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von Prof. Oliver Reiser Nahezu zwei Jahrzehnte, nachdem der AIDS-Virus entdeckt wurde, können Wissenschaftler die erfolgreiche Entwicklung eines Impfstoffs gegen den Erreger vermelden. In diesen Tagen wurden die ersten Ergebnisse einer ersten, umfassenden Studie von AIDSVAX am Menschen bekannt gegeben. Der Erfolg des Impfstoffs im Schutz vor AIDS wird hierin eindrucksvoll dokumentiert. Allerdings ist die Effektivität von AIDSVAX stark abhängig von der ethnischen Herkunft: Während bei Farbigen und Asiaten die Infektionsrate um mehr als zwei Drittel zurückgeht, ist bei Weißen der Impfstoff nahezu unwirksam. Nachdem in den 1980er Jahren AIDS als die große Bedrohung für die Menschheit gehalten wurde, begann ein beispielloser Wettlauf um die Entwicklung von wirksamen Medikamenten gegen den Virus. Anders als bei der bisherigen Suche nach neuen Medikamenten wurde zum ersten Male nicht das Testen möglichst vieler, zufällig ausgesuchter Verbindungen durchgeführt in der Hoffnung, auf diese Weise eine wirksame Substanz zu finden. Dieses Vorgehen entspricht also der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Vielmehr führte ein gezieltes Vorgehen zum Erfolg: AIDS wird durch den "human immunodeficiency virus", kurz HIV ausgelöst. Im Genom dieses Virus sind vier Enzyme codiert. Eines hiervon ist die Reverse Transkriptase (RT), die für die Entwicklung des Virus notwendig ist. Die Hemmung dieses Enzyms ist daher ein viel versprechender Ansatz im Kampf gegen AIDS. Hierfür muss man die Struktur des Enzyms, genauer gesagt das aktive Zentrum, das für die Funktion des Enzyms verantwortlich ist, identifizieren. Die Nadel im Heuhaufen Enzyme haben äußerst komplizierte Strukturen, aber mit Hilfe moderner Techniken, der so genannten Röntgenstrukturanalyse, gelang es, ein genaues Bild der Reversen Transkriptase zu erhalten (Abbildung rechts). Das aktive Zentrum ist deutlich in der Mitte der Abbildung als Hohlraum zu erkennen, den das Enzym nutzt, um den HIV Virus zu replizieren. Findet man ein Molekül, das in diesen Hohlraum genau passt, kann es die Funktion des Enzyms blockieren und damit die Vermehrung des Virus erfolgreich verhindern. Mit Hilfe von Computern gelingt es mit guter Präzision, Moleküle zu entwerfen, die genau an das aktive Zentrum binden. In der Tat gelang es auf diese Weise, eine ganze Reihe von das Enzym blockierende Substanzen, sogenannten Inhibitoren, zu finden. Hieraus wurden die heute im klinischen Einsatz befindlichen Proteasehemmer entwickelt, einer der bekanntesten aus dieser Klasse ist das AZT. Um in der Sprache des Heuhaufens zu bleiben: Man findet heraus, dass die Nadel magnetisch ist und sucht nun die Nadel, in dem man einen starken Magneten in den Heuhaufen hält. In den 1990er Jahren zogen sich viele Firmen aus der AIDS-Forschung zurück. Dies hatte vor allem zwei Gründe: Man erkannte, dass aufgrund der sich schnell bildenden Resistenzen gegen einen einzelnen Proteasehemmer mehrere Medikamente in Kombination für eine erfolgreiche Behandlung verabreicht werden mussten. Da die Entwicklung einer solchen Kombinationstherapie sehr teuer ist, schlossen sich Firmen zusammen, die jede für sich ein Medikament im Markt hatten, um die Kombination ihrer Wirkstoffe zu erreichen. Mit dieser Maßnahme stellten aber auch die Firmen die weitere Forschung ein.
Impfstoffe als letzte Rettung ?
Ein anderer, nicht so offen angesprochener Grund für das zurückgehende Forschungsengagement war aber auch die Erkenntnis, dass AIDS in der westlichen Welt durch Aufklärung und Prävention weitgehend eingedämmt werden kann. Die nach wie vor von AIDS besonders betroffenen Menschen in Afrika und Asien sind aber nicht finanzkräftig genug, um eine Kombinationstherapie - anfallende Kosten hierfür etwa 100.000 Euro im Jahr - zu bezahlen. Impfstoffe als einzige praktikable Lösung gegen AIDS Allein im letzten Jahr infizierten sich 3,5 Millionen Menschen in Afrika und etwa eine Million Menschen in Asien mit dem AIDS-Virus. Die Suche nach einem Mittel gegen AIDS ist also nach wie vor eine dringende Aufgabe. Aufgrund der schnellen Mutationen des HIV-Virus herrscht heute die allgemein anerkannte Meinung, dass man AIDS nicht heilen, sondern durch Medikamente nur aufhalten kann. Die hohen Kosten für jede Therapie, die eine Krankheit aber nicht dauerhaft heilt und daher das ganze Leben beibehalten werden muß, lassen für AIDS nur eine praktikable Lösung zu: Ein dauerhaft schützender Impfstoff muss entwickelt werden. Dieser Herausforderung stellte sich die Firma VaxGen in Brisbane, Kalifornien, die in den letzten zehn Jahren etwa 200 Millionen US-Dollar für die Entwicklung eines Impfstoffs investierte -ein Ziel, das von vielen als nicht erreichbar eingeschätzt wurde. Doch der Aufwand scheint sich gelohnt zu haben: In einer groß angelegten Studie, an der 5108 homosexuelle Männer und 309 besonders gefährdete Frauen teilnahmen, erhielten zwei Drittel der Teilnehmer sieben Injektionen über einen Zeitraum von drei Jahren, während ein Drittel ein Placebo erhielt. Die Infektionsrate (Abbildung rechts, zur Vergrößerung anklicken) bei Farbigen ging um 78 Prozent, bei Asiaten immerhin um 68 Prozent zurück, während bei Weißen der Impfstoff unwirksam war. Wodurch diese deutlichen Unterschiede zu erklären sind und wie der Impfstoff überhaupt wirkt, ist noch unklar. Die Zulassung von AIDSVAX Weitere Forschung über Funktion und Wirkung von AIDSVAX ist nötig. Die Ergebnisse sind jedoch so ermutigend, dass nun auf eine schnelle Einführung von AIDS-VAXgedrängt wird. Die hierfür zuständige amerikanische Behörde, die Food and Drug Administration (FDA), gab eine erwiesene Effektivität von wenigstens 30 Prozent vor, um eine Zulassung zu erwägen. Diese Vorgabe ist sicherlich erreicht, so dass zu hoffen bleibt, dass ein schnelles Prüfverfahren eingeleitet wird.
Gruß
C.O |