„Schnäppchen“ gibt es in meinen Augen – auch im Value-Bereich – schon seit Monaten nicht mehr. Es gibt nur noch etwas weniger oder mehr überbewertete Unternehmen. Wenn es allein auf das Unternehmen ankäme, würde ich zurzeit nicht einen einzigen Euro in Aktien investieren.
Die meisten traditionellen Brachen (und damit die klassischen „Value-Werte“ aus den Sektoren Energiewirtschaft, Chemieindustrie, Stahl- und Zementherstellung, Automobilwirtschaft) stehen aufgrund der Energiewende und der Digitalisierung in den nächsten Jahrzehnten vor gigantischen Strukturveränderungen und Umorganisationen und damit verbunden, vor einem unvorstellbarem Investitionsbedarf. Ob und wann sich diese Investitionen betriebswirtschaftlich jemals rechnen werden und wann das frühere Niveau der Unternehmensgewinne wieder erreicht wird, weiß niemand.
Es kommt bei einer Investitionsentscheidung aber eben nicht nur auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen an, sondern in erster Linie auf das volkswirtschaftliche und politische Umfeld. Thatcherismus/Reaganomics und allgemein der Neoliberalismus sind endgültig tot. Allen Verantwortlichen ist klar, dass wenn der Green Deal – ohne allzu große soziale Verwerfungen – gelingen soll, es eines bislang ungeahnten Maßes an Regulierung, Subventionierung und Infrastrukturförderung bedarf. - Und all das kann es ohne Inflationierung und steigende öffentliche Verschuldung nicht geben. Wir werden daher m.E. für sehr lange Zeit Inflationsraten haben, die über dem nominalen Zinsniveau liegen – und damit negative Realzinsen.
Wer den Wert seines Geldes erhalten will, kommt um eine Anlage in Aktien überhaupt nicht herum – ganz egal, wie hoch die Unternehmen bereits bewertet sind. Die Aktienkurse werden weiter steigen, solange für die Unternehmen die Beschaffung von Eigenkapital (also die Ausgabe neuer Aktien) teurer ist als die Aufnahme von Fremdkapital (Anleihen/Bankdarlehen). Warum sollten die vorhandenen Aktionäre einer Kapitalerhöhung zustimmen, wenn sie sich günstiger mit Fremdkapital versorgen können? Wenn die Zahl der Aktien – und damit das Angebot – aber nicht steigt (oder sich durch Aktienrückkaufprogramme sogar verringert), steigt zwangsläufig der Preis, wenn die Nachfrage steigt.
Nach der klassischen Lehre steigen in einem marktwirtschaftlichen System die Zinsen, wenn die Inflation steigt (denn wer würde Geld verleihen, wenn er es nicht mindestens in Höhe des gleichen Wertes zurück erhält). Daher hatten die Aktienmärkte traditionell Angst vor Inflation und nahmen die zukünftig zu erwartenden Zinserhöhungen durch sinkende Aktienkurse bereits zeitlich vorweg. Politik und Notenbanken haben heute jedoch das Instrumentarium – und erkennbar auch den Willen – die Zinsen langsamer ansteigen zu lassen als die Inflation und damit ist die frühere Angst der Aktionäre vor Inflation unbegründet. Cash ist derzeit nicht King. |