Tag X für Alstom: Es geht um die letzte Chance in Mannheim
Im Streit um den Abbau von über 900 Stellen waren die Aussichten für eine rettende Einigung nie so gut
Von unserem Redaktionsmitglied Matthias Kros
Mannheim. "Resistance - Widerstand". Weiße Banner mit Aufschriften wie diesen haben mittlerweile ihren festen Platz an der Außenfassade des Alstom-Werkes im Mannheimer Stadtteil Käfertal. Seit dem Jahr 2002 kämpfen die rund 2000 Mitarbeiter um ihre Jobs. Am kommenden Montag richten sich nun alle Augen abermals auf das Werk, in dem der französische Kraftwerksbauer vor allem Turbinen und Generatoren produziert. Betriebsrat und Management müssen sich einigen, es ist die letzte Chance für den Kraftwerksbauer in Mannheim. So dramatisch die Situation ist, so groß sind auch die Aussichten auf eine Lösung. Zwar beharrt die Geschäftsleitung noch immer auf einem Kahlschlag in der Belegschaft, der auch an einem gebeutelten Industriestandort wie Mannheim seines gleichen sucht. Binnen weniger Jahre sollen fast 1000 Arbeitsplätze wegfallen, die Zahl der Mitarbeiter also praktisch halbiert werden. Das einzige Zugeständnis, das die Manager machen, ist eine Zusage, den Standort generell zu erhalten. Aber noch nicht einmal die nimmt der unerbittlich kämpfende Betriebsrat in Mannheim für bare Münze. Kein Zweifel: Die Rosskur, die die Geschäftsleitung der Belegschaft auferlegen will, ist hart. Doch ob sie am Ende auch so kommen wird, ist fraglicher denn je. Denn obwohl der französische Konzern ohne Frage unter seinen Millionen-Verlusten leidet und die nötigen Aufträge der Energieversorger in Deutschland lange Zeit ausgeblieben sind, wird eines immer deutlicher: Der Markt dreht sich. Alle Experten sind sich darüber einig, dass in den kommenden 15 Jahren hierzulande mindestens 40 neue Großkraftwerke gebaut werden. Die Unternehmensberatung Boston Consulting hat ermittelt, dass die Branche schon heute 23 Anlagen fest geplant hat. Das alles sind keine theoretischen Gedankenspiele: Alstom hat bereits die Aufträge für zwei RWE-Kraftwerke - eines davon ist die größte Investition aller Zeiten für die Essener - fest in der Tasche. Mannheim bekommt also wieder Arbeit. Diese neue Lage sollte Schwung in die Verhandlungen bringen, die eigentlich schon im August abgeschlossen werden sollten. Schließlich gibt es ihn, den dringend benötigten Kompromiss, der es beiden Seiten ermöglicht, ihr Gesicht zu wahren: Auf der einen Seite ein deutlich geringerer Stellenabbau als die vom Management geforderten 450 Arbeitsplätze. Auf der anderen Seite die vorzeitige Kündigung der Betriebsvereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen eigentlich bis 2007 ausschließt. Sie für den Erhalt von einigen Hundert Arbeitsplätzen zu opfern, darf kein Sakrileg sein. Denn das Letzte was Alstom in Mannheim gebrauchen kann, ist die Fortsetzung der Hängepartie.
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