Freenet-Chef Eckard Spoerr spricht mit WELT ONLINE über sein Krisenmanagement, den Einfluss von Finanzinvestoren, die Zukunft der Tochter Mobilcom und das Nachsehen bei der Talkline-Übernahme.  Freenet-Chef Eckard Spoer hat keine Lust mehr auf die Abwehr von Spekulationen WELT ONLINE: Herr Spoerr, kommen Sie vor lauter Krisenmanagement überhaupt noch dazu, normal zu arbeiten? Eckard Spoerr: Es fällt mir schwer, auf diese Frage nicht emotional zu antworten, nachdem ich gestern Nacht bis um viertel nach vier gearbeitet habe und heute morgen wieder um neun im Büro war. WELT ONLINE: Versuchen Sie es dennoch mit einer rationalen Antwort.Spoerr: Ich wünschte mir schon, dass wir nach der erfolgten Fusion zwischen Freenet und Mobilcom das operative Geschäft stärker vorantreiben könnten und nicht so häufig Spekulationen über das Unternehmen abwehren müssten.WELT ONLINE: Freenet mit der Tochterfirma Mobilcom scheint so anfällig für Übernahme- und Einmischungsversuche wie kaum ein anderes Unternehmen der Telekommunikationsbranche. Warum?Spoerr: Das liegt zum einen daran, dass das Medieninteresse an Mobilcom schon immer sehr groß war - nicht zuletzt wegen seines Gründers Gerhard Schmid, dem ehemaligen Großaktionär France Télécom und deren gemeinsamen UMTS-Abenteuer. Das große Interesse hielt auch während der Fusion an. Der andere Grund ist, dass das Freenet-Kapital zu hundert Prozent an der Börse platziert ist und damit Aktionäre über die Öffentlichkeit Ideen transportieren können. So versuchen sie, andere Aktionäre für diese Ideen zu gewinnen.WELT ONLINE: Die bislang letzte Welle hat Ihr neuester Großaktionär Florian Homm mit seinem Hedgefonds Absolute Capital Management ausgelöst. Davor stieg die Investmentfirma Vatas, die von dem schillernden Lars Windhorst in Deutschland geführt wird, bei Freenet ein. Dabei waren Sie doch gerade erst den Finanzinvestor Texas Pacific Group losgeworden. Freenet zieht Heuschrecken offenbar magisch an.Spoerr: Wenn Sie es so wollen, dann haben wir nicht eine oder zwei Heuschrecken an Bord, sondern ein paar Dutzend. Für uns ist es wichtig, wie groß diese Investoren sind und welchen Charakter sie haben. Die Gesellschaft Vatas zum Beispiel hat bei ihrer Beteiligung an dem Telekommunikations-Ausrüster Balda gezeigt, dass sie längere Zeit engagiert ist. Das ist eher untypisch für derartige Finanzinvestoren.WELT ONLINE: Dann ist Homm für Sie gefährlicher als Windhorst?Spoerr: Ich hatte noch nicht das Vergnügen, Herrn Homm zu treffen. Ich weiß auch noch nicht, was ihn zum Einstieg bei uns bewegt hat. Eines ist aber klar: Eine Zerschlagung, wie sie Herr Homm ins Gespräch gebracht hat, ist für unsere Strategie nicht zielführend. Wir haben nicht 18 Monate unsere rund 3500 Mitarbeiter auf die Fusion mit Mobilcom eingeschworen, um sie dann acht Wochen danach wieder in Frage zu stellen. Solche Gerüchte schaffen nur Verunsicherung, und die können wir nicht brauchen.WELT ONLINE: Vor einigen Monaten ist der Freenet-Konkurrent Drillisch mit einem Aktienpaket von zehn Prozent bei Ihnen eingestiegen. Könnte sich nicht jetzt eine Phalanx gegen Sie formieren - und zwar bestehend aus Homm, Windhorst und Drillisch-Chef Paschalis Choulidis?Spoerr: Das ist immer möglich. Aber Herr Windhorst versteht vom mobilen Internet sehr viel, er hat eine ähnliche Sicht der Dinge wie ich, wohin sich unser Markt entwickelt. Und Vatas wiederum war ein wichtiger stabilisierender Faktor in einer schwierigen Zeit bei Balda. Das zeigt deren langfristiges Interesse. Aber am Ende sind es alles nur Aktionäre, die ihr Vermögen vermehren möchten.WELT ONLINE: Das schließt alles aber einen Verkauf von Mobilcom nicht aus.Spoerr: Das Mobilfunkgeschäft ist für uns ein strategisch wichtiger Bereich und bleibt im Konzern.WELT ONLINE: Da hört man aber eine Menge Druck heraus.Spoerr: Ich stehe in keiner Weise unter Druck. Ich muss nicht handeln. Wir müssen auch keine Zukäufe tätigen, können es aber. Lange Zeit hieß es immer: Was macht der Spoerr mit dem vielen Geld in der Kasse von Mobilcom? Die Frage ist jetzt entschieden. Der Zeitpunkt ist richtig, die nicht betriebsnotwendigen Mittel des zusammen gelegten Konzerns an die Aktionäre auszuschütten. Wir wollen eine Dividende von sechs Euro zahlen, die auch noch steuerfrei ist. Auch danach haben wir genug Handlungsspielraum für Investitionen.WELT ONLINE: Obwohl nun sämtliche Liquiditäts-Reserven weg sind?Spoerr: Es stimmt, die überschüssige Liquidität ist weg. Aber wir sind schuldenfrei, wir machen schließlich keine kreditfinanzierte Sonderausschüttung.WELT ONLINE: Vorige Woche wurde noch darüber spekuliert, dass Freenet die Mobilfunkanbieter Debitel oder Talkline übernehmen werde. Da waren andere offensichtlich schneller als Sie. Warum sind Sie nicht zum Zuge gekommen?Spoerr: Ja, wir haben Gespräche mit Talkline geführt, aber offensichtlich ist Debitel bereit, einen höheren Preis zu bezahlen - Glückwunsch an Debitel. Für die Umsetzung unserer Strategie brauchen wir Talkline nicht, deshalb waren wir nicht bereit, nachzulegen.WELT ONLINE: Beim klassischen Service-Provider-Modell verkauft ein Dienstleister wie Freenet-Mobilcom Mobilfunkverträge für die vier Netzbetreiber unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Die meisten Branchenexperten sagen, das Modell stehe vor dem Aus. Wie wollen Sie Mobilcom zukunftsfähig machen?Spoerr: Das ist eine interessante Aussage und eigentlich eine gute Antwort an all diejenigen, die behaupteten, wir hätten Talkline um jeden Preis kaufen sollen. Aber nun zur Frage: Wir werden Freenet als eigene Marke für unsere Mobilfunk-Kunden etablieren, ohne dass wie bisher auch der Name des Netzbetreibers auf Handydisplay und in der werblichen Darstellung erscheint. Wir haben damit gerade erst angefangen, aber schon jetzt buchen 16 Prozent der Neukunden, die wir in unseren Shops werben, den Freenet-Tarif. Bis zum nächsten Jahr soll der Anteil auf 50 bis 70 Prozent steigen.WELT ONLINE: Das Service-Provider-Modell verändert sich dadurch aber kaum.Spoerr: Dieses Konzept bringt uns aber gleich mehrere Vorteile. Bei den Netzbetreibern ist die Wechselrate der Kunden deutlich niedriger als bei den reinen Dienstleistern. Weil uns die Kunden durch den Freenet-Tarif als Netzbetreiber wahrnehmen, wird auch die Kundenbindung steigen. Zum Zweiten können wir höhere Margen erzielen, weil wir uns für unsere Marke den Netzbetreiber mit den günstigsten Konditionen auswählen.WELT ONLINE: Kommen wir zum Festnetzgeschäft. Die Deutsche Telekom geht mit ihren Preisen für DSL-Pakete kräftig herunter, Arcor ist gefolgt. Was macht Freenet?Spoerr: Wir haben bereits vor kurzem unsere Preise für DSL-Pakete mit High-Speed DSL-Anschluss inklusive Telefonie- und Surf-Flatrate von 40 auf 35 Euro gesenkt. Durch Preissenkungen allein gewinnt man im DSL-Geschäft aber keine Marktanteile mehr. Allein deshalb schon streben wir die Preis-Leistungsführerschaft an.WELT ONLINE: Beim Service scheint es aber ganz schön zu haken. Die "Stiftung Warentest" hat Freenet gerade einmal mit der Note "ausreichend" bewertet.Spoerr: Die Stiftung Warentest hat genau zu dem Zeitpunkt ihre Tests durchgeführt, als wir Ressourcenengpässe aufgrund der großen Nachfrage nach Freenet-Komplett hatten. Gleichzeitig verursachte die Umstellung von Telekom-Anschlüssen auf Freenet Prozessprobleme. Jetzt haben wir Mitarbeiter aufgebaut und den Service deutlich verbessert. Und so sind wir bei einem Test der Fachzeitschrift "Teletalk", der ein paar Wochen später durchgeführt wurde, auf Platz zwei gelandet.WELT ONLINE: Dennoch gewinnen Sie nicht mehr so viele Neukunden wie die meisten Ihrer Konkurrenten. Was vor allem daran liegt, dass die Telekom verstärkt ihre Anschlüsse selbst vermarkten und sich nicht mehr so stark auf Wiederverkäufer wie Freenet verlassen will.Spoerr: Wir haben viele Jahre mit der Telekom Hand in Hand zusammengearbeitet und wollen das auch weiterhin tun. Deshalb sollte sie proportional zu den niedrigeren Endkundentarifen auch die Preise für ihre technischen Vorleistungen, die wir benötigen, herunterschrauben. So sind wir nicht gezwungen, ausschließlich mit alternativen Netzbetreibern wie QSC und Telefònica eigene Komplettanschlüsse anzubieten.WELT ONLINE: Wie wichtig ist das "Komplett"-Angebot inzwischen?Spoerr: Über die Hälfte unserer Neukunden buchen es. Angaben über den Gesamtmix unserer DSL-Kundschaft machen wir nicht.WELT ONLINE: Immer wieder gibt es Beschwerden über Drückerkolonnen, die Freenet-Anschlüsse unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verkaufen, manchmal sogar gegen den Willen der Kunden Verträge schreiben. Was tun Sie dagegen?Spoerr: Wir arbeiten mit kompetenten, externen Fachvertretern zusammen. Sollten Kunden in der Tat fehl beraten werden, können diese innerhalb von 14 Tagen ohne Folgen stornieren. Somit erhalten auch die Vertriebspartner keine Provision. In einem so wettbewerbsintensiven Markt wie dem DSL-Geschäft ist eine gewisse Hygiene notwendig, selbst wenn es Vertriebskraft kostet. Darüber hinaus erkundigen wir uns bei unseren Kunden inzwischen kurz nach Schaltung des Anschlusses, ob sie mit allem zufrieden sind.Das Gespräch führten Lutz Frühbrodt und Birger Nicolai http://www.welt.de/wirtschaft/article930242/...Weise_unter_Druck.html |