DÜSSELDORF (Dow Jones)--Die ThyssenKrupp AG hat am Freitag entscheidende Weichen für die künftige Entwicklung gestellt. Mit der Anpassung der Produktionsplanungen der neuen Werke in Übersee, dem Bekenntnis zum alleinigen Fortführen der Edelstahlsparte und vor allem dem gravierenden Umbau der Unternehmensstruktur will sich der Konzern "fit für die Zukunft" machen. So formulierte es der Vorstandsvorsitzende Ekkehard Schulz nach der Sitzung des Aufsichtsrat.
Das in Duisburg und Essen ansässige Unternehmen wird künftig aus zwei Divisionen mit je vier Geschäftsfeldern bestehen. Die einzelnen Konzernaktivitäten werden direkt an die Konzernzentrale angebunden. Dies gelte vor allem für die strategische Ausrichtung, betonte Schulz. Operativ werde der Konzern in Zukunft dezentraler geführt, weil die einzelnen Unternehmungen durch den Wegfall der bisherigen Zwischenholdings eigenständiger agieren könnten, so Schulz.
Die Änderungen werden mit dem Start des neuen Geschäftsjahrs am 1. Oktober wirksam. Die neue Struktur soll die Kosten des Konzerns um bis zu 500 Mio EUR verringern, bekräftigte der Vorstandsvorsitzende. Das Volumen setzt sich demnach zu gleichen Teilen aus Sach- und Personalkosten zusammen.
Der größte deutsche Stahlkocher hatte im März dieses Jahres wegen des Konjunktureinbruchs die strukturelle Neuordnung in ihren Grundzügen beschlossen. Die Details des Konzernumbaus wurden in der Folge ausgearbeitet und mit dem jetzt erfolgten Beschluss des Aufsichtsrats festgezurrt.
Mit der neuen Struktur wird ein neues Kapitel in der Unternehmensgeschichte aufgeschlagen. Der aus den Unternehmen Thyssen und Krupp 1998 entstandene Konzern hatte sich damals den aktuellen Aufbau gegeben, der bis in dieses Jahr Bestand hatte und nun umgewälzt wird.
Die eine der zukünftigen Divisionen mit dem Namen "Materials" wird die Aktivitäten in der Stahl- und Edelstahlerzeugung umfassen. Dabei sucht ThyssenKrupp bei Edelstahl jetzt die Flucht nach vorn. Nachdem in der zurückliegenden Zeit nach strategischen Möglichkeiten wie etwa einer Partnerschaft für den Bereich gesucht wurde, ist die Prüfungsphase nun mit einem Bekenntnis zu dem Geschäftsbereich beendet worden.
Die erwogenen Optionen einer Zusammenarbeit hätten nicht zur Wertschaffung für die Aktionäre geführt, sagte Schulz. Der Bereich solle nun im Alleingang strategisch weiterentwickelt werden. Für die Fortführung des Geschäfts werde mit den Arbeitnehmern ein Konzept erarbeitet, um die notwendige Anpassung der Kostenstruktur zu erreichen, erklärte Schulz.
Der Markt für Edelstahl ist noch stärker eingebrochen als der für Rohstahl. Die Preise, die ThyssenKrupp in dem Geschäft erzielt, haben sich nahezu halbiert. Die Sparte ist für das Unternehmen derzeit der größte Verlustbringer und hat in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2008/09 (30. September) einen Fehlbetrag vor Steuern von 826 Mio EUR angehäuft.
Insgesamt war in neun Monaten bei einem um fast ein Viertel niedrigeren Umsatz von 30,7 Mrd EUR ein Vorsteuerverlust von fast 1 Mrd EUR angefallen. Für das noch bis Ende September laufende Geschäftsjahr geht der Konzern von einem bereinigten Vorsteuerverlust im höheren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich aus, wie jetzt nochmals bekräftigt wurde.
Die Wirtschaftskrise macht Stahlherstellern ganz besonders zu schaffen. In der Branche potenzieren sich die Probleme mehrerer Sektoren wie etwa des Maschinenbaus oder der Autoindustrie. Das macht sich in schwacher Nachfrage und starken Preisrückgängen bemerkbar.
Zuletzt hat sich die Lage aber wieder etwas aufgehellt. Die Konkurrenz wie Salzgitter und ThyssenKrupp selbst konnten Preiserhöhungen durchsetzen. Im Stahlbereich sehe man erste Anzeichen einer Bodenbildung, erklärte Schulz jetzt. Die Erholung sei allerdings vom Lageraufbau getrieben. Die Gefahr eines konjunkturellen Rückschlags bestehe weiter fort, sagte der Manager.
Der Konzern hat bereits früh im laufenden Geschäftsjahr reagiert und ein Sparprogramm aufgelegt. Dadurch sollen die Kosten im Geschäftsjahr um deutlich über 1 Mrd EUR gesenkt werden, wie Schulz bekräftigte. Von diesen Einsparungen sollen 550 Mio EUR nachhaltig sein und auch in den Folgejahren anfallen, so Schulz.
Ein Großteil des Sparvolumens stamme von der Personalseite. Bis Ende Juli sei die Zahl der Beschäftigten per Saldo um über 12.000 reduziert worden, sagte Schulz. Insgesamt solle dieser Kostenblock in diesem Jahr um bis zu 730 Mio EUR sinken, so der Manager. Der Personalabbau werde im kommenden Geschäftsjahr wohl andauern, sagte Schulz. Eine konkrete Zahl nannte der Manager jedoch nicht, "um Verunsicherung in der Belegschaft zu vermeiden".
Auch die Verschuldung des Konzerns soll nun noch schneller gesenkt werden als zuletzt gedacht. Für Ende September wird mit einer Nettoverschuldung von unter 3,5 Mrd EUR gerechnet, wie Schulz sagte. Die internationalen Ratingagenturen hatten die Bonitätseinstufung des Unternehmens zuletzt in Richtung bonitätsschwache Anleihen gesenkt.
Bei der Investitionsplanung reagiert ThyssenKrupp ebenfalls auf die schwache Marktlage und verschiebt den Hochlauf der derzeit im Bau befindlichen Werke in den USA und Brasilien erneut.
Das brasilianische Werk wird den Aussagen Schulz' zufolge Mitte 2010 mit einer Produktionslinie starten. Die zweite Linie soll aus heutiger Sicht im Jahr 2011 folgen. Ursprünglich war der komplette Start noch in diesem Jahr vorgesehen. Das in den USA gebaute Flachstahlwerk wird dagegen wie geplant im Frühjahr 2010 starten.
Gleichzeitig wurde für das Edelstahlprojekt im US-Bundesstaat Alabama eine Anpassung vorgenommen. Das dabei vorgesehene Kaltwalzwerk startet nun in der zweiten Jahreshälfte 2010 mit einer reduzierten Kapazität von 100.000 Tonnen. Insgesamt soll das Werk einmal 350.000 Tonnen Kaltband produzieren, der Start hierfür war ursprünglich für Ende 2010 vorgesehen.
Bei dem US-Edelstahlprojekt ist zudem ein Stahlwerk geplant, dessen Produktionsbeginn anfänglich für Anfang 2012 angedacht war. Diese könne um bis zu 24 Monate verschoben werden, sagte Schulz nun.
Die Kosten für die Werke in Brasilien und USA liegen mittlerweile deutlich über den ursprünglichen Planungen. Insgesamt hat ThyssenKrupp für die Projekte knapp 8 Mrd EUR eingeplant - auch ein Grund, der zur Krise des Konzerns beigetragen hat und nun zum Umbau des Unternehmens führt. ----------- Hinweis nach § 34 WpHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Der Autor dieses Textes kann unter Umständen Short- und/oder Long-Positionen in der/den behandelte(n) Aktie(n)/Indizes halten. |