Guten Morgen !
Ich hatte am Mittwoch die Gelegenheit, die HV der Vossloh AG zu besuchen und würde gerne- etwas verspätet- meine Eindrücke von dort kurz schildern:
1) Herr Thiele hat noch einmal sehr deutlich gesagt, dass er nicht plant, Vossloh von der Börse zu nehmen und auch eine wie auch immer geartete "Verschmelzung" mit Knorr Bremse ist nicht geplant- dazu gibt es zwischen den beiden Unternehmen einfach zu wenig Synergien.
2) Ungewöhnlich war in jedem Fall, dass auf Antrag diverser Aktionäre die Entlastung des früheren Vorstands (Andree und Schiedeck), der ja in 2014 auch noch einige Monate tätig war, zunächst verschoben wurde- dafür wurde extra die Tagesordnung geändert, was dann sehr zeitaufwendig war. Dass diese Anträge gestellt worden sind, war aber nach den doch recht massiven Vorwürfen von Vorstand und Aufsichtsrat gegen den früheren Vorstand nicht wirklich überraschend war. Ich persönlich fand das schon ziemlich grenzwertig, denn der alte Vorstand war auf der HV ja nicht anwesend und konnte sich und seine (auch objektiv derzeit) nicht greifende Strategie der Geschäftsausweitung nicht verteidigen. Ich habe jedenfalls z.B. Herrn Andree, der ja viele Jahre für Vossloh tätig war, zunächst als CFO und dann als CEO, immer als sehr kompetenten und besonnenen Manager erlebt und geschätzt.
3) Herr Thiele und auch der Vorstand haben auf der HV mehrfach darauf hingewiesen, dass Vossloh zu Beginn des Jahres 2014 eine Art "Sanierungsfall" gewesen ist (hohe Verschuldung, geringe Margen im Geschäft, offenbar auch mangelnde Investitionen- Herr Schabert hat wohl in den 90er Jahren den Verkauf des Lokomotivenwerks in Kiel für die Firma Siemens mitverhandelt- nun hat er das Werk erneut besucht und berichtete auf der HV, dass er dieses im Prinzip unverändert und in keiner Weise modernisiert vorgefunden hat). Deshalb habe man handeln müssen. Herr Thiele war auch der Auffassung, dass der derzeitige Börsenkurs der Aktie und die entsprechenden Empfehlungen der Analysten sicher schon eine Menge "Vorschusslorbeeren" enthalten würden, denn die "Transformation" von Vossloh sei noch lange nicht abgeschlossen und werde noch bis 2017 andauern.
4) Eine Dividende wird es, so habe ich das herausgehört, auch für das laufende Jahr wohl eher nicht geben. Grundsätzlich sieht sich Vossloh zwar als Dividendenwert, aber diese muss immer wieder gegen Investitionsnotwendigkeiten bzw. Schudlenabbau abgewogen werden und in der Phase der Transformation sind diese beiden "Möglichkeiten" dann eben strategisch höher einzuschätzen.
5) Warum wird im Bereich Transportation noch so viel investiert und Organisatorisches geändert, wenn man den Bereich doch veräußern will? Das hat nichts mit "aufhübschen" zu tun, sondern damit schafft sich Vossloh Flexibilität hinsichtlich des Verkaufszeitpunkts. Wenn man durch die eingeleiteten Maßnahmen (u.a. Konzentration bei Kiepe auf die "Wurzeln" also die elektrische Ausstattung von Bussen und Bahnen oder (sehr wichtig), die Kapazitätsbeschränkungen beim Lokomotivenwerk in Kiel bei gleichzeitiger Umstellung der Produktion von individuell nach Aufträgen gefertigten Lokomotiven auf Standardprodukte mit mehreren Gleichteilen) dafür sorgen kann, dass sich der Bereich Transportation von den erheblichen Verlusten der Vergangenheit erholt und wieder ausgeglichene oder sogar positive Ergebnisse erzielt (und da sieht man sich auch kurzfristig auf einem guten Weg), dann wird das nicht nur den Wert der Sparte steigern, wovon man durch einen höheren Verkaufserlös profitieren wird sondern der Druck, die Sparte möglichst schnell verkaufen zu müssen, wird auch deutlich geringer.
6)Ebitmarge: Die Marge leidet bis mindestens 2016 durch die langlaufenden aber margenmäßig aüßerst unattraktiven Projekten, die in den letzten Jahren in großer Zahl in den Auftragsbestand übernommen worden sind. Da aus diesen Projekten keine oder sogar eine negative Marge erzielt wird, leidet die Marge des Gesamtkonzerns mit.
7) neue Finanzierung: Man hat Anfang des Jahres 2015 eine neue Finanzierung mit verschiedenen Banken abgeschlossen, die günstiger ist als das dadurch abgelöste US Private Placement. Dadurch spart man sich unterhalb des Ebits natürlich Zinsaufwand. In 2014 hat man dafür einen einmaligen Aufwand von (ich meine) 7 Mio Euro in Kauf nehmen müssen (Vorfälligkeitsentschädigung für die Ablösung des US PP), dafür wird es demnächst etwa 5 Mio Euro weniger Zinsaufwand jährlich geben. Das neue Darlehen wurde für 3 Jahre abgschlossen und kann auch vorzeitig umfinanziert werden. Ich hatte dabei den Eindruck, dass der CFO hofft, mit fortschreitender "Gesundung" Vosslohs noch günstigere Konditionen zu bekommen, deshalb war er mit der recht kurzen Laufzeit von drei Jahren auch "sehr zufrieden" (kleine Ergänzung: Da es in 2015 auch noch für ein paar Monate eine noch günstigere sehr kurzfristige Brückenfinanzierung gegeben hat, die dann durch den 3-Jahres-Kreditrahmen abgelöst wurde) könnte es sein, dass der Zinsaufwand 2015 noch um etwas mehr als um 5 Mio Euro günstiger liegt).
8) Aquisitionen: Zur Strategie von Vossloh gehören auch ganz klar Übernahmen. Durch den Verkauf bzw. die Einbringung der Transportationsparte gewinnt man für die verbliebenen Bereiche erst einmal Managementkapazitäten aber eben auch finanzielle Möglichkeiten. Dabei ist es aber zu beachten, dass man, angesichts der derzeit doch eher miesen finanziellen Situation (massive Schulden, geringes EK) zunächst einmal auch an die Konsolidierung der Finanzen gedacht werden muss. Ich interpretiere das so, dass man zunächst einmal den Bereich Transportation "abgewickelt" haben muss, bevor man dann größere Übernahmen vornimmt- und auch dann wird das erlöste Geld aus dem Verkauf wohl nicht komplett zur Verfügung stehen.
Trotzdem sollen alle drei Bereiche nicht nur organisch wachsen.
9) Vielleicht generell noch einmal zur Strategie: Herr Schabert hat die Aufteilung noch einmal gründlich erläutert. Vossloh wird drei Bereiche haben. a) Core Components: Dabei handelt es sich um die Schienenbefestigungen- also Volumengeschäft, bei dem es neben der vom Kunden als selbstverständlich vorausgesetzten Qualität eben auch auf den Preis ankommt. Hier hat Vossloh schon seit Jahren Kompetenzen und diverse Produktionsstätten, mit denen man flexibel und kundennah produzieren kann. b) Customized Modules: Darunter verbirgt sich das alte Weichengeschäft. Hier geht es also nicht um standardisierte Produkte sondern um Projektgeschäft. In jeder Weiche stecken zig Ingenieursstunden Arbeit (wusste ich gar nicht, ich dachte, eine Weiche wäre auch eine Art Standardprodukt aber dem scheint nicht so zu sein). c) Lifecycle Solutions: Also Schienenservice, wobei da das "High-Speed-Grinding", also das Hochgeschwindigkeitsschleifen mittels eines eigens entwickelten Zugs von Vossloh im Vordergrund stehen wird- vor allem die Internationalisierung dieses Angebots.
Alle drei Bereiche gehören zum Thema "Bahninfrastruktur", die nach Auskunft von Herrn Schabert nach allen Vorhersagen deutlich stärker wachsen wird als der Bereich "rolling stock".
10) China: Hier ist Vossloh mit sämtlichen Geschäftbereichen vertreten. Generell erwartet man bei Vossloh, dass der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecken weiter geht- es gibt wohl entsprechende Pläne des Transportministeriums- aber möglicherweise nicht mehr mit dem doch recht hohen Volumen der Vorjahre (allerdings hat man in Q2 einen Großauftrag für Schienenbefestigungen für eine weitere Hochgeschwindigkeitsstrecke gewonnen). Zudem bietet man auch Weiterentwicklungen an. So hat man in 2014/2015 mit einem JV Partner ein Werk zur "Kammerbefüllung" eröffnet. Mit der "Kammerbefüllung" wird erreicht, dass die Straßenbahnen leiser fahren können. Eine chinesische Stadt hat diese Technik schon getestet und ist sehr zufrieden (so da muss ich zugeben, dass ich derzeit keine Ahnung an, wer da wessen Kammer füllt und wie das dann technisch dazu führt, dass Straßenbahnen leiser werden- sorry, ich habs also nur so mitgeschrieben). Zum Thema Plagiate meinte der zuständige Vorstand (Herr Schenk), dass das früher mal ein sehr viel größeres Thema gewesen wäre und China heute ein großes eigeninteresse daran hat, Patente anzuerkennen und nicht nachzuahmen.
11) Russland: Ein Kernmarkt für Vossloh, der derzeit natürlich politisch schwierig ist. Man hat dort aber trotz der schwierigen Lage ein JV mit einer Tochter der russischen Staatsbahn zur Fertigung von Schienenbefestigungen gegründet. Dieses wird ab 2016 Schienenbefestigungen in den russischen Markt liefern. Zudem hat man noch eine Minderheitsbeteiligung von unter 10% am führenden russischen Weichenhersteller- derzeit sieht man das unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen auch nur als Finanzbeteiligung.
12) Rückstellungen: Die RS sind in der Bilanz stark erhöht worden. dabei handelt es sich vor allem um RS für die geplanten "Mitarbeiterfreistellungen" im Zuge des Umbaus der Vossloh AG und für Prtozessrisiken aus Kartellverfahren. Bei den Kartellverfahren gibt es aber auf der Aktivseite auch noch Forderungen an die Alteigentümer. Das "Nettorisiko" für Vossloh ist dementsprechend eher gering und liegt im einstelligen Millionenbereich. Daneben enthalten die RS auch erhebliche Beträge aus der Neubewertung von Projekten, bei denen man Verluste bzw. Nullmargen erwarten (soweit ich das rchtig erinnere, hat Herr Schuster ausdrücklich darauf verwiesen, dass man diese RS nicht als "Sonderaufwand" verbucht hat sondern als laufendes Geschäft- ohne Gewähr).
13) Q1: Das Q1 war ergebnismäßig eher schwach, lag aber nach Auskunft von Herrn Schuster noch über der Planung!!
Das liegt im Infrastrukturbereich daran, dass man im Winter eher wenig neue Schienen und Weichen verlegt und damit dort das Volumen fehlt.
Der Ergebnisrückgang insgesamt liegt aber vor allem daran, dass man die Bilanzierungsmethode bei länger laufenden Projekten geändert hat. Früher hat man nach der "Percentage of completion" Methode bilanziert- das heißt grob gesagt, dass man, wenn 20% eines Projekts abgearbeitet sind, man auch 20% des Gewinns ausgewiesen hat. Dies unterbleibt zukünftig, denn im Grundsatz führt das eben dazu, dass man, wenn man dann feststellt, dass es in einem Projekt entgegen den Erwartungen keinen Gewinn gibt, dann den bisher schon in den Vorquartalen bzw. Vorjahren gebuchten Gewinn, wieder "zurückholen" muss.
14) Noch ein kleines "Sammelsurium" an "Einzelnotizen": -Herr Thiele hat auf der HV eingeräumt, dass er inzwischen bei Vossloh einen dreistelligen Millionenbetrag verloren hat, weil er einen Großteil seiner Aktien deutlich oberhalb des derzeitigen Kurses gekauft hat. Ich denke mal, dass er schon einiges daran setzen wird, den Wert der Aktie wieder hochzubringen, denn dass ihn derarti hohe Verluste extrem ärgern, dürfte klar sein. - Herr Dr. Schabert hat ein sehr eindrückliches Schaubild zum Thema "Wie sich Vossloh früher im Bahntechnikmarkt verzettelt hat" gezeigt. Danach hatte Vossloh früher etwa 1% Weltmarktanteil am gesamten Bahntechnikmarkt, gleichzeitig hat man aber etwa 1/3 aller denkbaren Produkte in diesem Bereich im Produktangebot gehabt. - Der von den entsprechenden Experten geschätzte Wachstumsrate für die Bahninfrastruktur liegt in den nächsten Jahren bei durchschnittlich 3,8%, der Gesamtbahnmarkt wird dagegen "nur" mit einem Wachstum von 2,8% geschätzt- mithin konzentriert sich Vossloh nunmehr auf den attraktiveren Teil des Bahntechnikmarktes. - Man will die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen deutlich und nachhaltig erhöhen; hier hat man nach Aussage des Vorstands auch einen gewissen Nachholbedarf.
Alles in allem fand ich die Stimmung bei der HV nicht schlecht. Das war sicher auch der Tatsache geschuldet, dass es dem Vorstand sehr eindrucksvoll gelungen ist, sein Konzept glaubwürdig darzustellen und dass man sicher auch anerkennen muss, dass der Vorstand in kurzer Zeit auch schon einiges bewegt hat und klar gesagt hat, wo er strategisch hinwill. Dazu gehörte sicher auch die Tatsache, dass der Vorstand sich in der HV auch die Zeit genommen hat, die sehr zahlreichen Fragen der Aktionäre sehr ausführlich und eingehend zu beantworten- das ist nach meiner Erfahrung nicht immer der Fall!
Erkennbar ist, dass der Umbau bei Vossloh noch lange nicht beendet ist- aber man scheint auf einem guten Weg zu sein (auch was den Verkauf der Transportationsparte angeht). Wenn alles so klappt, wie sich der Vorstand das vorstellt- und die HV vermittelte den Eindruck, dass das auf einem guten Weg ist, dann wird Vossloh ein konzentrierter Bahninfrastrukturkonzern sein, der sicher gute Chancen auf den Weltmärkten hat (was sich ja auch der derzeitigen Position auf den Schwerpunktmärkten zeigt).
Kurze Ergänzung:
Ich habe das meiste aus der Erinnerung zitiert oder aus meinen Notizen zusammengesucht. Natürlich habe ich das nach bestem Wissen geschrieben aber ich kann ebenso natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit des Geschrieben geben.
Erst recht stellt der Artikel kein Kaufs- oder Verkaufsempfehlung dar.
Wer bei Vossloh investiert ist, muss sicher Geduld mitbringen. Die nächsten Jahre (2015 und 2016 und wohl auch noch bis in 2017 hinein) werden sicher noch erheblich durch die Aufräumarbeiten geprägt sein, die der Konzernumbau mit sich bringen. Ab 2017 könnte es dann bergauf gehen- auch befeuert durch dann vielleicht auch finanziell wieder mögliche größere Übernahmen.
Risiken gibt es aber sicher auch. Ich persönlich sehe das größte Risiko aber nicht darin, dass der Konzernumbau nicht gelingt sondern eher darin, dass man im Bereich Schienenbefestigungen meinem Eindruck nach, nicht ganz unwesentlich von den Ausbauplänen in China abhängig ist- was daran liegt, dass China extrem viel Geld in die Hand nimmt, um das Bahnwesen auszubauen. Einerseits kann sich Vossloh die Geschäfte dort nicht entgehen lassen, denn es sind nunmal hohe Volumina, andererseits fehlt das Volumen dann aber in der GuV, wenn China mal kein Geld mehr für den Ausbau investieren möchte oder kann. Dadurch, dass man die Anzahl der Geschäftsbereiche und Produkte reduziert wächst aber eben auch im Konzern (und bei dessen Zahlen) die Abhängigkeit von einzelnen Produkten wie den Schienenbefestigungen
Ob dann andere Länder einspringen, weiß man nicht. ich habe gestern in der SZ z.B. einen Artikel über die us-amerikanische Gesellschaft Amtrak gelesen, die auch gerne Hochgeschwindigkeitsstrecken (z.B. in Kalifornien) bauen würde, der aber vom republikanisch geprägten Senat (denen eine staatliche Gesellschaft genuin suspekt ist) die Mittel so gekürzt werden, dass Amtrak nicht mal dazu in der Lage ist, das bestehende Netz einigermaßen in Schuss zu halten. Wenn sich da nicht gewaltig was ändert, dann werden die USA z.B. nicht als "Nachfrageersatz" für China dienen können.
Deshalb auch wird es aus meiner Sicht entscheidend darauf ankommen, welche Bereiche aus der Infrastruktur man sich bei Vossloh näher anschaut, um damit das bestehende Produktportfolio in den drei Bereichen zu ergänzen. Bis dass diese Frage beantwortet wird, wird aber sicher noch ein wenig Zeit vergehen.
Für mich ist Vossloh daher derzeit eine Halteposition. Rein vom Ergebnis her, müsste die Aktie sicher niedriger im Kurs liegen- es ist aber eben auch zunehmend zu erkennen, wo die Reise hingehen soll und das wird sich, hoffe ich, auch zunehmend in den Zahlen ausdrücken. Der Vorstand scheint bei Anlegern und Analysten jedenfalls diesen Vertrauensvorschuss zu genießen- und nach der HV würde ich das ähnlich sehen.
Deshalb ist Vossloh für mich eine spannende Story.
Das alles ist aber nur meine Sicht und keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf der Aktie!
Einen schönen Tag noch
HutaMG |