Inside Wall Street Beamte in der Suppenküche
In den Suppenküchen könnte es eng werden. Autofahrer in Pennsylvania können in den nächsten Tagen kräftig aufs Gas drücken, denn Angst vor Strafzetteln müssen sie nicht haben. Zumindest eine befreundete Polizistin, die für einen Abschnitt der Autobahn I-78 zuständig ist, wird keine schreiben. Sie und ihre Kollegen werden in diesem Monat nicht bezahlt ? dann wird auch nicht gearbeitet. Pennsylvania hat am Wochenende beschlossen, alle 69.000 staatlichen Angestellten nicht für den Juli zu bezahlen. Die Regierung in Harrisburg hat sich bisher noch nicht auf den Haushalt für das neue Geschäftsjahr einigen können, das am 1. Juli begonnen hat. Dort klafft eine Finanzierungslücke von drei Mrd. Dollar und solange die nicht geschlossen ist, wird kein Geld mehr ausgegeben. Weder für Polizisten noch für Landschaftsgärtner, Sommerschulen, noch für irgendwelche anderen Dienste. Der ?Keystone State?, dessen Beiname auf die zentrale Rolle Pennsylvanias bei der Gründung der Vereinigten Staaten anspielt, ist nicht der einzige Staat in massiven Schwierigkeiten. Auch Connecticut und North Carolina haben ihren Haushalt zwei Wochen nach Beginn des neuen Rechnungsjahres noch nicht verabschiedet und operieren unter Notstandsbedingungen. Illinois und Ohio haben ihren Haushalt ganz knapp vor dem Wochenende verabschiedet ? spät, aber immerhin. Am schlimmsten sieht die Lage indes in Kalifornien aus, wo die Regierung unter Gouverneur Arnold Schwarzenegger ihre Beamten mit Schuldscheinen abspeist. Insgesamt 147.000 solcher Verpflichtungen wurden bereits gedruckt, die belaufen sich auf 662 Mio. Dollar. Während Banken in Kalifornien die Schuldscheine anerkennen und die staatlichen Angestellten so immerhin an Geld kommen können, haben in Pennsylvania Banken und gemeinnützige Organisationen auf andere Weise vorgesorgt. Erstere bieten Kredite zu niedrigen Zinsen oder in manchen Fällen sogar zinsfrei an; letztere haben die Vorräte in Suppenküchen erhöht. Denn zahlreiche Amerikaner, darunter auch Beamte, leben von Scheck zu Scheck ? bleibt der zum Monatsende einmal aus, beginnen die existenziellen Sorgen sofort. Bitter ist, dass die Verabschiedung der staatlichen Haushalte an der immer gleichen Diskussion scheitert. In den Kongresshallen streiten sich Republikaner und Demokraten: Die Republikaner wollen die Steuern nicht erhöhen, während die Demokraten die Ausgaben vor allem für soziale Programme nicht allzu dramatisch senken wollen. Letztere stehen auf der richtigen Seite: Ob in der Infrastruktur, in Erziehung oder im Gesundheitssektor, die staatlichen Ausgaben dürfen nicht gesenkt, sondern sollten vielmehr erhöht werden. Dann könnten irgendwann die Schlaglöcher in den Straßen gestopft, die Brücken und Tunnels renoviert, die Lehrer besser bezahlt und die Krankenhäuser moderner ausgestattet werden. Amerika könnte den Status erlangen, den die Regierung Obama in Washington anstrebt ? der aber auch finanziert werden muss. Die Steuersenkungen der Regierung Bush, die auf US-Niveau begonnen und sich auf Bundesstaaten-Ebene fortgesetzt haben, haben die Haushalte auf breiter Front ruiniert und gleichzeitig die Zahlungsmoral der Amerikaner angegriffen. Denen wurde jahrelang von Steuersenkungen als wichtigstem politischem Ziel erzählt. Dass Land und Staaten von Einnahmen abhängig sind und Steuern für die Volksgesundheit unverzichtbar sind, haben sie längst vergessen. Selbst Steueranhebungen für die Reichen und Superreichen finden keine Mehrheit, da sie oft schwammig formuliert und von den Republikaner schlichtweg falsch dargestellt werden. So werden Horrosszenarien ausgemalt, in denen Obama der hart arbeitenden Durchschnittsfamilie die Butter vom Brot klauen will. Mit diesem Staatsverständnis sind die USA zur Zeit schwer angeschlagen. Wer auf eine Erholung von Land und Konjunktur wartet, der sollte sich daher nicht nur an der Börse umschauen, wo einige erfolgreiche Unternehmen ein inakkurates Bild der aktuellen Lage zeichnen. Rekordboni bei Goldman Sachs etwa sprechen längst nicht für einen Aufschwung zwischen New York und Kalifornien, wenn dazwischen eine ganze Reihe von Staaten ihre Beamten in die Suppenküche schickt. |