aus der Welt von Kristina Schröder:
Das Ehegattensplitting, das gerade mal wieder abgeschafft werden soll, hat eine explosive Eigenschaft, weshalb es nicht zufällig regelmäßig im Zentrum des gleichstellungsbewegten politischen Diskurses steht: Es behandelt alle Rollenverteilungen von Ehepaaren gleich.
Egal ob sie 4000 Euro verdient und er 0, beide 2000 oder er 3000 und sie 1000, in allen Fällen ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Paares mit 4000 Euro brutto gleich – und daher zahlen alle diese Paare dank des Ehegattensplittings exakt die gleichen Steuern.
Ich behaupte, dass dieses Wissen über die Wirkweise des Splittings in unserem Land nahezu Geheimwissen darstellt. Ich wäre bereit, eine Wette mit veritablem Einsatz einzugehen, dass bei einer empirischen Erhebung heraus käme, dass die Mehrheit der Deutschen glaubt, Alleinverdiener-Paare müssten dank des Ehegattensplittings weniger Steuern zahlen als das vergleichbare Doppelverdiener-Paar mit gleichem Haushaltseinkommen.
Schließlich wird das ja seit Jahrzehnten von allen sich fortschrittlich wähnenden politischen Akteuren, von den Frauenverbänden über die Gewerkschaften bis hin zu den Wirtschaftsforschungsinstituten, auch so behauptet: Das Ehegattensplitting bevorzuge die Alleinverdiener-Ehe.
Dabei sorgt es in Wahrheit nur dafür, dass das Alleinverdiener-Paar nicht mehr Steuern zahlen muss als das Doppelverdiener-Paar. Denn genau dies würde bei individueller Veranlagung aufgrund unseres progressiven Steuertarifs geschehen. Dank des Ehegattensplittings haben alle Ehepaare – unabhängig von der Aufteilung ihrer Einkommen untereinander – bei gleichem Haushaltseinkommen auf den Cent die gleiche Steuer zu entrichten.
Und genau deswegen ist es in feministisch bewegten Kreisen auch so verhasst: Mit dem Ehegattensplitting verzichtet der Staat darauf, Paare zu erziehen. Er überlässt es erwachsenen Menschen, sich in ihrer Ehe selbst zu entscheiden, wie sie Familien- und Erwerbsarbeit untereinander aufteilen.
Mit dieser liberalen Eigenschaft steht das Ehegattensplitting im Widerspruch zu feministischen Gewissheiten, die bis in meine Partei hinein vertreten werden. In dem Maße, in dem das Ziel von Frauenpolitik weg von der „Gleichberechtigung“ hin zur „Gleichstellung“ verschoben wurde, galt es auch immer mehr als ausgemacht, dass Paare, bei denen die Frau etwa wegen der Erziehung mehrerer Kinder weniger oder gar nicht arbeitet, „veraltete Rollenklischees“ leben. Während sich im umgekehrten Fall – der Vater bleibt zu Hause oder arbeitet Teilzeit – meist alle vor Bewunderung für den „modernen Mann“ gar nicht mehr einkriegen können.
Dass die Entscheidung von Menschen, sich einige Jahre stärker den Kindern zu widmen, meist eine sehr bewusste ist, wird dabei robust ignoriert: Marxistisch gesprochen haben diese Frauen eben das „falsche Bewusstsein“.
Und daher sollen sie gezwungen werden. Denn nichts anderes bedeutet die Abschaffung des Ehegattensplittings: Kein einziges Ehepaar in Deutschland wird dadurch einen Euro weniger Steuern zu zahlen haben. Aber sehr viele sehr viel mehr. Die Tatsache, dass Ökonomen bei einer Abschaffung des Ehegattensplittings mit „Steuermehreinnahmen von gut 15 Milliarden Euro“ rechnen, zeigt die Dimension dieser Steuererhöhung für die meisten Ehepaare in Deutschland.
Zumindest in den unteren und mittleren Einkommensschichten wird man sich mit dieser steuerlichen Mehrbelastung das bisherige Lebensmodell nicht mehr leisten können. So werden beide Partner zur vollen Erwerbstätigkeit gezwungen.
Da man dies aber nicht so offen sagen möchte, wird dieser einfache Mechanismus meist fürsorglich verschwurbelt. So sollen dann „Hürden“ oder „strukturelle Barrieren“ abgebaut werden, die Frauen angeblich vom Arbeitsmarkt „fernhalten“ oder sie in die „Teilzeitfalle“ tappen lassen.
Es scheint für die, die so argumentieren – und dabei Frauen so frappant passiv erscheinen lassen – unvorstellbar zu sein, dass es auch eine Freiheit gibt, die sich nicht ausschließlich in Vollzeiterwerbstätigkeit verwirklicht. Und dass Paare in Eigenverantwortung eine selbstbewusste Entscheidung treffen, wie sie die einzigartige Lebensphase, in der sie kleine Kinder haben, verbringen wollen.
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