Bumerang für Jens Spahn Weniger Impfstoff für das gleiche Geld: Plötzlich pocht Biontech auf ein Vertragsdetail 24.01.2021 | 12:53 Biontech-Impfstoff dpa/Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa Eine Ampulle mit dem Impfstoff von Biontech / Pfizer.
Dass aus den Impfstoff-Ampullen von Biontech und Pfizer anstatt fünf nun auch sechs Dosen des Vakzins gewonnen werden können, klingt erst mal nach einer guten Nachricht. Doch die Pharmakonzerne lösen ein großzügiges Versprechen nicht ein. Sie beharren stattdessen auf ein Vertragsdetail.
Aus einer Ampulle des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer lassen sich sechs Dosen gewinnen. Das war seit Längerem klar, doch die EU-Arzneimittelbehörde Ema hatte zunächst nur fünf zugelassen. Seit dem 8. Januar ist das anders, es dürfen sechs statt fünf Dosen pro Ampulle gewonnen werden. „Das kann die Zahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen um bis zu 20 Prozent erhöhen“, freute sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Doch es kommt alles ganz anders. Vertrag legt Impfdosen fest, nicht die Menge an Ampullen
Der Grund: Biontech und Pfizer beschlossen nach der Korrektur der enthaltenen Dosen weniger Ampullen an die EU zu liefern und begründeten dies mit einem Vertragsdetail. Der Kontrakt legt nämlich nicht die Lieferung einer bestimmten Impfstoffmenge, sondern die Zahl der Impfdosen fest.
Ein Detail, das den EU-Staaten, die den Verhandlungen zwischen EU-Kommission und Impfstoffherstellern beigewohnt hatten, bewusst gewesen sein muss. „Wir halten unsere Lieferverpflichtungen gegenüber den Staaten ein“, betonte Pfizer in einer Stellungnahme. Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Spahn Foto: Kay Nietfeld/dpa Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, während einer Pressekonferenz vor der Sitzung des Corona-Kabinetts am Montag.
„Wir berechnen die sechste Dosis nicht“, hatte eine Biontech-Sprecherin dem „Spiegel“ noch Ende Dezember gesagt, doch von dieser Großzügigkeit möchte man jetzt offensichtlich nichts mehr wissen. Die sechste Dosis wird berechnet, was mit Blick auf die Aussagen von Spahn wohl anstatt einer um 20 Prozent höheren Liefermenge des Impfstoffes nun eine um 20 Prozent höhere Rechnung für die Besteller ergeben dürfte - ein Bumerang für Jens Spahn.
Coronavirus-Impfung im Ticker - Spahn rechnet im Februar mit "mindestens drei Millionen" AstraZeneca-Impfdosen Spahn nun „vom guten Willen Biontech/Pfizers abhängig“
Das schürt die Kritik am Bundesgesundheitsminister. Spahn sei nun „vom guten Willen Biontech/Pfizers abhängig“, so der SPD-EU-Abgeordnete Tiemo Wölken zum „Spiegel“. „Ich hoffe sehr, dass der zusätzliche Gewinn schnellstmöglich in den Ausbau der Produktionskapazitäten investiert wird.“
Vertragsbruch begehen die Pharmakonzerne jedoch mit ihrer Haltung nicht, sie sind nicht verpflichtet mehr Impfstoff zu liefern. „Weitere Pläne werden mit der Europäischen Kommission schnellstmöglich geteilt und besprochen“, so die Biontech-Sprecherin mit Blick auf weitere Bestellungen nach dem ersten Quartal. Merkel glaubt weiterhin an die Einhaltung der deutschen Impfziele
Pfizer hatte am vergangenen Freitag mitgeteilt, seine Lieferungen für drei bis vier Wochen verringern zu müssen. Als Grund nannte der US-Konzern Umbaumaßnahmen in einem Werk im belgischen Puurs, durch die die Produktionsmengen erhöht werden sollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich am Donnerstag dennoch zuversichtlich, die deutschen Impfziele einhalten zu können.
Der Unmut in der EU über das Verhalten von Pfizer und Biontech wächst dennoch immer weiter. In einer Korrespondenz der EU-Botschafter, die dem „Spiegel“ vorliegt, heißt es, die EU-Kommission müsse „alle Möglichkeiten wahrnehmen, um eine Erhöhung der Produktionskapazitäten zu erreichen und die zuverlässige Lieferung zugesagter Impfmengen sicherzustellen.“ Die Idee, den Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca schon vor der Zulassung auszuliefern, wurde aber umgehend eine Absage erteilt. |