Talfahrt nicht mehr aufzuhalten Preis für Brent-Öl fällt auf das Jahrestief. Gold klebt an der 600-Dollar-Marke fest. Aber Industriemetalle trotzen der Schwächephase.Von Daniel Eckert Berlin - Investieren an den Kapitalmärkten ist ein permanenter Lern-Prozess. Nur dass das Lehrgeld häufig genug recht hoch ausfällt. Dieses Jahr mussten vor allem jene Investoren ihre Lektion lernen, die auf den viel beschrieenen Superzyklus steigende Energiepreise setzten. Just als im Spätsommer immer mehr Researchhäuser die 100 Dollar für das Barrel Rohöl für realistisch erklärten, kippte der Trend und der Preis des Schwarzen Goldes stürzte ab. Gestern markierten die Brent-Notierungen mit 55,97 Dollar je Fass den tiefsten Stand seit Dezember 2005. Seit seinem Hoch bei 78,63 Dollar Anfang August hat Öl damit schon knapp 30 Prozent an Wert verloren. Lehrgeld mussten auch Anleger bezahlen, die zum falschen Zeitpunkt auf Gold und andere Rohstoffe setzten. Mit schlechtem Timing brachte selbst eine zahlreiche Ressourcen abdeckende Benchmark wie der Dow AIG Commodity Index einen Verlust von 15 Prozent. "Die zurückliegenden Monate haben die Anleger daran erinnert, dass es bei Rohstoffen auch mal heftiger nach unten gehen kann", sagt Heinz-Werner Rapp, Geschäftsführer bei Feri Wealth Management. Zwar glaubt der Vermögensstratege weiter an den Makrotrend Rohstoffhausse, aber kurzfristig seien Anleger gut beraten, ihre Investments im Commodity-Bereich zu reduzieren. "Vieles deutet darauf hin, dass die Korrektur nach den Übertreibungen des Frühjahrs und Sommers noch andauern kann." Auch sein Kollege Philipp Vorndran von Credit Suisse geht nicht davon aus, dass "der beste Moment für einem Wiedereinstieg bereits gekommen ist." Erst müssten die vielen Spekulanten, die auf steigende Kurse gesetzt haben, vom dem Markt ablassen. Als Hauptgrund für die Schwäche der Rohstoffe nennen Beobachter, dass sich die globalen Konjunkturaussichten verschlechtert haben. Eine schwächere Weltwirtschaft bedeutet weniger Nachfrage nach Energieträgern, Metallen und sonstigem Futter für die Maschinen.
Dazu passt jedoch eines nicht: Ausgerechnet jene Rohstoffnotierungen, die unter einer konjunkturellen Abkühlung theoretisch am meisten leiden sollten, zeigen sich am robustesten - die der Industriemetalle. So bewegt sich Kupfer mit einem Preis von rund 7360 Dollar pro metrische Tonne nur 14 Prozent unter seinem historischen Hoch vom Mai 2006. Die Industriemetalle Zink und Blei kletterten in den vergangenen Tagen sogar auf neue Rekordstände. Experten finden für dieses Paradox zweierlei Erklärungsmuster. Die einen führen die Robustheit der Preise auf fundamentalen Faktoren zurück: "Der Nachfragezuwachs nach diesem Metallen mag vielleicht nicht so stark ausfallen wie erwartet, doch das Angebot entwickelt sich aber noch schwächer", sagt zum Beispiel Sandra Ebner von Deka Investment. So würden enttäuschende Ausbeuten großer Minen sowie die latente Streikgefahr im Bergwerkssektor dazu führen, dass die Lagerbestände weiter recht knapp bleiben - und die Preise hoch. Die anderen sehen schlicht noch viel spekulatives Geld in diesen Marktsegmenten versammelt. "Angesichts einer schwächer werdenden Weltkonjunktur müssten die Preise von Kupfer und anderen Industriemetallen längst korrigiert haben", meint Rapp. Aktuell sei das Preisgefüge durch die Engagements von Hedgefonds und anderen Spekulanten verzerrt. Nicht nur dem Feri-Profi zufolge sind die Rückschlagrisiken bei Industriemetallen mit 30 bis 40 Prozent am größten. Allerdings wurde der Crash während der Preisvervielfachung bei Kupfer und Co. seit 2003 schon einige Male prophezeit - und ließ immer wieder auf sich warten. Ein besseres Chance-Risiko-Verhältnis sehen die Auguren aktuell bei den Edelmetallen. Dass der Goldkurs seit einigen Wochen zwischen 570 und 605 Dollar je Feinunze pendelt, wird als Bodenbildung gewertet. "Sollte der Widerstand bei 600 Dollar durchbrochen werden, könnte das Edelmetall noch 2006 auf 700 Dollar steigen", ließ Paul Walker vom Researchhaus GFMS jetzt verlauten. Nächstes Jahr sei dann womöglich ein Allzeithoch jenseits der 850 Dollar von 1980 drin. Graham Birch, Manager des Merrill Lynch Gold Mining Funds gibt die Parole aus:"Unerschrockene Anleger werden von einem Wiedereinstieg profitieren." Aber auch die Öl-Bullen sind nicht ausgestorben. Credit-Suisse-Mann Vorndran hält weiter an einer Preisprognose von bis zu 110 Dollar pro Barrel fest. Erst auf diesem Niveau dürfte ein fairer Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage erfolgen: "Zwar sind wir von diesen Werten weit entfernt, dies könnte sich aber noch vor dem Ende der Dekade ändern." Artikel erschienen am 01.11.2006 WELT.de 1995 - 2006 |