Metropolis, die Inflation sinkt ja nun angeblich in USA. Laut den Zahlen von letzter Woche ist die Kernrate, man höre und staune, auf jetzt nur 2 % annualisiert gesunken - von vorher bis zu 2,8 % um die Jahreswende. 2 % ist die "Oberkante" des sog. Wohlfühl-Korridors der Fed. Wenn die Fed die Zinsen senken wollte, um der schwächelnden US-Wirtschaft zu helfen, stünde dem inflationsmäßig nun nichts mehr im Wege.
Paradoxerweise aber preist der Markt gerade JETZT Zinserhöhungen - auch durch die Fed - ein. Insbesondere die mittel- und langfristigen Zinsen, die der Bond-Markt setzt, stiegen letzte Woche stark an.
Die Börse und der Bond-Markt sind stark vorwegnehmend. Im November/Dezember, als sich die Housing-Krise in voller Härte abzeichnete und die Wachstumsdelle zu Jahresanfang "die damalige Zukunft" war, preiste der Bondmarkt, wie die durchhängende US-Zinskurve verriet, bis zu 3 Zinssenkungen zu je 0,25 % ein. Der Bondmarkt rechnete also mit einer Rezession.
Die jetzige Zukunft ist deutlich rosiger (siehe # 2500 von J.B.). Das Wachstum soll mit 4,1 % wieder früheres Trendwachstum erreichen, die ECRI-Frühindikatoren verheißen Gutes usw. Auch jetzt wieder nehmen Bond- und Aktienmarkt dies vorweg. Der Bondmarkt hat seine Rezessionserwartung zurückgenommen und rechnet nun wieder mit Normalität. Das ist ein qualitativer Sprung, auch wenn am Ende nur Normalität rauskommt (die freilich erquicklicher ist als Rezession). Der Aktienmarkt reagierte spontan mit Abverkäufen, da höhere Zinsen im Prinzip schlecht für Aktien (und die Firmengewinne) sind. Wenn die Wirtschaft jedoch einigermaßen rund läuft wie etwa in Deutschland, machen Zinserhöhungen wie die auf 4 % seitens der EZB das Wachstum nicht kaputt, sondern dämpfen es nur leicht. Solche "guten" Zinserhöhungen muss man unterscheiden von "bösen", die lediglich die überhöhte Inflation (schlimmstenfalls in einem Stagflations-Umfeld) in Schach halten sollen.
Die kommenden Zinserhöhungen der Fed werden wegen des erwarteten Wachstumsschubs nun machbar, während sie vorher aus Rücksicht auf die Housing-Krise nicht machbar waren. Ich will damit keinesfalls sagen, dass die Housing-Krise bewältigt oder vom Tisch sei (wird wohl noch 3 Jahre auf das Wachstum drücken), aber wenn der Rest der US-Wirtschaft passabel läuft, etwa wegen der geringen Arbeitslosigkeit und steigenden Löhnen - die Kaufkraft ersetzen, die der Housing-Markt absaugt - dann reicht die Housing-Krise allein nicht aus, um die USA in eine Rezession zu stürzen.
Zinserhöhungen der Fed kommen IMHO auch deshalb, weil die USA es sich in einer globalisierten Wirtschaft nicht leisten können, sich dem weltweiten Trend zu höheren Zinsen wegen eines "inneren" Problems (Housing), das bis jetzt weitgehend auf Subprime beschränkt blieb, zu entziehen. Dies würde eine Dollar-Abwertung heraufbeschwören, die sich die USA als Hauptgläubiger-Nation der Welt nicht leisten können: Sie brauchen den starken Dollar, um die ausländischen Investoren, die ihre Ersparnisse in die USA schaffen, nicht zu verprellen und die Schuldenwirtschaft am Laufen zu halten. Die Zinserhöhungen machen den Dollar attraktiver, stützen den Wechselskurs und dämpfen zugleich die übergroße Risikofreude, auch in der Kreditvergabe.
Ich bin keinesfalls Bulle geworden, halte mich aber - getreu meinen Maximen - zurück, wenn ich nicht hinreichend genau einschätzen kann, wohin der Hase läuft. Das heißt ich shorte nicht "auf Verdacht", wenn es nur unzureichende oder widersprüchliche Hinweise gibt, die einer solchen Position ein vernünftiges Chance/Risiko-Verhältnis geben. Long gehe ich aus dem gleichen Grund aber auch nicht. Meine einzige Position ist zurzeit "Dollar long", weil ich aus o.g. Gründen mit einem Fall des Euros unter 1,30 rechne. Der Zinstrend ist in diesem Fall "my friend", auch in USA.
|