Deine Aussage ist im Grunde richtig, oder besser gesagt, richtiger als die von Tradingman. Denn der Markt diskontiert alles. Nur deshalb ist es möglich, dass er der Realwirtschaft um ca. ein halbes Jahr voraus eilt (Extremphasen ausgeschlossen). Es werden Erwartungen gehandelt und je näher die Erwartung der Realität kommt, wird sie zum bewegenden Ereignis. 90% Psychologie stecken da schon drin, das wusste schon Kostolany.
ABER: dein Satz "Die Charttechnik versucht nun, diese Verschiebung vorauszusehen, und eben das kann nur funktionieren, wenn genug Leute nach der Charttechnik vorgehen." ist auch falsch!
Wenn genug Leute nach der Charttechnik agieren, hört sie eben auf zu funktionieren. Der Großteil steht dann auf der gleichen Seite des Marktes, aber auf der Gegenseite können nicht genug Teilnehmer diese Erwartung bedienen. Die ersten der Charttechniker werden deshalb nervös und steigen schon früher in den Markt ein, dann werden die nächsten nervös und blub stehen alle auf der falschen Seite. Ein anderes Phänomen, dass ich schon sehr häufig erlebt habe, ist das Scheitern von perfekten Chartformationen. Auch das ist leicht erklärbar. Wenn eine Formation so perfekt ist, dass sie selbst die Omma von nebenan erkennen würde und (und das ist wichtig) auch tradet, gibt es bei der Auslösung des Handelssignals einen großen Satz in die gewünschte Richtung. Der Großteil der Marktteilnehmer freut sich. Und dann? Dann gibt es zu wenige Markteilnehmer, die die eingeschlagene Richtung durch ihr Geld weiter unterstützen könnten. Die Gegenseite hat temporär ein Übergewicht. Der Kurs steigt über/unter den Einstiegskurs der Charttechniker. Die ersten werden nervös und blasen in das selbe Horn, die meisten Investierten hoffen allerdings noch, dass doch noch alles gut wird. Leider ist aber Hoffnung ein schlechter Berater an der Börse. Immer mehr werden nervös, der Kurs läuft weiter gegen die Charttechniker, wodurch mehr nervös werden, ein Teufelskreislauf. Irgendwann müssen auch die letzten Einsehen, dass die Formation nicht mehr zu ihren gunsten aufgelöst wird. Deswegen sind ja Bullen- und Bärenfallen, zu denen die perfekten Chartformationen dazu gehören, so gefährlich, weil sich plötzlich und unerwartet sehr viele Marktteilnehmer auf einer Seite befinden, die meisten von Ihnen leider von der falschen Seite zurückkehrend.
patzi |