Die Geldhüter bunkern so viele Tonnen des Edelmetalls wie seit Jahrzehnten nicht. Dahinter könnten auch düstere Absichten stehen.
Wer es in Zeiten von Gaskrise, Atomdrohungen und Stromsorgen mit der Angst zu tun bekommt, der kann im Internet ganze Survival-Pakete kaufen. Neben Wasser, Dosenessen und einer Notstromversorgung kaufen sich manch Hartgesottene auf Wunsch auch ein paar Plättchen Gold. Für den Ernstfall eben. Angesichts dieser Lage ist bemerkenswert, dass nicht nur Privatleute in diesem Jahr Gold horten, sondern auch die Zentralbanken so viel Edelmetall kaufen wie seit Jahrzehnten nicht. Alleine im dritten Quartal haben sie 399 Tonnen Gold gebunkert, so zeigen es Statistiken des World Gold Council. Im gesamten Jahr lagen die Goldkäufe damit so hoch wie seit 1967 nicht mehr, als der Dollar wohlgemerkt teilweise noch mit Gold gedeckt war. "Das ist eine enorme Menge, die mich wirklich überrascht hat", sagt Christian Brenner vom Goldhändler Philoro.
Unter den größten offiziellen Käufern am Goldmarkt finden sich auffällig wenige westliche Staaten: So war die Türkei im abgelaufenen Quartal mit 31 Tonnen der größte Käufer, gefolgt vom zentralasiatischen Usbekistan mit 26 Tonnen und Indien mit 17 Tonnen. Viele Notenbanken kaufen laut einer aktuellen Umfrage Gold, weil anders als bei Bankeinlagen oder Staatsanleihen kein Ausfallrisiko besteht. Zudem betrachten die Geldhüter das Edelmetall als langfristig inflationssicher und in Krisenzeiten vergleichsweise stabil. Und in der Tat hat Gold seit Jahresbeginn nur rund drei Prozent an Wert verloren, weit weniger als andere Anlageklassen. "In Zeiten geopolitischer Unsicherheit und hoher Inflation scheinen sich die Zentralbanken auf Gold als Wertspeicher zu besinnen", sagt Rohstoffexpertin Ewa Manthey von der ING Bank. Knapp drei Viertel der Goldkäufe kommen jedoch von Notenbanken, die sich nicht namentlich zu ihren Käufen bekannt haben. Viele Experten vermuten hinter den riesigen Goldkäufen daher weit sinistere Motive: eine Zeitenwende am Finanzmarkt. Bisher investierten viele Notenbanken einen Großteil ihrer Reserven gerne in US-amerikanische Staatsanleihen, die als weitgehend risikolos galten und sich im Zweifelsfall schnell zu Geld machen lassen.
Seit Russland am 24. Februar jedoch die Ukraine überfiel, ist auch am Finanzmarkt kaum etwas mehr wie es war. So haben die westlichen Staaten Russland weitgehend vom internationalen Dollarsystem abgeschnitten, das Vermögen der russischen Zentralbank eingefroren - und diskutieren nun sogar, es zu konfiszieren. "Wir leben auch mit Blick auf die internationalen Finanzströme in einer zunehmend geteilten Welt", sagt Goldexperte Adrian Ash vom Handelshaus Bullionvault. Wer als Notenbank nicht mit anderen Staaten, Währungen oder Banken zu tun haben will, setzt nun gerne auf das Edelmetall. Die Idee: hartes Gold statt sanktionsanfällige Dollars. ...
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