr biogene Rest- und Abfallstoffe vergären. Darüber hinaus setzen die Fraunhofer-Experten um Faßauer auf eine Reihe von Prozessoptimierungen. So zerkleinern sie unter anderen den Schlamm mit Ultraschall. Mithilfe dieser Klärschlammdesin-tegration lässt sich mehr Biogas gewinnen.
Wie das in der Praxis funktioniert untersuchen die Experten des IKTS nun im Klärwerk Kaditz. Ein Jahr muss sich die Versuchsanlage unter den harten Bedingungen des Dauerbetriebs behaupten. Bewährt sich die Technik, ist der Ausblick verlockend: Die Kläranlage könnte sogar mehr Energie produzieren, als sie verbraucht. Deshalb sondiert man bereits, wie überschüssiger Strom künftig ins öffentliche Netz eingespeist und externe Wärmekunden eingebunden werden können.
Außerdem lässt sich die Brennstoffzellen-Technik auch in der Landwirtschaft und in Eigenheimen einsetzen. Schon jetzt können in einigen Kommunen Kläranlagen ihren Energiehunger aus eigener Kraft stillen. Doch die energieautarke Abwasserreinigung ist nur der erste Schritt. »Kläranlagen können künftig durchaus zu Kraftwerken werden, das ist realistisch«, prognostiziert Faßauer. Womöglich heißt es dann: »Bei uns kommt der Strom aus der Kläranlage. |