Wie Political Correctness zu Sprechverboten führen kann:
Mit der Asylkrise entflammt die Debatte um Political Correctness neu.
Der Blick in die USA gibt häufig eine Ahnung, welche gesellschaftlichen Trends auch auf Deutschland zukommen. Und zeigt in diesem Fall, wie weit es gehen kann mit der politischen Korrektheit, über die ja viele hierzulande schon jetzt klagen.
Bei uns ist die Debatte um die Political Correctness, die seit Beginn der 90er-Jahre mit intelligenten Beiträgen unter anderem von Cora Stephan oder Dieter E. Zimmer geführt wurde, in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise neu entflammt.
man fragt sich ob der Entwicklung in den USA: Haben wir Tabus in Deutschland? Gibt es Sprechverbote?
Ganz abgesehen davon, dass man gut darüber streiten kann, welche Medien heute noch eindeutig als "links" zu verorten sind – verläuft der Mainstream nicht längst jenseits von rechts und links? – stellt sich die Frage, welche Freiheit hier verteidigt wird: Es lassen sich vier strukturelle Belastungen des öffentlichen politischen Gesprächs ausmachen. Und die haben rein gar nichts damit zu tun, dass man seine individuellen Probleme mit Schwulen und Lesben, wenn man sie denn hat, gefälligst für sich behält. Letzteres war übrigens nie eine Frage der PC, sondern immer eine Frage der ganz gewöhnlichen bürgerlichen Höflichkeit.
"Das Problem hier speziell liegt darin, dass die Resonanzachse zwischen Politik und weiten Teilen der Bevölkerung gebrochen ist, dass ihnen die Politik nicht mehr zu antworten scheint."
Man kann fürchten, dass das aktuelle politische System instabil wird, vielleicht sogar, weil man selbst nicht genug für es tut. Man kann die sehr berechtigte Angst haben, dass das Bildungssystem überfordert ist – und dass es den eigenen Kindern später vielleicht schlechter gehen wird als einem selbst. In Deutschland ist es aber schwer, diese Ängste auszusprechen....
Was bleibt also? Widersprüche aushalten!
Es herrscht bei uns seit den 2000er-Jahren eine Art von Machbarkeitsoptimismus, den man fast eher in Amerika vermutet hätte. Es ist, das muss in Richtung der Rechten betont werden, nicht verboten, ihm zu widersprechen. Es macht nur auch nicht besonders viel Spaß. Nicht nur im Justemilieu sprengt man ein Abendessen etwa mit der These, dass das Internet uns langfristig mehr Schaden als Nutzen bringen wird (Kulturpessimist!).
Oder mit der Frage, ob sehr kleine Kinder in der Krippe nicht doch eher untergehen als bei einer liebevollen Person zu Hause (Mütter zurück an den Herd?! - mein lebns- und Ehegefährte!). Oder wenn man Zweifel an den unbegrenzten Möglichkeiten der "Inklusion" erhebt (Hast du was gegen Menschen mit Behinderungen?). Oder wenn man behauptet, Kindern mache die Scheidung ihrer Eltern doch etwas aus (Frontalangriff auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit). Alles Themen, mit denen ich (man) auch privat konfrontiert bin (ist).
Was brauchen wir also? Eine weniger durchgestylte Politik. Weniger selbstgerechte Medien. Das Zulassen von Skepsis und Angst. Einen Gang runterschalten beim Zweckoptimismus. Und das Schwerste überhaupt: Widersprüche aushalten.
Schafft man das? |