Das Gericht hat die Beschneidung verboten,wenn keine medizinische Indikation vorliegt und der Junge minderjährig ist. Eine Beschneidung _ohne medizinischen Sinn_ ist nach unserer Rechtsordnung zunächst einmal eine Körperverletzung. Religiöse Vorschriften treten auch in anderen Fällen im Rang gegenüber staatlichen Regelungen zurück. Das ist auch sinnvoll. Es gibt Religionsgemeinschaften, deren Mitglieder auch manche medizinisch gebotenen Operationen und Bluttransfusionen aus religiösen Gründen grundsätzlich ablehnen. Kaum jemand hat sich bisher darüber ereifert, dass es bei uns strafbar sein kann, wenn diese Eltern ihren Kindern deshalb eine ärztliche Behandlung verweigern. Kein vernünftiger Mensch bei uns würde eine erzwungene Witwenverbrennung billigen, auch nicht, wenn sie als religiöse Pflicht dargestellt würde.
Man kann sich allerdings fragen, ob eine Beschneidung in jungen Jahren nicht zur Vermeidung späterer Erkrankungen sinnvoll ist. Dies wäre dann eine medizinische Indikation. Aus diesem Grunde wird in den USA auch bei sehr vielen Jungen beschnitten, die weder Muslime noch Juden sind. Die Meinungen darüber, ob das wirklich sinnvoll ist, sind aber auch in den USA unterschiedlich. Es gibt Fälle, in denen Jungen später ihren Eltern diese Beschneidung vorwerfen.
Die Angelegenheit wird in Deutschland vermutlich dadurch geregelt werden, dass die Rechtsprechung eine mögliche medizinische Notwendigkeit aus Gründen der Prophylaxe annehmen wird. Damit läge eine medizinische Indikation vor und eine Beschneidung wäre zulässig. Hätten die Beklagten mit dieser (angeblichen oder tatsächlichen) medizinischen Notwendigkeit argumentiert, wäre es vermutlich gar nicht zu diesem Urteil gekommen. Denn dann hätte das Gericht einen Ermessensspielraum gehabt. |