http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,686620,00.html
....er sieht irgendwie alt aus !
Kaum ist Angela Merkel von ihrer heiklen Türkei-Mission zurück, meldet sich Altkanzler Gerhard Schröder zu Wort. Er rügt die Position der Kanzlerin zum türkischen EU-Beitritt, lobt dagegen ausdrücklich Premier Erdogan - und spricht sich für mehr deutsch-türkische Schulen aus.
Berlin - Altbundeskanzler haben es gut. Ohne Rücksicht auf politischen Alltagsstreit können sie Belehrungen erteilen. Diese Möglichkeit hat nun auch Gerhard Schröder genutzt. Er gibt seiner Nachfolgerin Angela Merkel via "Bild"-Zeitung Nachhilfe im Umgang mit der Türkei. Der SPD-Politiker wirbt für türkische Schulen in Deutschland und nimmt die Position der Kanzlerin zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei ins Visier.
"Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat einen guten Vorschlag gemacht. Wir brauchen in unserem Land mehr deutsch-türkische Schulen, denn das hilft nicht nur bei der Integration, sondern es bringt unserem Land auch ein Stück mehr Internationalität", schreibt Schröder. Auch mehr türkischstämmige Lehrerinnen und Lehrer sollten an deutschen Schulen beschäftigt werden. Wenn Kinder mit Migrationshintergrund nicht deutsch sprechen, müsse man fragen, ob das nicht auch an Defiziten im deutschen Schulsystem liege, meinte Schröder.
"Deutsch-türkische Schulen können helfen, diese Defizite zu überwinden. Und wenn Kinder sowohl deutsch als auch türkisch perfekt sprechen, dann ist das gut, denn die Türkei ist für uns politisch, kulturell und wirtschaftlich ein wichtiger Partner", führte er aus. Wirklich provozieren dürfte Merkel der Vorschlag des Altkanzlers aber nicht, denn die Kanzlerin war bei ihrem Türkei-Besuch bereits auf den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan zugegangen und hatte sich offen für weitere türkische Schulen in Deutschland gezeigt.
Mit seinen Ratschlägen zur Diskussion um einen EU-Beitritt der Türkei trifft Schröder da schon eher einen wunden Punkt der Kanzlerin. Diese wirbt statt einer Vollmitgliedschaft Ankaras beharrlich für eine "privilegierte Partnerschaft". "Dieser Begriff sollte aus der politischen Debatte verschwinden", fordert Schröder nun.
Schröder lobt Reformen in der Türkei
Die Türkei gehöre schon jetzt zu den 20 größten Volkswirtschaften der Welt. Sie sei wirtschaftlich weitaus stärker als etwa die EU-Mitglieder Schweden, Polen oder Belgien und könne ein rasantes Wachstum vorweisen. "Und das wirtschaftliche Tempo in der Türkei ist rasant. Diese Chance müssen wir Deutschen nutzen", schreibt der Altkanzler. "Deshalb bin ich ein Befürworter der EU-Mitgliedschaft der Türkei. Das Land hat sich unter der Führung von Ministerpräsident Erdogan auf einen mutigen Reformweg begeben."
Ankara dürften die Worte Schröders freuen. Denn die türkische Regierung müht sich bisher vergeblich, Merkel von ihrem Alternativvorschlag zur Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union abzubringen. Der türkische EU-Verhandlungsführer Egemen Bagis bezeichnete den Ausdruck "privilegierte Partnerschaft" jüngst sogar als Beleidigung. Immerhin zeigte die Kanzlerin bei ihrem Türkei-Besuch etwas mehr Offenheit in der Wortwahl: "Ich habe jetzt verstanden, dass die 'privilegierte Partnerschaft' in der Türkei keine gute Konnotation hat", sagte die Kanzlerin.
Es sei gut, dass Merkel "offenbar den Begriff der 'privilegierten Partnerschaft' als unglücklich empfindet", kommentierte Schröder. Die Reformen in der Türkei hätten "durchaus historischen Charakter", meinte er. Das betreffe die grundlegende Demokratisierung, die Kurdenpolitik ebenso wie den Verständigungsprozess, der mit Armenien begonnen wurde.
Gabriel wirft Merkel Wahlkampftaktik vor
"Deutschland und die EU sind gut beraten, die Türkei dabei zu unterstützen, denn wir sehen, dass die Pro-Europäer in der Türkei auf große Widerstände treffen", erklärte der Altkanzler. Er warnte vor einer nationalistischen Politik in der Türkei. "Sie würde das Land isolieren und zurückwerfen. Sie würde in der Folge unsere Sicherheit in Europa gefährden. Deswegen ist es so wichtig für die EU und ihre Mitgliedstaaten, den Beitrittsprozess zu unterstützen. Das gilt auch für die Bundesregierung."
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte Merkels Türkei-Politik. Die Kanzlerin mache aus innenpolitischen Gründen "Ideologie statt Politik" gegenüber der Türkei, sagte er der "Berliner Zeitung". "Sie opfert die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in den deutsch-türkischen Beziehungen, nur um innenpolitisch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen von antitürkischen Ressentiments profitieren zu können", erklärte Gabriel. Statt eine Debatte über den EU-Beitritt des Landes zu führen, solle die Kanzlerin konkrete Ziele wie eine Verdoppelung des Handelsvolumens binnen fünf Jahren setzen, empfahl der SPD-Chef.
Ob Merkel die Ratschläge der SPD-Politiker beherzigen wird, ist fraglich. In der Türkei bekräftigte sie, die Bundesregierung stehe weiter zum "ergebnisoffenen Prozess" der Beitrittsverhandlungen. .............. |