Antwort auf eine BM
Hallo XXX,
am Wochendende habe ich mir eine (verdiente?) Pause von den Aktienmärkten (und dem Forum) gegönnt. Deine Mail habe ich deshalb erst heute gesehen. Der heutige Tradingtag, du wirst dir dies vorstellen können, war reichlich hektisch und so komme ich erst jetzt dazu, dir eine Antwort zu geben.
Die Zahlen und sonstigen News bezüglich TCM waren, nach meiner Auffassung, unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ereignissen (Produktionseinschränkung im 2. Halbjahr 2007 und Erdrutsch) eigentlich sehr gut. Die Anleger schienen dies ebenso zu sehen. Nicht umsonst hat TCM am Freitag sehr deutlich über dem Schlußkurs von Donnerstag (Toronto) eröffnet. Und dann kam die Bear-Stearns-Nachricht, die alle Indizes in den Keller zog. Klar dass TCM sich da nicht vollkommen abkoppeln konnte. Nachdem Asien heute Nacht einen Kursrutsch vorgelegt hatte, wollten sich die Anleger in Dax und Co. nicht lumpen lassen und in vorauseilendem Gehorsam (vielleicht sollte ich auch sagen Panik) wurde geschmissen was das Zeug hielt. Dumm nur, dass die eigentlich betroffenen, die Amis das alles viel entspannter sahen: Dax -4,18% - Dow +0,18% spricht Bände.
Und wieder einmal droschen die Anleger auf die Rohstoffe ein. Klar, dass man so etwas überflüssiges wie Metalle in jeder Form überhaupt nicht mehr braucht, wenn eine komplette Bank für nur wenige hundert Millionen Dollar verkauft (verschenkt) wird. Banken verarbeiten ja riesige Mengen an Rohstoffen. Ups, ist diese Bank, die all die Rohstoffe verarbeitet eigentlich vollkommen vom Erdboden verschwunden? Und all diese Immobilien, auf denen deren AAA-Hypotheken und Wertpapiere beruhen, gleich mit? Oder könnte es sein, dass das Problem nur darin liegt, dass keiner diese Wertpapiere kaufen möchte? Dass man aber, wenn man nur lange genug Zeit hat, praktisch den vollen nominalen Wert in die Kasse bekommt? Kann es sein, dass ein FED-Präsident, der Bankenpleiten in einer Rede leichtfertig an die Wand malt, diese mit seinen Worten innerhalb kürzester Zeit, als selbsterfüllende Prophezeiung, auch postwendend auslösen kann? Ist es ein Wunder, dass die Banken sich gegenseitig kein Geld mehr leihen möchten, wenn sogar der FED-Präsident (indirekt - es wird Pleiten geben) davor warnt? Logisch, dass dann irgendeiner Bank sehr schnell mal das Bargeld ausgehen könnte.
Irgendwie habe ich den Verdacht, dass mit dem heutigen Kauf der Bank zum Spottpreis sich jemand eine goldene Nase verdient hat. Die aufgrund der rechtlichen Lage notwendigen, aber in der Sache vollkommenen übertriebenen Abschreibungen, sind die Milliardengewinne der nächsten Jahre. Na, egal, ich kann es nicht ändern.
Aber zurück zum Thema: Wie ich in den letzten Wochen mehrfach betont habe, ist aufgrund des absolut irrationalen Verhaltens der Märkte, getrieben durch Angst und Panik, die weitere Entwicklung, selbst auf Sicht von nur einem einzigen Tag, nicht vorhersehbar. Immerhin ist die Angst inzwischen so groß, dass genau dies zu einer sehr schnellen Rallye führen könnte. Genau diese Stimmung ist es, aus der heraus die rasanten Kurssteigerungen der Zukunft geboren werden. Genauso, wie ein Crash sich nicht vorher ankündigt, sondern vielmehr aus heiterem Himmel kommt, wenn alle Anleger euphorisch sind und nur daran denken, wie sie innerhalb von Wochen ihr Depot nochmals verdoppeln können, genauso braucht es eine Stimmung der tiefsten Verzweiflung, ohne Hoffnung auf vorhersehbare Besserung, um den Run nach oben auszulösen. Das Dumme bei der ganzen Sache ist nur, dass man immer erst hinterher definitv weis, dass genau dies der Tag der Umkehr war. Insofern sehe ich eine gewisse Wahrscheinlichkeit (leider ist es alles ander als eine Sicherheit), dass es ab Morgen (im DOW bereits heute) dauerhaft aufwärts gehen könnte.
Zu deiner Frage bezüglich Hexensabbat: An diesem Tag wird von den interessierten Marktteilnehmern (insbesondere den Emittenten von Optionen usw.) versucht, den Kurs der Aktien oder Indizes auf einen Kurswert zu bringen, zu welchem die fällig werdenden Papiere am kostengünstigsten eingelöst werden können. In der Praxis bedeutet dies, dass an solchen Tagen oftmals absolut unverständliche, schnelle Kursbewegungen auftreten. Dabei ist es für den kleinen Anleger an solchen Tagen sinnvoll, keine übertriebenen Risiken in kurzfristigen Positionen einzugehen. Je nachdem, wohin der Kurs tendiert, können sich jedoch interessante Kauf- oder Verkaufsgelegenheiten für längerfristig orientierte Marktteilnehmer ergeben.
Zu deiner Frage bezüglich der FED am Dienstag: Eine kleine Diskontsatzsenkung über 25 Baisispunkte wurde am Wochenende ja bereits vorgenommen. Als Minimum gehe ich von weiteren 50 Basispunkten für Dienstag aus, würde jedoch auch 75 BP für wahrscheinlich halten. Selbst 100 BP wären nicht vollkommen auszuschliessen. Die FED hat signalisiert, dass sie mit allen ihr zur Verfügung stehenen Mitteln eine Rezession verhindern möchte. Etwas längerfristig, vielleicht bis zur Jahresmitte könnte ich mir durchaus wieder einen Zinssatz von 1% vorstellen. Dies war jedenfalls der Zinssatz in USA, der vor wenigen Jahren der Wirtschaft wieder auf die Beine half. Vielleicht sollte man diesmal allerdings etwas früher daran denken, die Zinsen, sobald ein Erfolg der Bemühungen sichtbar wird, auch wieder angemessen anzuheben. Ein niedriger Zinssatz wäre jedenfalls, neben der Belebung der Wirtschaft durch günstigere Finanzierung von Investitionen, auch ein sinnvolles Mittel, um all die Hypotheken, deren Zinsbindungsfrist (zu niedrigem Zinssatz) in den nächsten 1-2 Jahren ausläuft, weiterhin bezahlbar zu halten. Einer der Gründe der derzeitigen Krise war ja das Problem, dass Leute, die soeben ihre Kreditraten mit niedrigen Zinsen bedienen konnten, nach dem Auslaufen der Zinsbindung die höheren Raten, bedingt durch höheren Zinssatz, nicht mehr bezahlen konnten. Notverkäufe waren die logische Folge, daraus resultierten sinkende Immobilienpreise, was die Refinanzierungsmöglichkeiten einschränkte, noch mehr Notverkäufe, schliesslich Pfändungen, Versteigerungen usw. Jetzt müssten die Banken nur noch die sinkenden Zinsen tatsächlich an die Kreditnehmer weitergeben. Da die Banken usw. aber die vergebenen Kredite nicht mehr an den Finanzmärkten verkaufen können, ist der finanzielle Rahmen eng, neue Kredite zu vergeben, und man sorgt durch hohe Zinsen dafür, möglichst keine Kredite vergeben zu müssen. Die Zinssenkungen der FED sind also noch nicht beim Kreditnehmer angekommen. Die FED hat nach meiner Ansicht hier einen entscheidenten Schritt getan, auch solche Kreditpapiere, die auf dem freien Markt kaum mehr verkäuflich sind, als Sicherheit für Liquiditätsspritzen an die Banken zu akzeptieren. Dies könnte dazu beitragen, den Teufelskreis zu durchbrechen.
Natürlich sind all diese Maßnahmen geeignet, die Inflation weiter anzuheizen. Dies sehe ich allerdings durchaus positiv. Sowohl der amerikanische Staat als auch die Bürger des Staates haben inzwischen eine Schuldenlast angehäuft, die (bei stabiler Währung) niemals mehr zurückbezahlt werden kann. Bei stabiler Währung wird in absehbarer Zeit dieses System zusammenbrechen müssen, und das weltweite Finanzsystem mit in den Abgrund ziehen. Dieses Chaos möchte ich einfach nicht erleben. Der einzige Ausweg, und genau deshalb sehe ich die Inflation so positiv, ist die "heilende" Wirkung der Inflation. Durch die Entwertung des Geldes werden die Schulden bezahlbar. Allerdings sollte man auch sehen, dass irgendjemand ja trotzdem dafür aufkommen muss. Uns zwar diejenigen, die Sparen und Kredite an andere vergeben, z.B. an den US-Staat (insbesondere China und die Ölförderländer, aber natürlich auch andere Staaten, Institutionen und Privatpersonen). Deshalb kann man die Inflation, welche längst am galoppieren ist, auch nicht offen zugeben, muss den Eindruck erwecken, sehr auf Geldwertstabilität bedacht zu sein. Wer würde sonst noch für 5% Zins Geld verleihen, wenn er bei 10% Inflation jedes Jahr 5% an realer Kaufkraft verliert, bis er sein Geld zurück bekommt.
Noch ein interessanter Aspekt: In den vergangenen Monaten wurden riesige Summen an Cash aus den Aktien abgezogen und liegen bereit, investiert zu werden. Wohin sollen diese Summen fliessen? Es ist weder eine Lösung, diese bei den Banken oder in Form von Staatsanleihen (weltweit) zu parken gegen mehr oder minder hohen Zins (die Inflation frisst die Werte systematisch auf), noch ist der frühere Weg einer "sicheren" Anlage in irgendwelchen Geldmarktfonds gangbar. Wie "sicher" diese Art der Anlage ist, haben die Banken und Hedgefonds in den letzten Monaten gezeigt. Neben dem Kaufkraftverlust durch Inflation droht hierbei auch noch Totalverlust, wenn so ein Fond pleite geht. Investition in Rohstoffe (in Form von Futures) ist nur für relativ kleine Summen eine Lösung, da diese Märkte nicht in der Lage sind, wirklich große Summen aufzunehmen (sonst haben wir bei mehr als nur explodierenden Rohstoffpreisen eine schlimme Blasenbildung - dies hat dann auch nichts mehr mit Knappheit des Gutes zu tun, sondern ist nur noch reine Spekulation). Die einzigen Märkte, die groß genug sind, diese Summen aufzunehmen, sind nun einmal die Aktienmärkte. Und diese bieten dann auch, etwas längerfristig gesehen, die Wertsteigerung, die nötig ist, um die Kaufkraftverluste durch die kräftige Inflation aufzufangen und zusätzlich noch für eine reale Vermehrung zu sorgen. Alleine aus diesem Grund bin ich überzeugt, dass in absehbar kurzer Zeit die Normalität in den Aktienmärkten zurückkehren wird und dort schöne Gewinne möglich sind.
Viele Grüsse
chartex (alias Stock24)
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