Berlin - Der Rosenkrieg bei Solar Millennium hat den Aktienkurs am Dienstag nochmals einbrechen lassen. Vormittags ging es um fast elf Prozent nach unten, später stabilisierte sich der Kurs bei 18 Euro. Vorausgegangen war ein Schlagabtausch zwischen dem Unternehmen und seinem vor zwei Wochen zurückgetretenen Vorstandschef Utz Claassen. Im Raum steht der Vorwurf ungewöhnlicher Finanzbeziehungen und Bilanzierungen.
Der Tagesspiegel hatte Claassen am Dienstag mit den Worten zitiert, es sei „eindeutig beweisbar“, dass dem Unternehmen seine in einem 27-seitigen Dossier zusammengetragenen „relevanten Abläufe, Vorgänge und Hintergründe“ bekannt seien. Zudem bestritt er, Solar Millennium noch vor kurzem hervorragende Zukunftsaussichten attestiert zu haben. Das Unternehmen hatte das behauptet und ihn aufgefordert, ihm das Dossier zur Verfügung zu stellen. Ausgangspunkt war ein am Montag erschienenes Tagesspiegel-Interview mit Claassen. Darin legte er dem Unternehmen nahe, ihn von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, um die Gründe seines Rücktritts öffentlich machen zu können. Nach nur 74 Tagen im Amt hatte er den Erlanger Entwickler von solarthermischen Kraftwerken plötzlich verlassen.
Während die Auseinandersetzung zwischen Solar Millennium und Claassen am Dienstag keine Klarheit für Aktionäre schaffte, scheint die Justiz voranzukommen. Die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen Verantwortliche des Unternehmens stehen kurz vor dem Abschluss. Ob das Verfahren eingestellt oder ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, solle im Laufe des April entschieden werden, erklärte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage.
Die Behörde prüft den Vorwurf der unrichtigen Darstellung oder Verschleierung in mehreren Jahresabschlüssen. Erhoben hat ihn ein Münchner Steuerberater in einer Strafanzeige. Für einen Mandanten, der sich für eine Anleihe von Solar Millennium interessierte, hatte er die Jahresabschlüsse untersucht. Demnach soll Solar Millennium mehrere Beteiligungen nicht wie ausgewiesen an Investoren, sondern an eigene Tochterunternehmen verkauft haben. In der Strafanzeige wird auch der Verkauf einer Beteiligung an eine Schweizer Firma kritisch beurteilt. Solar Millennium hat bereits eine Sonderprüfung der Abschlüsse veranlasst.
Das Handelsgesetzbuch sieht für unrichtige Darstellung oder Verschleierung bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe vor. Claassen hält den Vorwurf offenbar nicht für strafrechtlich relevant. „Gesicherte Anhaltspunkte über strafbare Handlungen“ habe er nicht, sagte er in dem Tagesspiegel-Interview. Da seine Amtszeit erst Neujahr begonnen hatte, richtet sich die Ende Dezember erhobene Anzeige nicht gegen ihn, sondern gegen insgesamt vier ehemalige und amtierende Vorstände sowie Aufsichtsrat Hannes Kuhn. Der Steuerberater aus Erlangen ist einer der Gründer des Unternehmens. Moritz Döbler
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 31.03.2010) |