Also ich kann dich ja emotional ganz gut verstehen, gerade was diese Zerrissenheit anbetrifft, aber leider irgendwie in der Konsequenz deine Aussagen teils nicht verstehen kann.
Ich hatte ja schon erwähnt, dass meine Famiulie auch sehr eng vernunden mit dem russischen Volk und seiner Armee ist, und das ich auch immer betone, dass man Verbrechen nicht verallgemeinern darf, weil unserer Familie ja auch die russischen Bekanntschaften und Erfahrungen ans Herz gewachsen sind.
Du scheinst etwa 3-4 Jahre älter zu sein als ich, aber wir kommen aus einer ähnlichen Generation und Tradition. Als solcher spüre ich natürlich auch die Zerrissenheit, wenn "mein Russland" "meine Ukraine" überfällt. Aber das ist doch genau der Punkt. Ich bin mit der völlig berechtigten Tradion in den 80er Jahren aufgewachsen, den Großen Vaterländischen Krieg und den Sieg über Nazideutschland zu huldigen und den Millionen Toten zu gedenken. Ich fand es daher auch immer richtig, Militärparaden zu Ehren der Veteranen abzuhalten. Aber hier sind wir jetzt beim Problem. Es ist doch geradezu perfide, wie Putin verscht seine nationalistische, militaristische, geschichtsverfälschende Agenda mit diesem Großen Vaterländischen Krieg zu verbinden. Er versucht uns (dich, mich, die vielen Russen und auch viele Ostdeutsche) emotional zu ködern, in dem er so tut als lebten wir noch in den 1940er Jahren wo sich ein angegriffenes Land (Sowjetunion inklusive Ukraine) gegen Faschisten und Nazis erwehren müsste. Er tut nicht nur so als hätte es in den 1940er Jahren nur Nazi-Koloborateure in der Ukraine gegeben (kein Wort von den 8-10 Mio Opfern unter den Ukrainern, die zu 90% auf Seiten der Sowjets kämpften), sondern er tut auch gleichzeitig noch so als gäbe es immernoch genauso viele Nazis wie damals. Mal ganz davon abgesehen, dass er dabei verschweigt, dass Russland selbst viel nationalistischer (insbesondere in seiner Führungseben) eingestellt ist als die Ukraine. ... Ich fühle mich wegen den genannten Voraussetzungen meiner Kindehiet und Jugend von Putin ausgenutzt und für dumm verkauft. Nur kann ich mir hier eben meine eigene Meinung aus vielen Quellen bilden, was die meisten Russen nicht können. Und für diese Menschen, egal ob jung oder alt, tut es mir sehr leid, dass sie mit dieser Dauerpropaganda beschallt werden, die den Großen Vaterlädnischen Krieg, die Geschichte des Zarenreichs und die Entstehung der Kiewer Rus dazu benutzen, um heute russisch/nationalistische Kriege zu führen und zu rechtfertigen. Ich finde das unglaublich perfide. Vielen Russen mache ich gar keinen Vorwurf. Was mich erzürnt ist, dass viele Ostdeutsche, die es eigentlich besser wissen müssten, dabei mitmachen. In den 80ern haben sie teilweise noch über die Russen als Besatzer gemeckert, haben selbst bemerkt oder gewusst, wie es um die russischen Rekruten bestellt ist, die von ihren Kameradenschweinen gequält und von Kommandeuren im Stich gelassen wurden. Und wir wussten auch ganz genau was in Afghanistan abgelaufen ist, auch wenn die Mudschheddin in Sachen Greueltaten noch schlimmer waren. Trotzdem war auch das damals natürlich ein Angriffskrieg bzw. eine Besetzung, egal aus welchen Motiven auch immer. Und jetzt stellen sich Ostdeutsche und Deutschrussen hin, und verteidigen Putins Propaganda und nehmen Verbrechen im jetzigen Krieg und auch vorher im russischen INland schlicht nicht wahr oder relativieren oder Befürworten das sogar. Das will mir nicht in den Kopf. Haben die keine Emphatie oder keine Intelligenz? So schlecht kann doch das Erinnerungsvermögen nicht sein. ----------- the harder we fight the higher the wall |