Warnung vor der Eiszeit
Der georgische Krieg: Hat Russland die Amerikaner belogen? / Von Klaus-Dieter Frankenberger
Gemeinhin steht der amerikanische Verteidigungsminister Gates nicht im Ruf, unbesonnen zu sein oder gerne mit dem Säbel zu rasseln; der Zynismus seines Vorgängers Rumsfeld ist ihm fremd. Deswegen fällt das, was er zum Krieg im Südkaukasus und zur Zukunft des russisch-amerikanischen Verhältnisses sagt, umso mehr ins Gewicht. Sollte Moskau nicht mit seinem aggressiven Gebaren in und gegenüber Georgien aufhören, werde das auf Jahre hinaus das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten negativ beeinflussen – in der ganzen Breite dieser Beziehung und hinsichtlich ihrer Grundlagen.
Gates’ Warnung war ein Echo jener Aufforderungen, die schon Präsident Bush und Außenministerin Rice an die russische Führung gerichtet hatten und welche sie mit entsprechenden – wie immer ernstgemeinten oder leeren – Drohungen verbunden hatten für den Fall, das Russland seine militärische Kampagne gegen Georgien fortsetze.
Möglicherweise speisen sich die Warnungen an Moskau, es nicht auf eine neue Eiszeit in den zweiseitigen Beziehungen ankommen zu lassen, aus dem Umstand, dass sich die Regierung Bush von der Führung in Moskau belogen fühlt. Die ersten Reaktionen des Präsidenten in Peking und hoher Regierungsmitglieder am Freitag vergangener Woche und noch während des vergangenen Wochenendes waren, was Russland betraf, auffallend milde – so milde, dass daraus schon Verständnis für den russischen Gegenschlag in Südossetien herausgelesen wurde und selbst der demokratischen Opposition die Äußerungen des Präsidenten als läppisch und unzureichend vorkamen.
Verteidigungsminister Gates gab jetzt zu, dass die ersten Reaktionen amerikanischer Regierungsmitglieder zur Grundlage hatten, was ihnen vor allem die russische Seite zu dem Geschehen gesagt habe. Er zählte im Einzelnen den russischen Verteidigungsminister Serdjukow auf, der ihm überdies versichert habe, dass Moskau nicht in Georgien einmarschieren wolle, den General Makarow sowie Außenminister Lawrow. (Der hat gerade das amerikanische Beharren auf der territorialen Integrität Georgiens quasi als Hirngespinst abgetan.) In Peking hatte Ministerpräsident Putin es selbst unternommen, Bush die Moskauer Version darüber zu unterbreiten, was in Südossetien vorgehe und welche Verbrechen die georgischen Angreifer sich angeblich zuschulden hätten kommen lassen. Die Bilder, die es von der Unterredung gibt, zeigen einen sichtlich konsternierten Bush.
Gates sagte nun, man wisse ja, die ersten Berichte über ein Geschehen dieser Art stellten sich später als falsch heraus. Das war zwar verklausuliert, aber dennoch unmissverständlich: Das, was Moskau Washington in ersten Berichten über das Vorgehen der Georgier mitgeteilt hatte – über georgische Greuel und Zerstörungen –, war falsch und/oder übertrieben. Es erlaubte insbesondere Putin, als selbstloser Verteidiger der Südosseten aufzutreten, das Ausmaß der russischen Militäraktion als gerechtfertigt darzustellen und den in Westeuropa ohnehin wenig beliebten georgischen Präsidenten Saakaschwili als unverantwortlichen Aggressor erscheinen zu lassen. Zu einem Zeitpunkt, da Außenstehende keine Möglichkeit hatten, sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, das Geschehen zu rekonstruieren oder Angaben über Opfer zu überprüfen, bestimmte damit die russische „Geschichte“ die öffentliche Wahrnehmung – und die Reaktion der amerikanischen Regierung.
Ein Ruhmesblatt ist das für die in keinem Fall. Weder hatte sie es geschafft, die georgische Regierung von ihrer Offensive abzuhalten – wie sehr das auch von südossetischen Milizen provoziert worden war und wie sehr Russland darauf gewartet hatte –, noch war das eigene Krisenmanagement überzeugend. Aber auch daraus sprechen die Überraschung über das Ausmaß der russischen Operation und die Ernüchterung angesichts der propagandistisch abgestützten Vehemenz, mit der Moskau seine regionalen Hegemonieambitionen durchzusetzen versucht – und dass es nicht die Spur von Scheu zeigt, sich mit den Vereinigten Staaten anzulegen.
Im Gegenteil, Moskau hat Washington sowie der Nato und der EU gezeigt, wo der Hammer im Kaukasus hängt und dass der Westen fürs Erste wenig ausrichten kann, wenn Russland der Sinn nach Revanche steht für die angebliche Schmach, die ihm nach dem Ende des Kalten Kriegs zugefügt worden sei. Dass es dem nostalgisch nachtrauert, verraten schon die alte Rhetorik und entsprechende symbolische Handlungen – beide sind en vogue, nur die PR-Methoden sind neu.
Die amerikanische Politik hat eine Woche seit Ausbruch der Kämpfe gebraucht, bis Außenministerin Rice den Weg nach Tiflis fand, um Georgien Unterstützung zu bekunden. Wie sehr oder vielmehr: wie wenig Moskau davon und von den bisherigen amerikanischen Einlassungen beeindruckt ist – am Freitag prangerte Bush noch einmal Russlands Politik des Drangsalierens und des Einschüchterns eines kleines Nachbarlandes an –, konnte Frau Rice selbst an Ort und Stelle erleben: Noch immer sind russische Truppen im georgischen Kernland präsent, zerstören militärische und zivile Infrastruktur und behaupten, dies stimme mit der Vereinbarung über eine Waffenruhe überein.
Im Grunde handelt es sich dabei um eine Demütigung der Regierung Bush, die kurzfristig dagegen wenig machen kann. Bush, der Putin einst glaubte ins Herz schauen zu können, muss sich heute düpiert und getäuscht fühlen. Gutgläubigkeit wurde bestraft von einem Russland, das rigorose Großmachtpolitik betreibt, auch weil es weiß, dass der Westen nicht auf Konfrontation aus ist. Den großen Konflikt um Georgien will Amerika mit Russland nicht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.08.2008 Seite 8
Quelle: www.faz.net ----------- MfG kiiwiipedia
No Pizzass please.
"...und wo ist Beeeheck? " |