http://www.wiwo.de/unternehmen-maerkte/...-fur-die-windk-raft-326018/ Solarenergie Spott fur die Windkraft WOLFGANG KEMPKENS 13.08.2003 Ein Erlanger Unternehmen will sonnenverwöhnte Länder mit konkurrenzfähigen Solarkraftwerken versorgen.
Einst arbeiteten hunderte Menschen auf der Insel Neumühl im Flüsschen Pegnitz: in einer Spiegelfabrik, einer Gießerei, bei einem Blattgoldhersteller und in einem Wasserkraftwerk. Heute hat die Natur einen großen Teil der Insel auf dem Stadtgebiet von Erlangen zurückerobert. Die meisten Gebäude stehen leer. In einigen regt sich jedoch wieder Leben, ganz am Ende der schmalen Zufahrtstraße etwa. Dort hat die Solar Millennium AG ein ehemaliges Verwaltungsgebäude grundsaniert und zum Firmensitz ausgebaut. Von dort aus schickt sie sich an, den Sonnengürtel der Welt mit Solarkraftwerken zu überziehen, die Strom ähnlich preiswert herstellen wie Kohle- und Kernkraftwerke. Das erste Projekt, zwei 50-Megawatt-Anlagen in Andalusien, ist fertig geplant und steht unmittelbar vor der Bauentscheidung.
„Ein wunderbares Umfeld“, sagt Helmut Pflaumer, ehemaliger Quelle-Vorstand und heute Aufsichtsratsvorsitzender von Millennium. Der Blick aus dem Fenster fällt auf mächtige alte Bäume. „Hier kann man Kreativität entwickeln.“ Ein Ergebnis dieser Entwicklung findet sich in der kalifornischen Mojavewüste. Im dortigen Solarkraftwerkspark, mit 352 Megawatt der weltweit mit Abstand größte, hat Millennium zwei der vielen Spiegelreihen, die die solare Wärme konzentrieren, durch eine Eigenkonstruktion ersetzt. 3,4 Millionen Euro hat das gekostet. Angesichts von 13 Millionen Euro, die die – noch nicht börsennotierte – Solar Millennium AG bisher von ihren rund 1000 Kleinaktionären einsammelte, eine leicht verkraftbare Investition, zumal das Bundesumweltministerium 50 Prozent der Summe übernahm.
Sechs Meter messen die jeweils 300 Meter langen Spiegelrinnen von der Unter- bis zur Oberkante. In der Brennlinie verläuft ein Glasrohr, durch das ein Thermoöl zirkuliert. Es erhitzt sich auf 400 Grad Celsius. Die Energie wird genutzt, um Wasser in Dampf zu verwandeln, der per Turbogenerator Strom erzeugt. Damit keine solare Wärme verschenkt wird, werden die Spiegelrinnen der Sonne nachgeführt.
Die Hydraulik, mit der sich die gewaltigen Spiegel bewegen lassen, und die Gestelle, an denen sie befestigt sind, haben sich die Erlanger ausgedacht. Sie sind so konstruiert, dass sie sich mit wenig Aufwand montieren lassen, eine entscheidende Voraussetzung zur Reduzierung der Investitionskosten. „Früher wurde geschweißt und geschraubt, um die Rinnen zu befestigen. Heute werden sie nur noch angeklemmt“, so Henner Gladen, Technik-Vorstand der Firma.
Dass die Betreiber der Solaranlage in Kalifornien den Mannen von der Pegnitz-Insel alle Türen öffneten, verdanken diese einem Unternehmen aus Köln. Die Flachglas Solar (später Flabeg International) lieferte alle Spiegel für das Parabolrinnenkraftwerk, einige hunderttausend an der Zahl. In einem Joint Venture, der Flaxol GmbH, haben die Unternehmen ihr Solar-Know-how gebündelt. Mit im Boot sitzen Schott Rohrglas, Hersteller des gläsernen Rohrs, durch das das Thermoöl zirkuliert, das Stuttgarter Bauingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner, das für die Statik zuständig ist, und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das selbst eine Testanlage im spanisch-deutschen Solarfoschungszentrum Plataforma Solar di Almería betreibt. „Zusätzlich suchen wir für jedes Projekt ein einheimisches Unternehmen, etwa eine große Baufirma, die einen Teil der Arbeiten ausführt und sich finanziell beteiligt“, sagt Millennium-Vorstandschef Klaus Grethe. „Erfolg versprechende Gespräche laufen mit einem der größten spanischen Baukonzerne.“
Während die Solar Millennium schon seit Jahren Projekte in Indien, Jordanien, Ägypten, Mexiko und Marokko verfolgt, ohne recht von der Stelle zu kommen, soll das Genehmigungsverfahren in Andalusien im Südwesten Spaniens noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. 2004 könnte dann der Bau beginnen. Mit der Red Eléctrica de España steht auch der Abnehmer des Stroms fest. Die Grundstücke für die beiden Anlagen hat Millennium bereits erworben, und das spanische Parlament hat mit einem Stromeinspeisegesetz die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich die Investition lohnt. Die Stromerzeugungskosten liegen bei 13 Cent pro Kilowattstunde. Die Betreiber erhalten 16 Cent. Das ist zwar deutlich mehr als Strom aus konventionellen Kraftwerken kostet. Doch in Deutschland wird Solarstrom mit knapp 50 Cent pro Kilowattstunde weitaus üppiger subventioniert. Außerdem glauben die Erlanger, die Kosten mittelfristig auf fünf bis sechs Cent drücken zu können. Das wäre kaum mehr, als Strom aus konventionellen Kraftwerken kostet.
Millennium baut zunächst – ein wenig zeitversetzt – zwei 50-Megawatt-Kraftwerke, die sogar Strom produzieren, wenn die Sonne hinter Wolken steckt oder untergegangen ist. Dann wird die Energie aus einem 25 000 Tonnen fassenden Behälter bezogen, in dem sie per Wärmetauscher eingelagert wurde. Er ist mit einer flüssigen Nitratsalzmischung gefüllt. Die Zwischenspeicherung ermöglicht einen Betrieb fast rund um die Uhr. „Wir können mit 98-prozentiger Sicherheit vorhersagen, wann wir nicht produzieren, sodass andere Kraftwerke rechtzeitig angefahren werden können“, verspricht Grethe und spottet über die Windkraftanbieter: „Wenn der Wind plötzlich zum Orkan wird, schalten alle mit einem Schlag ab.“
Jedes Kraftwerk braucht eine Fläche von 1,5 Quadratkilometern, das entspricht gut 200 Fußballfeldern. Darauf werden jeweils 510 000 Quadratmeter Spiegelfläche installiert. Die Kollektorrinnen in jedem Kraftwerk haben eine Länge von knapp 50 Kilometern. Sie sind in 156 Module mit einer Länge von jeweils 300 Meter aufgeteilt: Jede der Anlagen kostet rund 190 Millionen Euro. Deutsche und spanische Banken sollen die Projekte finanzieren. Für Grethe ist das erst der Anfang. Der Standort in Andalusien bietet Platz für ein Dutzend zusätzliche Anlagen. Interessiert ist auch Algerien, das heute noch Strom aus Spanien importiert.
Grössere Erwartungen haben die Franken in Amerika. In Kalifornien, Nevada, Arizona und New Mexico sind Erneuerbare-Energien-Gesetze verabschiedet worden oder stehen kurz davor, die einen stärkeren Einsatz von Sonne, Wind und Biomasse zur Stromerzeugung erzwingen. In Kalifornien soll der Anteil, der heute zwölf Prozent beträgt, bis 2006 auf 17 und bis 2010 auf 20 Prozent steigen. Millennium konkurriert hier mit Solargenix Energy, das von Mitarbeitern des in Konkurs geratenen israelischen Unternehmens Luz gegründet wurde. Luz hat die kalifornischen Parabolrinnenkraftwerke mit deutschen Unternehmen gebaut. Solargenix aus Raleigh im US-Bundesstaat North Carolina hat bereits den Auftrag, bis 2005 in Nevada ein 50-Megawatt-Solarkraftwerk zu errichten.
Grethe glaubt dennoch, die besseren Karten zu haben: „Wir sind die Einzigen, die das komplette Know-how haben.“
Wolfgang Kempkens |