...In Israel hatte man jahrelang die Lage in Gaza falsch eingeschätzt. Sämtliche Regierungen verfolgten eine Abnutzungsstrategie, die manche mit „Mowing the grass“ beschrieben. Sie beruhte auf der Annahme, dass eine Rückeroberung Gazas unrealistisch und letztlich unnötig sei: Es reiche, die militärischen Fähigkeiten der Hamas regelmäßig zu stutzen, so wie man im Garten regelmäßig den Rasen trimmt. Israel ließ die Hamas sehenden Auges immer wieder stark werden – in der meisten Zeit war Netanjahu Regierungschef, der auch im Westjordanland keine Anstalten machte, die Besatzung zu beenden. Strategisch wollte man lieber vom palästinensischen Bruderkrieg zwischen der säkularen Fatah-Organisation des weitgehend machtlosen Präsidenten Mahmud Abbas in Ramallah und den Islamisten in Gaza profitieren.
Abbas’ Forderungen nach einem Palästinenserstaat wurde von Israel entgegnet, dass der Vorsitzende der Autonomiebehörde eben nur im Westjordanland regiere und erst einmal wieder Gaza unter seine Kontrolle bringen solle, bevor man verhandeln könne. Abbas konnte das nicht. Mit ihrem Überfall untermauerte die Hamas nun ihren Anspruch auf die Führung aller Palästinenser. „Alle Kräfte haben zugelassen, dass die Hamas den Gazastreifen regiert“, sagt der Beobachter aus Gaza.
Terrorfachmann Yigal Carmon ruft dazu auf, nicht nur Iran, sondern auch Qatar im Blick zu behalten, wenn es um die Unterstützung der Hamas geht. Das amerikanische Außenministerium schätzte 2020, dass Iran die Hamas jährlich mit mindestens hundert Millionen Dollar unterstützt. Fast so viel allein überwies Qatar jedes Vierteljahr nur für die laufenden Kosten in Gaza: Dreißig Millionen Dollar im Monat für bedürftige Familien und ein Zuschuss zu den Gehältern der gut vierzigtausend Regierungsangestellten, nach Angaben aus Doha insgesamt 1,5 Milliarden Dollar seit 2012.
Israel gab Qatar einen Vertrauensvorschuss. Denn die Regierung hatte kein Interesse daran, dass sich die Lage in Gaza weiter verschlechtert. Vor wenigen Jahren wurden Fotos von mit Dollarscheinen prall gefüllten Reisetaschen verbreitet, die Qataris in Geländewagen aus Israel über die Grenze nach Gaza brachten, die sich sonst nur selten öffnet.
Yigal Carmon erhebt schwere Vorwürfe, besonders gegen Netanjahu, der es zugelassen habe, dass die Hamas in Gaza ein „Militärimperium“ aufbauen konnte. „Eine halbe Milliarde war mehr als genug für den Wiederaufbau.“ Mit der restlichen Milliarde sei die Hamas aufgerüstet worden: „Wir Israelis dachten, wir könnten Hamas kaufen, aber wir haben niemanden gekauft. Stattdessen hat Netanjahu unser Leben und unsere Sicherheit verkauft.“
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