Nun hier auch noch meine Zeilen zu den 6M-Zahlen, wie immer etwas verspätet, ist gerade stressig in meinem Unternehmen...
Konzernumsatz steigt um 2 % auf 390,8 Mio. € (6M 2023: 383,8 Mio. €)
Joahr, für ein Wachstumsunternehmen zu wenig. Woran liegt es? -> Schwächen in in dem Konzernbereich, der bei mir immer die Beiträge abschneidet, den ich hier also nicht nennen werde (deutsch: geteilte Forschung und Entwicklung)
Der Unterbereich Discovery (früher Evo Execute also das klassische transaktionale Dienstleistergeschäft) hat zwar in Q2 eine "außergewöhnlich" an Abschlüssen gezeigt (Präsentation zum Call)...diese wirken sich aber natürlich erst mit Abschluss der Lieferung und dann deren Bezahlung aus... Besser laufen da wohl die integrierten Partnerschaften über mehrere Jahre, die aber eben nur einen Teil des transaktionalen Discovery-Geschäfts darstellen.
Die Untersparte Development aka die Co-owned Pipeline wird in der Präsentation kurz erwähnt in dem Sinne das interessante Angebote zu langfristigen Kooperationen vorliegen, aber hier die Kapazitäten nicht annähernd ausgelastet sind.
Insgesamt sinkt der Umsatz der Sparte um 7% zum Vorjahreszeitraum, was nicht nur zu wenig sondern desaströs ist. Ich habe da zwei mögliche Gründe identifiziert, 1) Seit dem Cyberangriff geht es mit der geteilten Forschung und Entwicklung abwärts, weil geteilte Forschungsdaten eines bedingen: Datensicherheit/Vertrauen in die Sicherheit der Daten. Warum sollte ein aufstrebendes US-StartUp auf Evotecs Plattformen forschen, wenn die Daten dann womöglich in China landen? ... 2.Grund -> der Biotech-/Pharmabranche geht es allgemein gerade nicht gut. Wenn man nicht gerade Eli Lilly oder Novo Nordisk heißt und Abnehmspritzen liefert, ist man in einer Mühle aus steigenden Kosten (Inflation), mehr und mehr zahlungsunwilligen Gesundheitssystemen, langwierigen Zulassungsbedingungen für Neuzulassungen, günstiger Generika-Konkurrenz aus Asien (Stichwort: China) gefangen und schwierigen Finanzierungsbedingungen (Stichwort: hohe Zinsen in "sicheren" Staatsanleihen > riskante Investitionen in Forschung = wo geht das Geld wohl hin?...) gefangen.
Evotec ist von Grund 1 direkt betroffen, da der Cyberangriff allein Evotec galt und von Grund 2 indirekt betroffen, da Evotecs Kunden in der geteilten Forschung und Entwicklung genau jene Pharmariesen und StartUps sein sollten, die durch Teilung der Forschung und der Daten schnellere und bessere Ergebnisse liefern sollten, aber eben selbst Probleme haben...
Das ist die Definition von einem "schwachen Marktumfeld". Bitter. Dazu die hohe Fixkostenbasis, weil Evotec ja in den letzten Jahren geradezu Personalkapazitäten aufgebaut hat, um Dienstleistungen anbieten zu können, welche jetzt nicht ausreichend abgerufen werden...
Macht am Ende ein Ebitda von knapp -3,8 Millionen EUR nach reichlich 29 Millionen EUR im Vorjahreszeitraum (6M).
Soweit zur Schattenseite.
Nun die helle Seite der Macht.
Die Biologika-Sparte (JEB).
50% Umsatzsprung zum Vorjahreszeitraum. Verzehnfachung der Closed Sales zum Jahr 2022 und der 2.JPOD ist noch nicht mal am Netz ...ab 2025 wird der J.POD in Frankreich hoffentlich genauso einschlagen wie der in Redmond...
Der Erfolg der Biologika-Sparte gleicht trotz der riesigen Investitionen in den 2.JPOD das Ergebnis auf Ebitda-Basis fast aus. In Quartal 3 und 4 wird das weiter ins Positive drehen.
Soweit grob die für relevanten fundamentalen Dinge nach 6 Monaten. Ja unverpartnerte Forschung wird weiter eingekürzt, Standort geschlossen, Stellen abgebaut (aka überschüssige Kapazität abgebaut) und das kostet natürlich erstmal. Wie schon Anfang des Jahres als WL plötzlich abtrat, kann man das Jahr 2024 fundamental abschreiben als Longie.
Was ziehe ich für m ich da raus?
Ich muss sagen, dass es ein visionäre Entscheidung von WL und seinem Team war 2019 Just Biologics zu kaufen. Es war eine richtige Entscheidung Ende 2021 wieder an die US-Börse zu gehen und dort auf dem Höhepunkt der Corona-Kurse Geld für den Börsengang einzusammeln...stark. Und das günstige EIB-Darlehen 2023 für den Aufbau des JPODs Toulouse kurz vor dem Cyberangriff hilft heute auch ungemein.
Die Entscheidungen/erreichten Wegpunkte von damals ermöglichen Evotec fundamental heute das zweite (immer stärker werdende) Standbein der Biologik-Herstellung, während die geteilte Forschung und Entwicklung schwächelt. Und es ermöglicht Evotec eine stabile Eigenkapitalquote und ausreichend liquide Mittel um die Investitionen und die Kosten der Reorganisation zu stemmen. Das kann WL, der sicherlich nicht alles richtig gemacht hat, keiner nehmen.
Was ich hier in den letzten Wochen und Monaten im Forum für Quark lesen musste, war schon heftig. Insolvenzgefahr, Übernahme (wo ist die denn nun?), Wirecard etc., alles nur weil der Markt eben die schwierige Lage einpreist. Evotec ist fundamental gut aufgestellt und wenn jetzt nicht gerade ein Erdbeben die Baustelle in Toulouse dem Erdboden gleichmacht, dann wird die Biologika-Sparte ab 2025 nicht nur die Schwächen der geteilten Forschung und Entwicklung wettmachen, sie wird sogar zur wichtigsten Säule heranwachsen.
Aber auch die geteilte Forschung und Entwicklung schreibe ich nicht ab. Dort braucht man einfach einen langen Atem und kosteneffiziente Strukturen (welche gerade hergestellt werden). Sollten die billigen Chinesen tatsächlich im Herbst von den USA aus der Biotechnologie verbannt werden, sollten die Zinsen allgemein wieder sinken und sollte irgendwann auch wieder mehr Vertrauen zum Forschungsnetzwerk von Evotec und dessen (IT-)Sicherheit wachsen, dann wird auch die geteilte Forschung und Entwicklung zu alter Stärke zurückfinden. Ganz zu schweigen von Co-owned Pipeline und den Beteiligungen von Evotec an anderen Unternehmen, auch hier endet irgendwann die Ebbe... Eine Investition in Evotec ist die Investition an langfristigen Entwicklungen in der Gesundheit der Menschheit. Das ist nichts, was man in Quartalen messen sollte und langfristig wird Evotec den Weg gehen.
Ich freue mich tatsächlich wieder auf das Forum, wenn diverse positive fundamentale Entwicklungen auch die hier (warum auch immer) täglich besprochenen Kurse hochdrücken und plötzlich auch die Basher wie von Geisterhand verschwinden. Ich persönlich kaufe regelhaft zu, da es für mich Aktien im Sonderangebot gibt. Mich täglich mit den Bashern auseinandersetzen wie früher mache ich nicht mehr, dafür muss ich zu sehr im Job ran.
an alle Longies: lasst euch nicht verrückt machen. Ich melde mich spätestens wieder zu den 9M-Zahlen.
Grüße Euer Connaisseur |