16.03.2010 Mehr Licht als Schatten in der Solarbranche
Inhalt dieser Ausgabe
Mehr Licht als Schatten in der Solarbranche
Liebe Leser,
die Solarbranche kommt in Deutschland nicht aus den Schlagzeilen: deutliche Gewinneinbrüche, zurückgehende Subventionen und jetzt auch noch ein sehr überraschender Rücktritt setzen die Solaraktien weiter unter Druck. Heute steht ohne Frage der Rücktritt des Solar-Millenniums Vorstandschefs Utz Claassen im Fokus. Der bekannte Energiemanager hatte seit Amt ja erst Anfang Januar angetreten. Dieser schnelle Rücktritt ohne eine bislang offen kommunizierte schlüssige Erklärung sorgt für Verunsicherung. Die Aktie reagierte zu Handelsbeginn mit einem Absturz von mehr als 35 % auf unter 20 Euro. Das war das niedrigste Kursniveau seit Ende Oktober 2009. Mit dem sehr überraschenden Rücktritt des Spitzenmanagers setzt sich die Reihe der Negativmeldungen für Solar Millennium fort. Schon seit Monaten erschienen regelmäßig Artikel in der "Wirtschaftswoche", in der dem Solarunternehmen Unregelmäßigkeiten bei der Bilanzierung vorgeworfen wurden. Bislang hat das Unternehmen die Vorwürfe immer entkräften können, dennoch war der Imageschaden bislang beträchtlich. Das zeigt sich auch am Aktienkurs: Nach dem Hoch von 41 Euro Anfang des Jahres hat die Aktie deutlich an Wert verloren. Ist diese Reaktion nicht deutlich überzogen? Dazu lohnt sich ein Blick auf aktuellen Bilanzdaten. Im Geschäftsjahr 2008 /2009 ( Stichtag 30. Oktober) legte der Konzernumsatz von 32 auf 153 ,3 Mio. Euro zu. Das operative Ergebnis vervierfachte sich fast auf 31 ,1 Mio. Euro. Trotz der schwierigen Lage auf dem Solarmarkt strebt das Management für das laufende Geschäftsjahr 2009 /2010 eine Umatzsteigerung auf 350 Mio. Euro an. Dies entspricht einer weiteren Steigerung um 130 %. Beim operativen Ergebnis solle es um 50 % nach oben gehen auf dann 45 Mio. Euro. Den größten Anteil am Umsatzwachstum entfällt derzeit auf den Bereich der Projektfinanzierung. Aber auch im Anlagenbau ging es deutlich nach oben. So ist Andasol 3 das erste Projekt, bei dem die Solar Millennium Gruppe auch noch dieses Geschäftsfeld in der Wertschöpfungskette von der Projektentwicklung bis zum Betrieb mit verantwortet. Laut Solar Millennium, ist "der Fortschritt auf der Baustelle bereits deutlich erkennbar." So sind bislang schon mehr als 50 % der geplanten Parabolrinnen-Kollektoren im Solarfeld montiert. An dieser Stelle lohnt sich ein genauer Blick auf die Technologie. Denn bei Solarkraft denken die meisten Investoren direkt an Photovoltaik, also die Umwandlung der Sonnenenergie in elektrischen Strom. Solar Millennium verfolgt aber einen ganz anderen Weg. Das Unternehmen treibt die Solarthermie voran. Unter Solarthermie versteht man die Umwandlung der einfallenden Sonnenstrahlung in Wärmeenergie. Bei uns in Deutschland kommt dieses Prinzip bei Dachkollektoren zur Warmwassererzeugung zum Einsatz. In sonnenreichen Ländern, wie eben in Spanien, können durch die Konzentration der direkten Strahlung in Parabolrinnen-Kraftwerken so hohe Temperaturen erreicht werden, dass die Wärmenergie in Dampfturbinen genutzt werden kann, um Strom zu erzeugen. Somit wird anstatt durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in solarthermischen Kraftwerken der Strom durch konzentrierte Solarstrahlung erzeugt. Auch im Gegensatz zu anderen alternativen Energieträgern bietet die Solarthermie verschiedene Vorteile: So kann im Gegensatz zum Strom aus Wind oder auch zum Strom aus Photovoltaik der Strom planbar bereitgestellt werden. Zudem ist diese Stromerzeugung auch noch deutlich günstiger. Die Bereitstellung funktioniert hier durch gigantische Wärmespeicher oder auch durch Zufeuerung. Somit können Solarkraftwerke auch nach Sonnenuntergang ständig Strom liefern. Diese Technologie soll auch die Basis für das gigantische Desertec-Prpjekt bilden. In den nächsten Jahrzehnten sollen mit einem Investitionsvolumen von rund 400 Mrd. Euro solarthermische Kraftwerke in Afrika installiert werden und weite Teile Europas mit Strom versorgen. Noch ist das zwar Zukunftsmusik, aber Solar Millennium beweist in Spanien und den USA, dass die Technologie im Alltag einsetzbar ist. Noch Ende Februar hatte auch Utz Claassen die Solarthermie auf der Bilanzpressekonferenz von Solar Millennium gelobt. Er sagte: "Ich kenne kaum jemanden, der ernsthaft bestreitet, dass es unser langfristiges Ziel sein muss, vom fossilen über das nukleare ins solare Energiezeitalter zu kommen. Die Zeit ist reif für eine globale solare Energiewirtschaft. Solarthermische Stromerzeugung ist nach meiner festen Überzeugung die bevorzugte Energieversorgung von morgen, da sie nicht nur fossile Energievorräte schont, sondern auch mit überwältigendem Rückhalt gesellschaftlich akzeptiert ist." Nun folgt sein Rückzug aus der Branche. Sicherlich wird es in den nächsten Tagen genauere Angaben zum Kündigungsgrund geben. Ich bleibe auf jeden Fall an der Geschichte dran.
Bis morgen,
Heiko Böhmer Chefredakteur "Privatfinanz-Letter" |