Lotterie Ministerpräsidenten zocken um die Zocker VON WOLFGANG HETTFLEISCH
Der Super-Jackpot war jüngst die beste Werbung, die sich der staatliche Toto-Lotto-Block wünschen konnte. 37,7 Millionen Euro für sechs Richtige plus Superzahl - da überschlugen sich Presse, Funk und Fernsehen in Gratiswerbung fürs legale Zocken. Ihre übereinstimmende, meist in harmlose Befragungen gekleidete Botschaft lautete: Deutschland ist im Tipp-Fieber.
Die Ministerpräsidenten, die sich auf ihrer Konferenz seit Mittwoch in Bad Pyrmont unter anderem mit einer Neufassung des Lotterie-Staatsvertrags beschäftigen, mögen die Jagd nach dem Volltreffer mit unterschwelligem Unbehagen verfolgt haben. Ein gelungenes Beispiel für die nachhaltige Eindämmung der Lust am Zocken, wie sie das Bundesverfassungsgericht im März etwa als Grundlage für die Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols im Bereich Sportwetten gefordert hatte, war das Jackpot-Fieber nicht. Auch wenn der staatliche Anbieter nicht selbst die Werbetrommel rühren musste. Das erledigten die Medien von alleine.
Die Phalanx der Länderchefs für eine Aufrechterhaltung des staatlichen Glücksspielmonopols, das derzeit vier bis fünf Milliarden Euro jährlich in die Länderkassen spült, zeigt unterdessen erste Risse. Mit der Aussage, ein Monopol sei "faktisch nicht mehr durchsetzbar", setzte der Leiter der Mainzer Staatskanzlei, Martin Stadelmaier, seinen Chef Kurt Beck in der Süddeutschen Zeitung als Befürworter einer Marktliberalisierung in Szene. Der SPD-Vorsitzende und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz weiß die CDU-Kollegen Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein) und Günther Oettinger (Baden-Württemberg) an seiner Seite. Der Ansatz der drei ist pragmatisch, in der Ministerpräsidentenrunde im Weserbergland aber nicht mehrheitsfähig. Sie glauben, ein regulierter - und fiskalisch womöglich vorteilhafter - Marktzugang privater Anbieter im überschaubaren Bereich der Sportwetten ist gemessen am drohenden Wildwuchs des globalisierten Glückspiels das kleinere Übel. Internet-Anbieter müssen sich um Ländergrenzen und Staatsmonopole kaum scheren - vorausgesetzt, sie sind mit ihrem Niederlassungsort auf Malta oder sonstwo konzessioniert.
Länderchefs streben Kompromiss an
Die Mehrheit der Ministerpräsidenten will so lange wie möglich am einträglichen Glücksspielmonopol festhalten. Laut Süddeutscher Zeitung streben sie einen Kompromiss an: Das Lotto- und Toto-Monopol soll noch vier Jahre bestehen, während ein Modell zur Vergabe von Lizenzen an private Anbieter nach dem Jahr 2010 entwickelt wird. Der von Bayern und Nordrhein-Westfalen erarbeitete Entwurf für den Staatsvertrag, der bis Jahresende unterschriftsreif sein soll, sieht vor, die Vermittlung von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis zu verbieten. Angebote zum Zocken im Internet und Fernsehwerbung für Glücksspiel soll es nicht mehr geben.
Doch das Fernhalten der privaten Konkurrenz wird zunehmend schwierig. In Sachen Sportwetten urteilte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts im März, der Bereich müsse bis zum 31. Dezember 2007 neu geregelt werden. Die Richter stellten klar, das Monopol könne nur aufrechterhalten werden, wenn die staatliche Sportwette Oddset "konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft" ausgerichtet werde. An dieser fast unlösbaren Vorgabe arbeiten sich die Ministerpräsidenten nun ab. Auch Brüssel macht Druck. Die EU-Kommission prüft, ob die deutsche Sportwetten-Praxis gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Gemeinschaft verstößt. Nach Rechtsauffassung der Lobby der privaten Sportwettenbetreiber kann der Europäische Gerichtshof die in Bad Pyrmont angestrebte Verlängerung des staatlichen Sportwetten-Monopols um vier Jahre jederzeit zu Fall bringen. Schlechte Nachrichten für die Verteidiger des Wettmonopols kamen auch aus Sachsen. Das Dresdner Verwaltungsgericht hob am Dienstag das Verbot des Regierungspräsidiums Chemnitz gegen den mit DDR-Lizenz agierenden Privatanbieter bwin vorläufig auf. Die Rechtslage auf Bundesebene und in Europa sei noch nicht geklärt.
Die viel diskutierten Sportwetten sind mit einem Jahresumsatz von 2,2 Milliarden Euro (2005) nur ein kleines Stück vom Kuchen. Rund 30 Milliarden werden hierzulande jährlich mit der Leidenschaft fürs Zocken umgesetzt. Fällt das Sportwetten-Monopol, wird auch die Staatsdomäne Glücksspiel wohl nicht mehr lange zu halten sein. |