Die Christen in Syrien
http://www.nefais.net/2009/03/21/christen-in-syrien/
Der Kollege Yassin Musharbash hat kürzlich einen „Brief aus Damaskus“ geschrieben. Er schildert eine Szene aus dem Vorort Jaramana, wo sich irakische Flüchtlinge anfangen zu prügeln, nachdem der Strom ausgefallen ist. Da fiel mir mein letzter Besuch in Damaskus im Dezember 2006 ein, gerade recht zur Weihnachtszeit. Ich fuhr oft nach Jaramana, weil sich dort vor allen Dingen christliche Flüchtlinge aufhielten. Ich war mit Kai Wiedenhöfer unterwegs, einem sehr guten Fotografen. Wir sollten eine Geschichte über Christen in Syrien recherchieren. Geschickt hatte uns das Magazin Chrismon, das von der evangelischen Kirche finanziert wird. Vor unserer Reise hatten wir vorgeschlagen, lieber etwas über die irakischen Flüchtlinge zu machen, die damals zu Tausenden nach Syrien flohen. Aber es musste ein Artikel über syrische Christen sein, ich weiß nicht mehr genau warum. Das Skurrile war: Die syrischen Christen, die wir trafen, waren nationalistischer als viele andere Syrer, sie schimpften wie die Rohrspatzen auf den Westen und verwiesen auf das Schicksal ihrer irakischen Brüder, die nach dem Demokratiefeldzug der Amerikaner auf der Flucht vor dem Chaos im Irak seien. Die irakischen Christen konnten diesem Kreuzzug im übrigen auch nicht viel abgewinnen, unter Saddam Hussein ging es ihnen besser, wie sie sagten. So ist das leider mit Minderheiten in Diktaturen: Der Herrscher macht sie sich gefügig, indem er ihnen Privilegien zubilligt, die er anderen Gruppen verweigert. Nun ja. In Kürze werden die ersten christlichen Flüchtlinge aus dem Irak in Deutschland erwartet. Das soll wohl die Humanität der deutschen Regierung zum Ausdruck bringen, nach dem Motto: „Wir stehen auf der Seite unserer christlichen Brüder, aber Muslime sollen lieber im Nahen Osten bleiben, da gehören sie doch hin.“ Na gut, vielleicht etwas böse, aber in etwa stimmt das so. Trotzdem: Ahlan wa sahlan, ya masihiyun al-irak! Syrien ist eine Oase des Friedens, ein Land, in dem sich alle mögen und Präsident Bashar al-Assad nur das Beste für sein Volk will. Das zumindest sagt Nicola Kassab, und er meint es kein bisschen ironisch: „Warum soll man seinen Präsidenten nicht lieben?“ Eine rhetorische Frage. Nicola Kassab sitzt in seinem Juweliergeschäft im Goldbasar von Damaskus, einer Kammer von acht Quadtratmetern, im Schaufenster hängt der Schmuck wie Lametta vom Weihnachtsbaum und neben Nicola ein Bild von Bashar al-Assad. Das machen hier alle so. Nichts Besonderes also. Oder doch? Nicola Kassab, 63 Jahr alt, ist Christ. Er gehört damit einer aussterbenden Minderheit im Nahen Osten an. Im Irak wird es bald keine Christen mehr geben, sie flüchten in Scharen vor dem alltäglichen Terror, selbst in Palästina, der Heimat Jesu, leben nur noch ein paar Tausend. Der Exodus der orientalischen Christen scheint unaufhaltsam. Ausgerechnet Syrien, ein Land mit schlechtem Ruf im Westen, soll eine Ausnahme sein? |