Experten dämpfen Hoffnung auf Rally [Von ftd.de, 23:07, 04.10.06] Trotz des historischen Hochs des US-Börsenbarometers Dow Jones warnen führende Analysten und Volkswirte vor allzu großer Euphorie. An den Anleihemärkten herrscht Skepsis vor.
"Wir haben ein gemischtes Bild. Das ist keine robuste Aktienrally", sagte David Kotok, Aktienmarktstratege beim US-Vermögensverwalter Cumberland Advisors. "Mittel- und langfristig ist das Risiko deutlicher Rückschläge weit größer als die Chance weiterer Kursgewinne", so Folker Hellmeyer, Chefökonom der Bremer Landesbank. Am Mittwoch legte der Dow Jones aber zunächst noch einmal zu: Gegen 20.15 Uhr MESZ notierte er bei 11.799,86 Punkten - er stieg damit über den zwischenzeitliche Höchststand am Dienstag von 11.754,50 Punkten. Mit ihren Aussagen dämpfen die Experten Hoffnungen, wonach das das Überschreiten der Marke eine bevorstehende Aktienrally signalisiert. Am Dienstag hatte der Dow Jones bei 11.727,34 Punkten geschlossen - knapp fünf Punkte über dem bisherigen Handelsschlusshöchststand von 11.722,98 Punkten vom 14. Januar 2000. Nach dem Platzen der Internetblase und den Terrorangriffen vom 11. September 2001 war der Index bis auf 7197,49 Punkte abgesackt. Zinspause der US-Notenbank
Befeuert worden waren die jüngsten Kursgewinne laut Beobachtern von der Zinspause der US-Notenbank. Nach 17 Zinserhöhungen in Folge seit Juni 2004 hat die Fed nun zweimal in Folge den Leitzins unverändert bei 5,25 Prozent gelassen. Obwohl US-Notenbanker weiter vor akuten Inflationsrisiken warnen, spekulieren die Märkte bereits auf eine erste Zinssenkung zum Jahreswechsel. Zugute kam den Börsen auch der zuletzt massive Rückgang der Ölpreise. Niedrigere Zinsen und Energiepreise helfen Unternehmen und Verbrauchern. Das bestärkt die Optimisten: Zu ihnen gehört David Dropsey von Thomson First Call. "Für den Aktienmarkt spricht zudem die niedrige Bewertung", sagte er. Zwar verlangsame sich das Wirtschaftswachstum, aber die Unternehmensgewinne legten weiter zu. "Wir haben uns die Kurs-Gewinn-Verhältnisse angeschaut, und die Bewertung liegt auf dem Niveau von vor sieben Jahren. Das spricht für Aktien", sagte Dropsey. Auch Philip Roth, technischer Analyst bei der Investmentgesellschaft Miller Tabak, glaubt, dass sich der Markt in den nächsten Wochen auf dem hohen Niveau halten kann. Keine Zuversicht bei Analysten Diese Zuversicht wird allerdings nicht von allen Analysten geteilt. "Bei den Gewinnen befinden wir uns am oberen Rand. Da sind eher keine positiven Überraschungen zu erwarten", sagte Chefanalyst Hellmeyer. Dazu bestehe das Risiko, dass die "weiche Landung" der US-Wirtschaft nicht gelingt. Im zweiten Quartal war die US-Wirtschaft nur noch um 2,9 Prozent gewachsen - nach 5,6 Prozent im ersten Vierteljahr. Speziell vom US-Häusermarkt, der für den privaten Verbrauch so wichtig ist, kamen zuletzt beunruhigende Signale. "Noch nie zuvor hing der US-Konjunkturmotor derart an den privaten Verbrauchern", mahnte Michael Metz, Stratege bei der Vermögensverwaltung Oppenheimer & Co. Das Bild einer "härteren Landung" scheint sich an den Rentenmärkten durchgesetzt zu haben - wie sich daran zeigt, dass die Renditen niedrig sind. "Die Rentenmärkte setzen auf eine deutliche Abkühlung der US-Wirtschaft, die Aktienmärkte ignorieren diese Entwicklung noch weitgehend", sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Sein Kollege David Rosenberg von Merrill Lynch fühlt sich bereits an die unterschiedliche Entwicklung der beiden Märkte in den Jahren 1990 und 2000 erinnert. "Beide Male behielten die Rentenmärkte Recht. Und wir haben die leise Ahnung, dass die Anleihen auch diesmal die richtige Geschichte haben", sagte Rosenberg. Hellmeyer erwartet, dass der Dow Jones in den nächsten drei bis sechs Monaten bis zu 15 Prozent verliert.
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