Goldrausch unter Wasser
Reiche Erzvorkommen locken immer mehr Bergbauunternehmen in die Tiefsee von Ute Kehse
Der Unterwasser-Goldrausch könnte im östlichen Manus-Becken beginnen. Westlich der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Neu-Irland liegen zahlreiche bizarre Felsformationen in der Tiefsee. Bei ihrer Entdeckung gaben die Forscher ihnen Namen wie Satanische Mühlen, Römische Ruinen oder Schneekappe.
Diese Kamine, aus denen bis zu 300 Grad Celsius heißes, mit Mineralien angereichertes Wasser quillt, zieht neben Forschern neuerdings auch die Bergbauindustrie an. Denn die Mineralien, die sich rund um die als Schwarze und Weiße Raucher bekannten heißen Tiefseequellen ablagern, enthalten nicht nur einen relativ hohen Anteil an Kupfer und Zink, sondern auch die Edelmetalle Gold und Silber. "Würde man eine solche Lagerstätte an Land finden, würde das einen Goldrausch auslösen", sagt Ray Binns von der australischen Forschungsorganisation Csiro.
Wegen des teilweise sehr hohen Goldgehaltes wird der Tiefseeboden womöglich doch noch zum Bergwerk. In den 70er- und 80er-Jahren schien es noch so, als würden kobalthaltige Manganknollen auf dem Meeresboden das erste Ziel der Unterwasser-Bergleute sein. Doch die Begeisterung für die salatkopfgroßen Knollen ist mittlerweile verflogen. Denn Mangan ist auch an Land in ausreichenden Mengen vorhanden.
Jetzt richtet sich das Interesse auf die goldhaltigen Erzvorkommen rund um die erst vor 25 Jahren entdeckten Schwarzen Raucher. Die australische Firma Nautilus Minerals Corporation hat sich die Rechte für die Erkundung des Manus-Becken gesichert und verhandelt derzeit mit den Regierungen der Inselstaaten Tonga und Fidschi um Konzessionen in weiteren Gebieten. "Zurzeit wird noch nichts abgebaut, aber die Bemühungen von Nautilus Minerals sind durchaus ernst zu nehmen", sagt der Geologe Peter Halbach von der Freien Universität Berlin. Die Technik für den Tiefseebergbau ist Halbach zufolge bereits vorhanden. Mit Fräsmaschinen, wie sie in Österreich oder der Schweiz zum Tunnelbau verwendet werden, sollen die Erze abgebaut werden. Eine mobile Bohrplattform könnte von Lagerstätte zu Lagerstätte fahren und das goldhaltige Erz zu Tage fördern. "In zwei bis drei Jahren ist es vielleicht so weit", sagt Halbach.
Noch steht der Tiefsee-Bergbau allerdings vor großen Problemen, da niemand weiß, wie ergiebig die Lagerstätten tatsächlich sind. "Mit den Tauchrobotern und TV-Greifern, die in der Meeresforschung üblich sind, kann man nur an der Oberfläche kratzen", sagt Sven Petersen von der Bergakademie Freiberg. "Wie tief die Erze reichen, kann man nicht sagen, und deswegen sind Mengenabschätzungen auch ziemlich spekulativ."
Zudem sind große Teile des Meeresbodens noch immer weiße Flecken auf der Landkarte. "Weniger als fünf Prozent des Ozeanbodens sind genau genug erforscht, um hydrothermale Lagerstätten zu finden", schrieb der Meeresforscher Peter Rona von der Rutgers University in New Jersey kürzlich im Fachjournal Science. Seiner Ansicht nach hat sich das Bild von den Weltmeeren in den letzten Jahren drastisch gewandelt. Früher wurden sie als große Badewannen betrachtet, die den Schutt der Kontinente aufnehmen - darunter auch Diamanten und von Flüssen transportiertes Gold. Jetzt werde immer klarer, dass die Ozeane selbst in großem Stil Mineralien und Erze produzieren.
"Es ist faszinierend zu lernen, wie die Natur es schafft, die gelösten und extrem verdünnten Metalle um den Faktor Hunderttausend oder eine Million anzureichern", sagt Peter Halbach. Der Berliner Forscher arbeitet daran, jene Prozesse am Ozeanboden zu verstehen, die Lagerstätten wie im Manus-Becken entstehen lassen. Die Zutaten sind Meerwasser, Erdwärme und Vulkangestein.
Wo am Meeresboden zwei Platten der Erdkruste auseinander driften, dringt kaltes Meerwasser durch Spalten tief in den Meeresboden ein. Dort erwärmt es sich auf Temperaturen bis zu 400 oder 500 Grad Celsius. Durch die Hitze verdampft ein Teil des Wassers, so dass eine zunehmend salzige und saure Lösung entsteht, die unter dem Druck der Erdkruste flüssig bleibt. "Diese aggressive Flüssigkeit löst vermehrt Metalle aus dem umliegenden Gestein", berichtet Halbach.
Anschließend steigt die immer noch mehrere hundert Grad Celsius heiße Lösung wieder zum Meeresboden auf. Trifft sie mit dem kalten Meerwasser zusammen, fallen die gelösten Metallsalze schlagartig aus. Sie verbinden sich vor allem mit Schwefel zu so genannten Massivsulfiden. Die bizarren Kamine der Schwarzen Raucher bilden dabei nur den kleinsten Teil der Lagerstätten. Meist liegen sie auf einem Hügel, der ebenfalls aus Massivsulfiden besteht und das Ausmaß eines Fußball-Stadions erreichen kann.
Eine der wenigen bislang durch Bohrungen genauer erkundeten Massivsulfid-Lagerstätten, das "Tag"-Vorkommen, liegt in 3 600 Meter Wassertiefe mitten im Atlantik, zwischen Florida und Marokko. Ihr Gehalt an Erzen werde auf knapp vier Millionen Tonnen geschätzt, so Sven Petersen. Im Vergleich mit ähnlichen Lagerstätten an Land ist das allerdings verhältnismäßig wenig. In Kanada, Spanien, Portugal und im Ural werden Massivsulfide abgebaut, die durch tektonische Prozesse vom Meeresboden auf den Kontinent geschoben wurden. Diese Lagerstätten enthalten teilweise mehr als hundert Millionen Tonnen Metallerze.
"Wahrscheinlich gibt es unter dem Meeresboden genauso große Depots, die wir nur noch nicht gefunden haben", sagt Peter Halbach. Die viel versprechendsten Abbaustätten liegen seiner Ansicht nach nicht im offenen Ozean, sondern in Nebenmeeren, etwa in der nördlich von Papua-Neuguinea gelegenen Bismarcksee oder im Ostchinesischen Meer. Die dortigen Massivsulfide enthielten mehr Gold und Silber als diejenigen im offenen Meer, sagt Halbach. Die Nebenmeere seien auch noch aus einem anderen Grund attraktiver für die Industrie: In internationalen Gewässern muss sie teure Konzessionen von der UN-Tiefseebergbau-Behörde (International Seabed Authority) erwerben. "Wahrscheinlich wird der Tiefseebergbau daher in den Hoheitsgewässern einzelner Staaten beginnen", vermutet der Freiberger Wissenschaftler Sven Petersen.
In einer Studie für die International Seabed Authority stellten Wissenschaftler vor einer Weile fest, dass der Abbau von Massivsulfiden vermutlich nur relativ geringe Umweltschäden mit sich bringt. Denn in den Gebieten, wo die Schwarzen Raucher liegen, ist der Meeresboden kaum von Sedimenten bedeckt. Beim Abbau der Erze werde daher kein Schlamm aufgewirbelt, der den empfindlichen Tiefseelebewesen schaden könnte.
Obwohl an den Schwarzen Rauchern ständig neue Sulfide abgelagert werden, sind die Erze keine erneuerbaren Ressourcen. Peter Rona: "Die Kamine der Schwarzen Raucher können zwar um einige Zentimeter pro Woche emporwachsen. Es dauert aber mehrere zehntausend Jahre, bis sich ein wirtschaftlich interessantes Erzvorkommen gebildet hat."
BERLINER ZEITUNG Erzlagerstätte an einem Schwarzen Raucher: Dringt kaltes Meerwasser durch Spalten in den Ozeanboden, so erwärmt es sich auf 400 bis 500 Grad Celsius, löst aus dem umliegenden Gestein Metalle heraus und steigt als heiße Salzlösung wieder zum Meeresgrund empor. Dort fallen die gelösten Metallverbindungen dann als feiner Niederschlag auf den Ozeanboden.
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