28. November 2005 „Die Welt“
Unternehmen präsentieren in Montreal eigene Klimastrategie
BP will Kohlendioxid in ausgepumpten Erdölfeldern lagern - Auch Vattenfall hat Technik-Konzept gegen den Treibhauseffekt von Daniel Wetzel Berlin - Rund 10 000 Delegierte aus 190 Nationen beginnen heute im kanadischen Montreal die Verhandlungen über die Weiterentwicklung des Kyoto-Protokolls zur Eindämmung des Klimawandels. Während die Regierungschefs und Umweltminister voraussichtlich einen noch Jahre andauernden Streit über neue Grenzwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen beginnen, konzentrieren sich führende Energiekonzerne darauf, technische Lösungen für das Klimaproblem vorzustellen.
So gründet die EU-Kommission gemeinsam mit den Vorstandsvorsitzenden von Shell, Vattenfall und Alstom am kommenden Donnerstag eine "Technologie-Plattform" zur Entwicklung des Kohlendioxid-freien Kohlekraftwerks.
Der britische Energiemulti BP will darüber hinaus eine "für die Energiewirtschaft insgesamt signalgebende Erklärung" zur neuen globalen Strategie im Bereich alternativer Energien abgeben. Die Erklärung wird am Mittwoch zeitgleich in Washington, London, Berlin, Peking und Brüssel veröffentlicht. In Berlin wird Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) an der Veranstaltung teilnehmen. Vorgestellt wird ein im BP-Auftrag von der amerikanischen Princeton-Universität entwickeltes Maßnahmen-Paket, mit dessen Hilfe die globale Erwärmung bis 2050 auf zwei Grad Celsius begrenzt werden soll. Es sieht unter anderem Programme zur Erhöhung der Energie-Effizienz von Gebäuden und Kraftwerken vor. Teil der BP-Strategie ist aber auch der Plan, das bei der Stromproduktion anfallende Treibhaus-Gas Kohlendioxid (CO2) in den ausgepumpten Erdölfeldern der Nordsee zu lagern. "Das Thema Klimawandel - und damit die Frage nach den Auswirkungen des menschlichen Energieverbrauchs - ist aus unserer Sicht die zentrale Herausforderung unseres Jahrhunderts", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen BP AG, Uwe Franke. BP wird deshalb rund 600 Mio. US-Dollar investieren, um gemeinsam mit Shell und ConocoPhillips im schottischen Peterhead ein neuartiges Kraftwerk zu bauen. Dieses verwendet als Brennstoff Wasserstoff, der zuvor aus Erdgas gewonnen wurde. Das bei der Umwandlung anfallende Klimagas CO2 soll durch Pipelines in das 240 Kilometer vor der Küste liegende "Miller-Ölfeld" geleitet werden. Durch das Hineinpressen des Kohlendioxids entsteht in der Öl-Lagerstätte vier Kilometer unter dem Meeresgrund ein so hoher Druck, daß sich dort auch die Ölförderung noch einmal steigern läßt. BP rechnet damit, daß sich die förderbare Ölmenge so um 40 Millionen Barrel (Faß) erhöht und sich die Nutzungsdauer des Ölfeldes um 15 bis 20 Jahre verlängert. BP-Chef Lord Browne: "Wenn wir das neue Verfahren bei nur fünf Prozent der bis 2050 prognostizierten Stromerzeugung einsetzen, können damit potentiell die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen um rund eine Milliarde Tonne pro Jahr verringert werden." Ähnliche Pilotprojekte zur Abscheidung, der sogenannten Sequestrierung, von Kohlendioxid gibt es bereits von BP in Algerien. Auch pumpt der norwegische Konzern Statoil das ungewollt mitgeförderte Kohlendioxid aus dem "Sleipner-Ölfeld" wieder zurück in eine unterirdische Sandstein-Schicht - und vermeidet so "Kohlendioxid-Steuern" des norwegischen Staates in Höhe von 50 Mio. US-Dollar pro Jahr. Der schwedische Stromkonzern Vattenfall plant am Standort Schwarze Pumpe in Brandenburg den Bau des weltweit ersten CO2-freien Braunkohlekraftwerks mit 30 Megawatt Leistung, das bereits 2008 in Betrieb gehen soll. Angedacht ist, das anfallende CO2 im brandenburgischen Ketzin in einer stillgelegten Erdgaskaverne zu lagern. Die Technik zur Einlagerung von CO2 hat jedoch auch Nachteile und Gefahren. So ist der Wirkungsgrad eines Kohlekraftwerks durch die CO2-Verflüssigung um bis zu 14 Prozentpunkte schlechter. Experten rechnen daher damit, daß die Technik erst in 15 bis 20 Jahren wirtschaftlich wird. Die unterirdische CO2-Einlagerung an Land kann zudem gefährlich werden, weil das geruchlose Gas schwerer als Luft ist und sich nach einem durch Erdverschiebungen verursachten Austritt in Senken oder Tälern sammeln und dort Menschen und Tiere ersticken kann. 1986 trat aus dem Vulkan-Kratersee Nyos in Kamerun "natürliches" Kohlendioxid aus und erstickte rund 1700 Menschen und alle Tiere in einem Umkreis von 14 Kilometern. |