Rohstoffe
07. Juni 2008 Der Blaue Planet leidet. Er leidet gerade unter der schlechten Qualität jenes Elements, dem unsere Erde diesen ehrenvollen und in unserem Sonnensystem einmaligen Titel verdankt: Wasser. Barcelona war in diesem Frühjahr nur ein prominentes Beispiel. Fünf Millionen Menschen litten unter der schlimmsten Dürre seit sechzig Jahren. In Schiffen aus Tarragona und Marseille wurde Trinkwasser herangeschafft, um die Bevölkerung mit dem kostbaren Nass zu versorgen.
Nach Ansicht aller Experten werden sich Fälle von Wasserknappheit und Wassernot häufen: Schon heute leiden 20 Prozent der Weltbevölkerung in dreißig Ländern unter Wassermangel, im Jahr 2015 werden es 30 Prozent in fünfzig Ländern sein.
70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt
Zunächst einmal überrascht diese Prognose. Denn an Wasser herrscht auf dem Blauen Planeten wahrlich kein Mangel. 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt - allerdings von Salzwasser, das für den Menschen unverträglich ist. Vom verträglichen Süßwasser sind wiederum 96 Prozent in Gletschern oder geologischen Schichten der Erde über Jahrtausende gebunden. So bleiben nur 4 Prozent oder 110.000 Kubikkilometer Wasser übrig. Das ist in etwa die Menge, die jährlich durch Niederschlag auf die Erde fällt und wieder verdunstet.
Aber auch davon sehen Menschen zwei Drittel nie: Sie verdunsten über die Pflanzen. Dann bleiben noch rund 40.000 Kubikkilometer, die weitgehend über die Flüsse ins Meer fließen. Aus ihnen schöpfen sich jene knapp 4000 Kubikkilometer Wasser, die die Menschen auf der Welt brauchen zum Trinken, Waschen und Produzieren sowie für die Feldbewässerung. Selbst wenn die Bevölkerung wie angenommen wächst, herrscht an Wasser kein Mangel. „Dies rechtfertigt die Aussage, dass eine Verknappung des menschlichen Trink- und Brauchwassers aus Sicht der Leistungsfähigkeit des Erdsystems nicht ansteht“, schreibt denn auch der Geograph Wolfram Mauser.
Wasserbedarf allein für die Landwirtschaft wird sich verdoppeln
Das Problem liegt nämlich nicht in der Menge, sondern ausschließlich in der Qualität des Wassers. Immer mehr Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Verschmutztes Wasser wird immer häufiger zur Quelle von Krankheitserregern. Trotz aller internationalen Programme sind auch heute noch eine Milliarde Menschen ohne Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 2,8 Milliarden Menschen ohne Zugang zu ausreichender Hygiene - Tendenz steigend, wie die Zahlen der Vereinten Nationen belegen. Während einem Nordamerikaner heute direkt im Haushalt und indirekt über die Erzeugung externer Güter 366 Kubikmeter Wasser im Jahr zur Verfügung stehen und einem Europäer 232, sind es für einen Afrikaner im Durchschnitt nur 25 Kubikmeter im Jahr. Mit zunehmender Erdbevölkerung, weiterer Umweltverschmutzung und fortschreitendem Klimawandel mit Ausdehnung vor allem der Trockenregionen der Erde nimmt die Zahl der Menschen dramatisch zu, die kein geeignetes Trinkwasser haben. Vor allem Lateinamerika, Afrika und Asien werden nach Ansicht von Experten zunehmend unter Wasserknappheit leiden.
Experten gehen davon aus, dass sich bis zum Jahr 2050 bei einer auf mehr als neun Milliarden Menschen angewachsenen Bevölkerung allein für die Landwirtschaft der Wasserbedarf mehr als verdoppelt. Nur in wenigen Regionen der Erde reicht der natürliche Regen dafür aus. Gerade in bevölkerungsreichen Gegenden wie China und Indien kommt die Landwirtschaft schon heute ohne künstliche Bewässerung nicht aus. Wasser in geeigneter Qualität bereitzustellen ist längst keine allein natürliche Sache mehr. Viele Unternehmen leben davon. An ganz konkreten Beispielen will die heute startende Serie zeigen, wie sich um das Wasser und seine Aufbereitung ein Milliardenmarkt entwickelt hat.
Mehr Wasser für den menschlichen Verzehr
Der österreichische Wasseraufbereiter Christ Water Technology berichtet in diesen Tagen von einer Flut von Aufträgen aus den arabischen Golfstaaten. Dort wird derzeit eine Tourismusinfrastruktur geschaffen, die nur ausgelastet werden kann, wenn genügend Wasser zur Verfügung steht. Der Münchener Elektrokonzern Siemens hat vor wenigen Jahren den Wassermarkt erkannt und um den amerikanischen Konzern US Filters eine Gruppe mit 28 Geschäftseinheiten gebündelt. In München schätzt man den Wassermarkt auf etwa 400 Milliarden Dollar mit einem durchschnittlichen Wachstum von 6 Prozent im Jahr. Davon entfallen vier Fünftel auf Gebäude und Rohre und der Rest auf ein breites Feld der Wasseraufbereitung und der Wassernutzungseffizienz. Dazu gehört es, mehr Wasser für den menschlichen Verzehr aufzubereiten, effizienter mit dem Wasser umzugehen und es weniger zu verschmutzen.
Dieser Markt reicht vom Staudammbau oder von der Errichtung von Meerwasserentsalzungsanlagen bis zur Renovierung alter Wasser- und Abwasserrohre, von der Züchtung neuer Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen, bis zum weltweiten Transport von Mineralwasser, von der höheren Wassernutzungseffizienz in der industriellen Produktion bis zur wassersparenden Waschmaschine im Privathaushalt. Viele Unternehmen haben sich der Herausforderung Wasser bereits angenommen.
Zu den Vorreitern gehört der Lebensmittelkonzern Nestlé. Das schweizerische Unternehmen mit Tochtergesellschaften auf allen Kontinenten hat sich vier Aufgaben gestellt: den Wasserverbrauch in der eigenen Produktion zu optimieren, Wissen im Wassermanagement weiterzugeben, natürliche Wasserquellen zu schützen und die Landwirtschaft im effektiven Umgang mit Wasser zu unterstützen. Je Kilogramm Fertigware ist der Wasserverbrauch in den Nestlé-Werken seit 2002 um fast 30 Prozent gesunken, die Abwassermenge sogar um fast 40 Prozent, weil Wasser häufiger wiederverwendet wird. Nestlé hat in seinen 481 Fabriken weltweit den Wasserverbrauch zwischen 2001 und 2006 von 218 Milliarden Liter auf 155 Milliarden Liter reduziert. Im Daimler-Konzern - damals noch zusammen mit Chrysler - ist allein im Jahr 2006 der Wasserverbrauch um 8 Prozent reduziert worden.
Große Effizienzerfolge
Vor allem in der Wiederverwendung einmal gebrauchten Wassers ist Nestlé kein Einzelfall. Hierin ist gerade die deutsche Industrie seit Jahrzehnten erfolgreich. In den vergangenen fünfzig Jahren ist die Wiederverwertungsrate in der Papierindustrie von 2,4 auf 12 Mal, in der chemischen Industrie von 1,6 auf 28 Mal und in der Ölindustrie sogar von 3,3 auf 33 Mal gestiegen. Das spart vor allem Reinigungskosten, reduziert aber auch den Gesamtwasserverbrauch. In diesen Zahlen schlägt sich vor allem die Wärmerückgewinnung aus im Produktionsprozess aufgeheiztem Wasser nieder.
Aber auch in der Landwirtschaft gibt es große Effizienzerfolge. Zum Beispiel konnte der Wassereinsatz für die Kaffeeproduktion auf 10 Prozent reduziert werden. Es werden heute zudem Kulturpflanzen gezüchtet, die mit weniger Wasser auskommen oder bei gleicher Wassermenge einen höheren Ertrag liefern. Wie notwendig all diese Maßnahmen sind, zeigen die täglichen Bilder aus aller Welt von Menschen, die oft nicht einmal Wasser zum Trinken haben. „Das Wasser geht schneller zu Ende als die Ölreserven“, warnt der Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe. Viele Unternehmen arbeiten daran, und Milliarden Menschen hoffen darauf, dass er sich irrt.
Quelle: http://www.faz.net/s/...6E85F570C7BA6004B4~ATpl~Ecommon~Scontent.html ----------- |