RusslandKrieg im Kaukasus belastet Moskauer BörseVon Gerald Hosp, Moskau 
10. August 2008 Der Krieg zwischen Russland und Georgien um dessen abtrünnige Region Südossetien hat die Wirtschaft in der Region und vor allem den Kurs des russischen Leitindexes RTS stark belastet. Am Freitag fiel der RTS um 6,5 Prozent auf 1722,7 Punkte, was den niedrigsten Wert in den vergangenen 14 Monaten bedeutete. An der kleinen Börse in Tbiblissi sank der Aktienkurs der Bank of Georgia, der liquidesten Aktie am Markt, um mehr als 13 Prozent. Für die internationalen Energiemärkte könnte die Meldung der georgischen Behörden bedeutend sein, dass am Samstag russische Kampfflieger in unmittelbarer Nähe der transkaukasischen Erdöl-Pipeline Baku-Tbiblissi-Ceyhan Bomben abgeworfen haben sollen. Der Betreiber, der britische BP-Konzern, hat die Meldung noch nicht bestätigt. Die Pipeline verbindet Erdölfelder in Aserbeidschan mit einer Verladestation in der Türkei und bricht das Monopol russischer Leitungen für Energieträger aus dem Raum des Kaspischen Meers. Über die Transportroute wird etwa 1 Prozent des globalen Angebots gepumpt. Die Pipeline ist aber derzeit nach einem mutmaßlichen Anschlag in der Türkei vergangene Woche ohnehin geschlossen. Der Erdölpreis reagierte schon auf die Erwartung, dass die Pipeline für zwei Wochen funktionsuntüchtig sein könnte. Die Vorfälle in Georgien könnten die Ausfallzeit verlängern. Freier Fall an den russischen Börsen Die beunruhigenden Nachrichten aus dem Kaukasus reihen sich in einen Fluss von negativen Nachrichten ein, die den Investoren in Russland gar nicht behagten. Schon vor dem militärischen Konflikt in Südossetien revidierte die Investmentbank Renaissance Capital die Prognose für den Jahresendstand des RTS von 3000 auf 2350 Punkte. Die österreichische Raiffeisenbank rechnete am Freitag gar mit einem Wert von 1900 Zählern für das Jahresende; die vorherige Schätzung betrug 2500 Punkte. Der freie Fall an den russischen Börsen begann mit den launischen Bemerkungen des Ministerpräsidenten Wladimir Putin über die Preispolitik des Stahl- und Bergbaukonzerns Mechel am Markt für Kokskohle. Putin beschuldigte das Unternehmen in weiterer Folge zudem der Steuerhinterziehung. Der Aktienkurs von Mechel brach daraufhin um ein Drittel ein, was den gesamten russischen Markt mitriss. Manche Beobachter fühlten sich an die Vorgänge um den ehemals größten privaten Erdölkonzern in Russland, Yukos, erinnert, der von russischen Behörden in den Konkurs getrieben worden war. Das Herauspicken eines einzelnen, börsennotierten Unternehmens erinnerte Investoren wieder daran, dass in Russland das Wohl und Wehe eines Konzerns in den Händen weniger in der Politik liegen kann. Zu dem Zeitpunkt war auch bekannt geworden, dass Robert Dudley, der Vorstandsvorsitzende des angeschlagenen Erdölkonzerns TNK-BP, im Zuge des Streits zwischen den russischen Aktionären und BP Russland verlassen hatte. Dudley begründete den Schritt mit „ständigen Schikanen“ und will den Konzern vom Ausland aus führen. Renaissance Capital berichtet von einer Erhöhung der Risikoprämie für russische Aktien aufgrund der Zunahme von politischen Risiken von 4 auf 5,5 Prozent. Durch den Konflikt könnten die russischen Staatsausgaben steigen Hinzu kommt, dass eine für andere Börsenplätze positive Nachricht am russischen Markt negativ aufgenommen wurde: das Sinken des Erdölpreises. Eine niedrigere Erdölnotierung und eine Abflachung der Weltkonjunktur wären für die russische Wirtschaft das schlechteste Szenario, auch wenn ein starker Binnenkonsum und zunehmende Investitionen in die Infrastruktur für eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber internationalen Trends sorgen. Im Gegensatz zu vielen anderen Börsenplätzen, die in der vergangenen Zeit verlorenes Terrain gutmachten, fiel aber der RTS-Index innerhalb von vier Wochen um knapp 21 Prozent. Am Freitag verlor zudem der Rubel gegenüber dem amerikanischen Dollar nominal um 1,3 Prozent an Wert. Die russische Währung galt in der vergangenen Zeit als Aufwertungskandidat. Viele Ökonomen halten die Aufwertung des Rubel für das derzeit einzige Instrument der russischen Zentralbank zur Dämpfung der hohen Inflation. Die Währungshüter verfolgen zurzeit eine als „Managed Floating“ bezeichnete Politik, bei welcher der Außenwert des Rubel gegenüber einem Währungskorb in einem vordefinierten Band gehalten wird. Die Schwächung des Außenwertes des Rubel dämpfte den Appetit von Investoren nach Wertpapieren in der russischen Währung. Durch den Konflikt könnten auch die russischen Staatsausgaben steigen. Am Freitag war der Wert von sogenannten Credit Default Swaps (CDS) für russische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren von 102 auf 116 Punkte gestiegen, was bedeutet, dass die Marktteilnehmer mit einem höheren Ausfallrisiko rechnen. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s revidierte jedoch einzig für Georgien die Einstufung von «B+» auf «B». Die entscheidende Frage für die Entwicklung an den Finanzmärkten wird sein, wie lange der Konflikt in Südossetien anhalten wird.
Text: F.A.Z. Bildmaterial: F.A.Z. |