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Forschung Industrie und Forscher fordern Milliarden für Elektroauto-Entwicklung
Deutschland müsse mehr für die Entwicklung von E-Autos tun, mahnt die Nationale Plattform Elektromobilität. Die Regierung zögert aber mit Zusagen über Milliardenhilfen.
© Marijan Murat dpa/lsw Bereit zum Aufladen: Ein Stromstecker steckt auf einer Messe in einem Auto
Bereit zum Aufladen: Ein Stromstecker steckt auf einer Messe in einem Auto
Ohne Milliardeninvestitionen droht Deutschland im globalen Wettbewerb um Elektroautos zurückzufallen. So lautet die Warnung von Industrie und Wissenschaft im ersten Zwischenbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Länder wie China, Japan, Korea, die USA oder Frankreich hätten frühzeitig ambitionierte Programme gestartet. Deutschland müsse zum Erreichen des Ziels von einer Million Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2020 "schnell, geschlossen und zielgerichtet handeln". Dazu müsse die Vernetzung der Industrien, Wirtschaftszweige und Branchen forciert werden. Anzeige
Industrie und Wissenschaft schlagen für Forschung und Entwicklung ein Investitionsvolumen von vier Milliarden Euro bis 2013 vor. Welchen Anteil daran der Bund tragen soll, ist in dem Papier nicht zu lesen. Auch die bei der Präsentation des Zwischenberichts anwesenden Bundesminister für Wirtschaft und Verkehr, Rainer Brüderle (FDP) und Peter Ramsauer (CSU), ließen die Frage offen. Ramsauer warnte davor, die E-Auto-Entwicklung in Deutschland schlechtzureden. Brüderle wies darauf hin, dass die Regierung bereits rund 500 Millionen Euro zur Förderung der Elektroauto-Forschung beisteuere. Mehr zum Thema
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Schlagworte Elektroauto | Automobilindustrie | Forschung
Brüderle räumte aber ein, dass Deutschland noch mehr Tempo machen müsse, besonders bei der Elektrochemie, um wettbewerbsfähige Batterien zu entwickeln. "Es geht im Kern um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie", sagte der Wirtschaftsminister. Um die E-Mobilität in Deutschland voranzubringen, hatte die Bundesregierung am 3. Mai mit den beteiligten Industriebranchen sowie Vertretern aus Wissenschaft und Forschung die Nationale Plattform Elektromobilität etabliert.
Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, sagte mit Blick auf Länder wie China oder Frankreich: "Es geht nicht darum, wer als erster losläuft, sondern wer als erster ins Ziel kommt." Das ganze sei vergleichbar mit einem Marathonlauf. Wissmann betonte, die deutschen Hersteller und Zulieferer würden in den nächsten vier Jahren zehn bis zwölf Milliarden Euro in alternative Antriebe investieren. "Die Industrie geht also in enorme Vorleistung", sagte Wissmann. Nun sei auch die Politik gefordert.
Offen fordert die Industrie bisher vor allem staatliche Hilfen bei der Forschung, aber auch steuerliche Anreize etwa für Dienstwagenflotten mit Elektroautos. Einer Kaufprämie für Elektroautos wie in Frankreich, den USA oder Japan wird in dem Bericht eine Absage erteilt: "Das Selbstverständnis ist, den Aufbau der Elektromobilität so weit wie möglich dem Markt zu überlassen und nur so weit wie nötig regulativ zu gestalten."
Zwar ertönt bisweilen hinter den Kulissen schon der Ruf nach Kaufprämien, allerdings sind bisher keine elektrisch angetriebenen Serienfahrzeuge aus deutscher Produktion erhältlich. Es steht indes zu vermuten, dass die Hersteller dann solche Prämien immer lauter einfordern werden, wenn Stromer aus hiesiger Fertigung zur Verfügung stehen. Wirtschaftsminister Brüderle ist nach wie vor gegen solche Prämien: Das E-Auto müsse sich am Markt durchsetzen.
Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU stützt indes die Forderung nach Anreizhilfen. Der Beauftragte der Fraktion für Elektromobilität, Andreas Jung (CDU), schließt direkte Verkaufshilfen zwar ebenfalls aus, sagt dem Handelsblatt aber, dass es ohne Investitionsanreize nicht gehen werde. Er denkt dabei an Anreizprogramme wie etwa bei der energetischen Gebäudesanierung. Außerdem hält er der Zeitung zufolge die steuerliche Sonderabschreibung für die Errichtung der Ladeinfrastruktur für denkbar.
Verkehrsminister Ramsauer betonte, schon jetzt müsse über die E-Auto-Entwicklung hinaus an Konzepten gearbeitet werden, sei es im Nahverkehr, bei Verleihsystemen oder dem Zusammenspiel von Bahn und Pkw. "Es sind noch einige Kraftanstrengungen notwendig, bis die Elektromobilität auf Deutschlands Straßen angekommen ist", sagte Ramsauer. Brüderle sagte: "Mit der Elektromobilität entsteht eine neue Wertschöpfungskette, die weit über die klassische Automobilindustrie hinausgeht." Es gehe darum, das Automobil "neu zu erfinden". Mehr zum Thema
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Derzeit haben Elektroautos noch eine geringe Reichweite, da die Batterietechnik noch nicht ausgereift ist. Verbandspräsident Wissmann sieht vor allem auf diesem Feld Handlungsbedarf – Deutschland habe bei der Batterieentwicklung in den vergangenen Jahren "Kompetenz verloren", die nun zurückgeholt werden müsse.
Dem Zwischenbericht der NPE zufolge sollen Kleintransporter mit Batterieantrieb die Speerspitze der E-Mobilitätsoffensive in Deutschland bilden. Kurzfristig seien Gewerbekunden wie Handwerker und Kurierdienste die "vorrangig relevante Nutzergruppe" für die Marktentwicklung. Transporter fahren viel, meist aber nur kurze Strecken in Städten. Zudem würden die Fahrzeuge im Vergleich zu Privatautos nur relativ kurz gehalten, entsprechend schnell könnten sich Elektro-Fahrzeuge auf den Gebrauchtmarkt auswirken. Darüber hinaus könnten Flottenbetreiber ihre Fahrzeuge einfacher finanzieren als Privatkunden. |