von Jochen Steffens Ich verfolge im Moment eine interessante These. Sie erinnern sich, ich behaupte, die USA haben es bei einem nicht mehr weiter steigendem Ölpreis und in den letzten drei Monaten vergleichsweise stabilen Dollar sehr bald mit einer Deflation zu tun. Etwas, das kaum jemand zurzeit so sieht. Meines Erachtens ist die Inflation, die sich in den Preisindizes der USA zeigt, hauptsächlich über teure Rohstoffe im Zusammenhang mit der Abwertung des Dollars importiert. Eine „Binneninflation“, die durch Wirtschaftswachstum, steigende Löhne und steigende Produktpreise bedingt ist, findet in den USA kaum statt, da der Konsum aufgrund verschiedenster Faktoren (Immobilienkrise, Abschwächung des Wirtschaftswachstums, hohe Sprit- und Energiekosten) höchst belastet ist. Und nur wenn die Nachfrage höher als das Angebot ist, können die Unternehmen Preiserhöhungen durchsetzen. Wenn die USA jetzt auch noch tatsächlich in eine Rezession abrutschten sollten, haben wir es dort schnell wieder mit dem Thema „Deflation“ zu tun. Schnelle Zinssenkungen als probates MittelVor nichts haben die Verantwortlichen mehr Angst als vor einer Deflation (siehe Japan). Eine Deflation bekämpft man am sinnvollsten mit sinkenden Zinsen, sagt man. Die zurzeit aktuelle Theorie besagt zudem, dass man mit solchen deutlichen Zinssenkungen nicht zu lange warten darf, da ansonsten ein ähnliches Szenario wie in Japan droht (ich vertrete eine andere Sichtweise, ich glaube, dass Japan aufgrund bestimmter sozialkultureller Faktoren nicht aus ihrer Krise herauskommt, dazu vielleicht ein anderes Mal mehr). Natürlich wird die Fed auch die Preisindizes beobachten und ebenso wie wir hier feststellen, dass diese seit mindestens einem Jahr hauptsächlich auf die Ölpreise reagieren (etwas zeitversetzt). Sie wird sich dann an einer Hand abzählen können, dass, wenn der Ölpreis fällt oder einfach nur nicht weiter steigt, diese Subindizes bald stark negativ werden. Also muss die Fed alles tun, um dieser Entwicklung möglichst früh entgegenzusteuern, gerade auch mit einer Kreditmarktkrise im Rücken. Die positiven Effekte der ZinssenkungenGleichzeitig kann sie durch drastische Zinssenkungen auch eine mögliche Rezession in den USA abfangen, die US-Immobilienkrise abfedern und die Kreditmarktkrise abschwächen. So würde alles perfekt zusammenpassen. Der Unterschied zu dem allgemein diskutierten Inflationsszenario ist, dass die Fed bei einer Inflationsgefahr wahrscheinlich eine "leichte" Rezession vorziehen, sprich die Zinsen anheben würde (da bei einer "ausufernden" Inflation auch immer die Gefahr eine starken Rezession besteht). Die drastisch sinkenden Zinsen an sich sind insofern ein Hinweis darauf, dass die Fed die Inflationsgefahren nicht mehr als sehr hoch einstuft. Aus diesem Grund vermute ich, dass der Fed der Crash am Montag / Dienstag ganz gelegen kam. Es war eine perfekte Möglichkeit, einen sehr großen Zinsschritt zu beschließen. Wenn die Fed die Zinsen bei der Zinssitzung am Mittwoch noch einmal um 50 Basispunkte senkt, dann war das eine Zinssenkung um 125 Basispunkte in einer Woche (stellen Sie sich vor, die Fed hätte die Zinsen einfach so bei der Zinssitzung um 125 Basispunkte gesenkt, die Märkte wären in sich zusammengebrochen). Warum direkt 75 BasispunkteIch habe mich nur gefragt, warum am Dienstag direkt um 75 Basispunkte gesenkt wurde und nicht nur um 50 Basispunkte mit der Ankündigung weiterer 50 Basispunkte eine Woche später. Für den Fall, dass es dann noch notwendig sei. Das wäre doch die „umsichtigste“ Strategie gewesen. Wenn die Fed sich aber bereits in einer Art Deflationsbekämpfung befinden sollte, macht das Sinn. Warum sollte die Fed eine mögliche Deflationsgefahr verheimlichen?Wenn jedoch bekannt würde, dass die Fed zurzeit im Moment mit dem Thema Deflation beschäftigt ist und gar keine Inflationsprobleme mehr sieht, würde sofort folgendes passieren: Zum einen käme der Dollar massiv unter Druck, denn jede Wirtschaftszeitung auf dieser Welt hätte sofort wieder den „Helikopter Ben“ auf der Titelseite, der die Gelddruckmaschinen in den USA anwirft, um per Helikopter Dollar unter die Leute zu bringen. Das würde wiederum sofort den in Dollar gelisteten Ölpreis nach oben treiben. Da es ja nicht nur um Deflation, sondern auch um eine mögliche Rezession, den US-Immobilienmarkt und die Kreditmarktkrise geht, wäre diese Entwicklung wenig wünschenswert. Wie entwickeln sich die Preisindikatoren?Wie gesagt, es ist eine sehr, sehr frühe Theorie. Interessant wird sein, wie sich die Preisindizes und die entsprechenden Sub-Indizes in den nächsten Monaten wirklich entwickeln. Sollten diese fallen oder aufgrund der Zinssenkungen kaum noch ansteigen, dann wäre das ein Beweis für diese These. Auch wenn die Fed am Mittwoch die Zinsen um weitere 50 Basispunkte senken sollte, wäre dies ein kleiner Hinweis. Europa und InflationÜbrigens in Europa, speziell in Deutschland haben wir tatsächlich ein Inflationsproblem. Hier haben wir es mit einem noch soliden Wirtschaftswachstum zu tun und die Löhne könnten stark ansteigen, wenn die Gewerkschaften weiter ihre Lohnforderungen durchsetzen können. Die EZB hat demnach tatsächlich Probleme. Sie kann die Zinsen nicht senken, ohne eine Inflationsspirale zu riskieren. Und aus diesem Grund konnte die EZB die Zinsen trotz Crash nicht senken. Auch wenn sich Trichet darauf berief, dass die EZB lediglich der Inflationsbekämpfung verpflichtet sei, wir wissen aus der Vergangenheit, dass die EZB zumindest in Ansätzen auch auf das Wirtschaftswachstum achtet. Noch einmal zu dem Betrug bei der Société-GénéraleIch habe sehr viele Mails von Ihnen zu dem Betrugsfall bei der Société-Générale erhalten. Ihre Meinungen zu dem Thema gehen weit auseinander. Die einen denken, dass die Société-Générale nur größere Finanzlöcher mit diesem Vorfall kaschieren will, Jérôme Kerviel sei ein Bauernopfer. Andere behaupten, dass dieser Vorfall keinen entscheidenden Einfluss auf den Dax gehabt haben soll. Das erstere kann ich nicht beurteilen, beim letzteren bin ich mir sicher. Wenn tatsächlich 140.000 Dax-Future-Kontrakte in drei Tagen verkauft werden mussten, hat das zu einer Kettenreaktion geführt. Ein Future-Kontrakt auf den Dax gewinnt / verliert 25 Euro je Punkt im Dax. Es ist ganz einfach zu rechnen: Fällt der Dax nur um einen Punkte, verliert der Besitzer von 140.000 Future-Kontrakten 3,5 Mio. Euro! Bei läppischen 10 Punkten, sind es bereits 35 Mio. Euro. Bei 100 Punkten 350 Mio. Euro. Bei satten 1000 Punkten verbleiben 3,5 Mrd. Euro! Die Position soll angeblich Anfang des Jahres aufgebaut worden sein. Der Dax hat seitdem fast 1800 Punkte verloren. Und das waren nur die Kontrakte im Dax-Future... Wer glaubt, man könne 140.000 Kontrakte mal eben kurzfristig in den Markt drücken, dem hilft vielleicht ein Blick in das Oderbuch eines ganz normalen Montags. Dieser Screenshot ist rein zufällig entnommen, um ca 14.15 Uhr heute: 
Sie sehen, dass im Bid bei einer Marktiefe von 5 lediglich 124 Kontrakte zu finden sind und im Ask sogar nur 50. Im Durchschnitt liegen je halben Punkt etwa 20-30 Kontrakte im Markt. Versuchen Sie hier einmal 140.000 Kontrakte zu verkaufen, ohne den Markt zu bewegen. Dazu kommt, dass der Handel am Montagmorgen meist noch dünner als normal ist. Asien allein war nicht der AuslöserUnd ein weiterer Punkt: Die SocGen (News/Aktienkurs) behauptet, dass die asiatischen Vorgaben Schuld gewesen seien, nicht ihre Position. Heute war der Nikkei vorbörslich 4 % im Minus, also noch deutlicher als letzte Woche. Doch der Dax bricht nicht um 7 % ein, sondern notierte zwischen 1 und 2 % im Minus, bis er sich mit den Amerikanern erholen konnte. Es besteht insofern kein Zweifel: Wenn 140.000 Kontrakte im Dax verkauft wurden, hatte das einen maßgeblichen Einfluss. Eines stimmt aber natürlich: Wäre die Position in einem sehr bullishen Umfeld verkauft worden, wäre sie wahrscheinlich nicht so aufgefallen. Es kamen auf jeden Fall mehrere Faktoren hinzu, wie eigentlich immer, bei allem... Viele Grüße Ihr Jochen Steffens |