Bevor ich hier diverse Threads ungebetenerweise mit meinen Beiträgen zumülle, mache ich somit meinen eigenen Thread mit Infos, Fakten und Meinungen zu den aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen und dem sich parallel dazu ergebenden Börsengeschehen auf. Konstruktive Beiträge sind willkommen.
Beginnen möchte ich mit einem interessanten Artikel von Klaus Singer / TimePatternAnalysis
Stagdeflation?
Während permanent bullische Beobachter die Gründe für die schwachen Märkte, Immobilien- und Subprime-Krise in den USA, eine drohende Rezession in den Vereinigten Staaten und einen möglichen globalen Wirtschaftsabschwung, immer noch für „angeblich“ halten, und nach dem Strohhalm der Yen-Carry-Trades als unerschöpflich sprudelnde Liquiditätsquelle klammern, lebt das hässliche „D-Wort“ wieder auf.
Nouriel Roubini fragt: Warum hat die Fed alle Zurückhaltung aufgegeben und die Leitzinsen innerhalb von acht Tagen um 1,25 Prozent gesenkt? Die Trends der meisten Makroindikatoren können es nicht gewesen sein, sie geben zwar einen negativen Ausblick auf die Entwicklung der US-Wirtschaft, aber rechtfertigen einen solchen, von manchen Beobachtern als panisch titulierten Schritt nicht.
Seine Antwort: Die Wahrscheinlichkeit für einen katastrophalen Verlauf der mit der Krdeitkrise angestoßenen Entwicklung steigt – es besteht die Gefahr, dass sich ein Teufelskreis herausbildet, in dem eine tiefe Rezession zu schweren Verlusten führt und diese wiederum die Rezession verschärfen - Stagdeflation. Das könnte am Ende sogar zu einer Kernschmelze des globalen Finanzsystems führen.
Die US-Wirtschaft befindet sich nach dem Urteil einer zunehmenden Anzahl von Analysten bereits in einer Rezession. Dass sie schwerer ausfallen wird als die beiden letzten in 2001 und 1990-1991, liegt auf der Hand. Die in den vergangenen Jahren aufgeblasenen Asset-Blasen sind weitaus größer und betreffen mehr Asset-Klassen. Sie dürfte mit vier bis sechs Quartalen auch deutlich länger dauern als die acht Monate zuletzt.
Wir erleben die größte Rezession des Häusermarktes in der US-Geschichte. Prof. Shiller, Mitbegründer des viel beachteten S&P Case/Shiller Hauspreis-Index, sagte hierzu: Die amerikanischen Immobilienvermögen haben schon ungefähr eine Billion Dollar an Wert eingebüßt. Das kann sich in den kommenden Jahren leicht verdreifachen und die Folgen der Subprime-Krise in den Schatten stellen.
Das Platzen der Kreditblase, die die Hauspreisblase erst ermöglichte, führt zu einer übergreifenden Kreditklemme. Wie ernst diese ist, zeigt sich auch in den Spreads der Indices für Credit Default Swaps. Sie notieren nicht erst seit gestern im Bereich ihrer Allzeithochs, in den USA werden Werte oberhalb von 700 Basispunkten erreicht (siehe die entsprechenden Links auf der Web-Seite der TimePattern).
Die US-Verbraucher, zuständig für über 70 Prozent des Bruttosozialprodukts, haben jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt. Über die Rezession (und mögliche Depression) im Immobiliensektor sind sie jetzt gezwungen, sich einzuschränken – eine Konsum-induzierte Rezession ist per se eine ernste Angelegenheit, erst recht wenn sie einhergeht mit einer Bankenkrise.
Mancher bullische Beobachter sieht das Heil in den angekündigten staatlichen Anreizprogrammen. Aber viel Raum besteht hier nicht, argumentiert Roubini. Die Möglichkeiten sind weitgehend ausgereizt nach den Steuerleichterungen der Jahre 2001 bis 2004 und der „schönsten Erholung, die man mit Geld kaufen kann“. Kein Vergleich zu 2000, als das Staatsbudget noch einen Überschuss von 300 Mrd. Dollar auswies. Und selbst wenn noch ein großer Manövrierspielraum für staatliche Anreizprogramme bestünde, so wirken sie lediglich auf Fluss-, nicht auf die Bestandsgrößen der Volkswirtschaft, um die es aktuell geht. Haben Sie schon einmal ein Fass ohne Boden gefüllt?
Denn zahlreiche Banken operieren nur noch im “Survival-Mode”, versuchen die Größenordnung ihrer Verluste zu verschleiern und Kapital aus dem Ausland anzuziehen. Es wird vermutet, dass über 60 Prozent der Vermögenswerte der Banken auf den Hypothekenmarkt ausgerichtet sind. Ihrer hauptsächlichen Aufgabe, Kredite für die Wirtschaftssubjekte bereit zu stellen, können sie nicht mehr nachkommen.
Um dem zu begegnen, hat die Fed eine „Temporary Auction Facility“ (TAF) eingerichtet, die es den Banken erlaubt, sich ohne Information der Öffentlichkeit Milliarden bei der Fed zu leihen. Dafür werden sogar „Sicherheiten“ in der Form von „Mortgage-backed securities“ (MBS) und „Commercial paper“ (CP) akzepiert. Mehr als 100 Finanzinstitute haben die „Großzügigkeit“ der Fed bisher in Anspruch genommen.
Nicht auszudenken, wenn sie hätten ohne auskommen müssen. Insolvenzen in Serie wären möglich gewesen – und sind weiter möglich, weil weiter völlig unklar ist, welchen Wert all diese Papiere mit den geheimnisvollen Abkürzungen eigentlich noch haben. Ohne eine bewusst laxe Bankenaufsicht in der Vergangenheit wäre das nicht gegangen.
Zuletzt hat die Fed angekündigt, zwei im Rahmen der TAF geplanten Auktionen von Not-Ausleihungen um 50 Prozent auf 30 Mrd. Dollar zu erhöhen, „um das Vertrauen in die Geldmärkte wieder herzustellen“, wie es heißt. Der Anschein möglicher Insolvenzen muss mit aller Macht vermieden werden.
Was ist mit den geschätzten 300 Bill. Dollar an Derivaten, Credit Default Swaps und anderen, teils abstrusen Konstruktionen. Wird sich der virtuelle Reichtum in Luft auflösen, wenn die zugrunde liegenden Assets (CDO, MBS, ABCP) kaum noch das Papier wert sind (auf dem sie sowieso nicht stehen). Dennis Lockhart, Präsident der Atlanta Fed, findet vergleichsweise klare Worte: „Eine verschärfte Instabilität der Finanzmärkte muss in Betracht gezogen werden, die einhergeht mit fallenden Hauspreisen, volatilen Energiepreisen auf hohem Niveau, weitergehender Dollar-Abwertung und erhöhter Inflation.“
Hoppla, Inflation? Üblicherweise geht in einer Rezession die aggregierte Nachfrage zurück. Das führt normalerweise zu nachlassendem Preisdruck. Nur ein Schock auf der Angebotsseite wurde in einer solchen Situation eine Stagflation bewirken – denkbar bei einer kriegerischen Auseinandersetzung, die etwa zu einer Ölversorgungskrise führt.
Wenn die Bankenkrise weitergeht, dann werden weder ein Leitzins von einem Prozent (auf aktuellen Niveau ist er real schon negativ), noch weitere Finanzspritzen helfen, Ausleihungen und damit Geldschöpfung anzukurbeln. Dies hat die Geschichte im Japan der 1990er Jahre ebenso gezeigt wie die der Großen Depression der 1930er.
Inflation beginnt mit der Ausweitung von Kredit und Geldmenge. In der finanzindustrie-orientierten Wirtschaft unserer Tage hat es einige Zeit gedauert, bis dieser Effekt von den Asset-Märkten in die Güterwirtschaft herüberschwappte. Inflation endet, wenn die Geldversorgung der Zentralbank nicht mehr expandiert und/oder die Wirtschaftsubjekte keine Kredite mehr nachfragen, weil eine Ausweitung ihrer wirtschaftlichen oder spekulativen Aktivitäten keinen Sinn mehr macht.
Dazu passt eine Bemerkung von Milliardär George Soros auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos: Die gegenwärtige Krise ist nicht nur das Platzen der Hauspreis-Blase, sondern markiert vor allem das Ende der 60 Jahre andauernden, auf dem Dollar als Reserverwährung basierenden Kreditexpansion.
Einige Anzeichen sprechen dafür, dass die inflationäre Entwicklung mittlerweile ihren Höhepunkt erreicht haben könnte. Das bedeutet noch nicht Deflation. Sollte es jedoch darüber, dass sich die Rezession im US-Häusermarkt zu einer Depression auswächst und über folgende massive Hypotheken-Crashs zu einer heftigen wirtschaftlichen Kontraktion kommen, steigt die Wahrscheinlichkeit eines deflationären Szenarios. Gedanken an die Zeit zwischen 2001 und 2003 werden wach - wenn damals bereits eine milde Rezession reichte, um deflationäre Tendenzen hoch zu spielen, was ist dann jetzt im Busch?
Die Panik-Zinssenkung der Fed kann in dieser Hinsicht auch als Radikalmaßnahme interpretiert werden, einer deflationären Entwicklung durch stark fallende Zinsen (gleich billiges Geld, gleich Verhinderung von Liquiditätspräferenz) zuvor zu kommen. Wohl wissend, dass monetären Mitteln gegen eine einmal etablierte Deflation nicht mehr viel bewirken.
Der gegenwärtige Kurs der Fed bekämpft lediglich die Symptome, nicht die Ursache der Schwäche. Man will die Vermögenspreise stützen und die Verbraucher bei Konsumlaune halten. Dabei bleiben die vernachlässigbare Sparquote und die Abhängigkeit von ausländischem Kapital außen vor.
Wenn die Bemerkung von Soros stimmt und sich die 60 Jahre währende Entwicklung der auf dem Dollar als Reservewährung basierenden Kreditexpansion nun umkehrt, dann müsste folglich der Dollar seine schwächsten Tage hinter sich haben, d.h. eine Parität Euro/Dollar von knapp 1,50 dürfte das Ende der Fahnenstange sein und bleiben. Das mag damit zusammenhängen, dass in Zeiten der Krise Dollar-Investitionen heim geholt werden. Möglicherweise strömt auch Kapital von ausländischen Staatsfonds ins Land – Recycling der über die vergangenen Jahre zur Dollar-Stützung angehäuften; in die Billionen gehenden Währungsreserven. Ein Hinweis darauf dürfte die Entwicklung der TBond-Renditen geben. Mancher Beobachter sieht ein Niveau von 6,6 Prozent bei den 10jährigen, was gleichzeitig eine schwere Rezession signalisieren würde.
Nouriel Roubini spricht von der Gefahr einer Stagdeflation. Er meint nicht nur, dass der Preisauftrieb im Gefolge der Rezession nachlässt, sondern dass zur wirtschaftlichen Stagnation sinkendes Preisniveau hinzukommt. Starken Preisverfall sieht er übrigens auch bei nahezu allen Vermögensklassen. Das ergäbe in der Tat einen wichtigen Hinweis auf den Kondratieff-Winter, der letzten Phase eines langen Wirtschaftszyklus.
Roubini stützt sich auf die Erfahrungen in Japan nach 1990. Ob dieser Vergleich zulässig ist, bleibt dahingestellt. Damals befand sich Japan im globalen Rahmen soliden Wachstums. Fällt diese Voraussetzung weg, ist eine andere Entwicklung wahrscheinlicher. Immerhin tragen die USA 25 Prozent zum globalen Bruttosozialprodukt bei, wobei die am stärksten wachsende, finanziell nicht eben stabile Volkswirtschaft, China, von den USA besonders abhängig ist. Mir scheint in diesem Umfeld statt Stagnation eher nachhaltige wirtschaftliche Kontraktion wahrscheinlich, insbesondere, wenn das worst-case-Szenario einer Systemkrise der Finanzindustrie aufzieht.
In einem Umfeld eines sich mittelfristig befestigenden Dollars und einer eher deflationären Preisausrichtung, dürften auch die Preise der Edelmetalle nicht mehr in den Himmel wachsen. Sicher spielt Gold weiterhin seine Krisenfunktion aus, was tendenziell stützend wirkt. Aber die mit einer Deflation einhergehende Liquiditätspräferenz hinterlässt dann auch hier Spuren.
Kommen wir zum Beginn zurück, zu den Carry-Trades. Bullische Beobachter verweisen auf den Gleichlauf zwischen Euro/Yen und DAX/EuroStoxx – siehe Chart „Carry-Trades?“ unter Intermarket auf der Web-Seite der TimePattern. Die Synchronität besteht auch zwischen SPX und Dollar/Yen, allerdings nicht so eng. Der Zusammenhang lässt sich bis ins Spätjahr 2003 zurückverfolgen, so dass die Annahme berechtigt ist, dass die Aktien-Hausse seitdem zu einem guten Teil durch Yen-Carry-Trades finanziert wurde. Konsequenterweise hoffen bullische Beobachter denn auch, dass der Yen im laufenden Jahr kaum weiter aufwertet.
Ich würde nicht darauf wetten, dass die Liquiditätsquelle hier ohne Unterlass weiter sprudelt. Selbst wenn der Yen nicht weiter aufwerten sollte, so ist das für sich noch kein Argument immer währender Carry-Trades. Auf den Außenwert des Yen haben noch viele andere Faktoren Einfluss. Und Anzeichen für eine Entkopplung gibt es bereits, wie im Chart ersichtlich, tendieren die den beschriebenen Zusammenhang repräsentierenden Kurven gegenwärtig dazu, aus der neutralen Zone heraus zu laufen. Dies ist noch nicht sonderlich signifikant, aber immerhin ein Warnzeichen.
Zu den Märkten: Nachdem am Freitag vergangener Woche mit den Arbeitsmarktdaten eine Korrektur der letzten, sowieso zu steilen Aufwärtsbewegung bei Aktien eingeleitet worden war, ist die Zeit jetzt wieder technisch reif für eine erneute bullische Reaktion. Die könnte im SPX erneut bis in den Bereich von 1400 tragen, beim Dow wären 12800 als Ziel zu nennen. Der EuroStoxx50 hat bei rund 3850 eine bedeutsame Zone.
Zuvor allerdings sollte der NDX noch die verlockende Marke von 1700 testen – hier verläuft die Untergrenze seines seit 2003 bestehenden Aufwärtskanals. Hält dieser Zwischenboden, dann sollte es etwa zeitgleich auch mit Euro/Dollar wieder nach oben gehen – die Begleitmusik so vieler bullischer Bewegungen seit 2003. Über die Beziehung Euro/Dollar gleich Euro/Yen durch Dollar/Yen würde dann angezeigt, dass sich Euro/Yen im Verhältnis besser entwickelt als Dollar/Yen – ein weiteres bullisches Zeichen (siehe oben).
Übergeordnet bleibt es dabei: Die Bären bleiben oben.
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