FRANKFURT. Auf die Frage nach den Gründen für den Rekordpreis bei Kupfer haben die Experten der Banken schnell eine Antwort parat: weil sich die Weltwirtschaft erholt, steigt die Nachfrage nach dem Industriemetall, besonders in den aufstrebenden Schwellenländern wie China und Indien. Das treibe die Preise, sagen die Analysten. Doch daneben gibt es einen weiteren Grund, über den die Banker weniger gern sprechen. Sie selbst mischen im Rohstoffpoker mit - und sorgen dafür, dass Kupfer auf dem Weltmarkt knapp wird.
Für Aufsehen sorgten jüngst Berichte in britischen Medien. Demnach soll sich die US-Bank JP Morgan für rund 1,5 Milliarden Dollar den Zugriff auf einen großen Teil des bei der Londoner Metallbörse (LME) eingelagerten Kupfers gesichert haben. In den Lagerhäusern der LME, über die fast vollständig der globale Handel mit Kupfer läuft, waren zuletzt etwa 380 000 Tonnen deponiert.
Es braucht nur einen kleinen Anlass,um eine Kettenreaktion auszulösen
Für die Banken ist das Geschäft mit den Rohstoffen gleich aus mehreren Gründen lukrativ. Da wären zum Beispiel die Produkte, die man damit basteln kann, sogenannte Exchange Traded Commodities (ETCs). Gleich mehrere große Banken planen, neue börsengehandelte Wertpapiere für Industriemetalle auf den Markt zu bringen. Zur Absicherung dieser Papiere werden Rohstoffe wie Kupfer direkt in Lagerhäusern hinterlegt. "Die Leute fragen sich, wo all dieses Kupfer herkommen soll", sagt Ben Westmore, Volkswirt der National Australia Bank. Wegen der geplanten Einführung der physisch hinterlegten Kupfer-Papiere werde die Nachfrage das Angebot stärker übersteigen als bislang gedacht. Zwar werden die Mengen an Kupfer in den Lagerhäusern auch künftig im Vergleich zur weltweiten Nachfrage von rund 18 Millionen Tonnen überschaubar sein. Doch in einem so engen Markt, in dem die Nachfrage das Angebot übersteigt, bedarf es nur eines kleinen Anlasses, um eine Kettenreaktion auszulösen; der Preis würde weiter nach oben schießen. "Durch mögliche hohe Zuflüsse in physisch gedeckte ETCs wird dem Markt Kupfer entzogen", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst der Commerzbank. Dabei sei das Angebot auch ohne die zusätzliche Nachfrage schon knapp. Die Förderung werde auf Jahre hinaus dem Bedarf hinterherhinken. Den ersten Vorstoß mit physisch besicherten Wertpapieren auf Industriemetalle startete vor wenigen Wochen der britische Anbieter ETF Securities. JP Morgan soll Marktkreisen zufolge bald nachziehen, auch Credit Suisse und Goldman Sachs werden genannt. "Der Anfang ist gemacht. Wenn jetzt auch in den USA ein Kupfer-ETC zugelassen wird, dürften viele weitere Produkte kurzfristig folgen", sagt Weinberg.
Gabor Vogel, Analyst der DZ Bank, rechnet damit, dass dem Markt dadurch zunächst 60 000 Tonnen an Kupfer entzogen werden. Sollten tatsächlich so viele Banken an den Markt drängen, wie im Moment im Gespräch sind, dann könnte sich diese Zahl schnell verdrei- oder gar vervierfachen, schätzt er.
Damit die ETCs auch ein voller Erfolg werden, haben die Banken längst damit begonnen, bei ihren Kunden für die neuen Produkte zu trommeln. Anleger profitierten von der weiterhin starken Entwicklung der Emerging Markets, sagt etwa Claudia Panseri von der Société Générale. Außerdem sicherten sie sich gegen steigende Inflationsraten ab. Das Thema Teuerungsraten dürfte ein besonders gewichtiges Argument sein am Bankschalter. Immer mehr Kunden fürchten, die Inflation könnte in den kommenden Jahren ihr Erspartes auffressen. Viele spielen deshalb mit dem Gedanken, ihr Geld lieber in Sachwerte zu stecken. Gefragt waren zuletzt vor allem Gold und Silber; Industriemetalle wären eine weitere Variante, das Geld vor der Inflation zu schützen. Frank Schallenberger, Rohstoffexperte der LBBW, ist einer der wenigen, die nicht so recht an den Erfolg der neuen Kupfer-ETCs glauben. Das Interesse an entsprechenden Goldprodukten sei nachvollziehbar. "Aber ein physisch besichertes Kupfer-Zertifikat macht nicht viel Sinn. Wenn alles zusammenbricht, was habe ich davon, dass ich dann Kupfer in der Hand habe?"
Je größer die Preisschwankungen, desto besser für die Banken
Während die Finanzbranche das große Geschäft wittert, warnt die deutsche Industrie vor Preisverzerrungen durch die neuen ETCs. Die neuen Produkte könnten die Versorgung mit Industriemetallen beeinträchtigen und zu einer Verknappung führen, sagte der designierte Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Durch den Einfluss der Finanzprodukte bestehe die Gefahr, dass die Preise stärker als bisher schwanken. Für die Banken ist das kein Problem, im Gegenteil. Denn Banken bieten den Privatanlegern nicht nur die entsprechenden Rohstoffprodukte an, sondern ihren Firmenkunden auch die passenden Absicherungsgeschäfte. Der Preis für das sogenannte Hedging ist abhängig von den Schwankungen an den Rohstoffmärkten. Je stärker die Preise schwanken, umso besser verdienen die Geldhäuser. Bis zu zehn Prozent Gebühren müssen die Unternehmen für die Sicherungsgeschäfte bezahlen. Anders ausgedrückt: Die Bank gewinnt - so oder so. |