Quelle: http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEBEE85403920120605
Bundesregierung will bei Energiewende ehrlicher werden
Dienstag, 5. Juni 2012, 18:25 Uhr
Berlin (Reuters) - Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler will die Kostentreiber bei der Energiewende auf den Prüfstand stellen.
Alle Beteiligten sollten sich zusammensetzen und überlegen, ob an den geltenden Mechanismen, etwa zur Solarförderung, nicht Änderungen vorgenommen werden könnten, sagte der FDP-Politiker am Dienstag in Berlin. Die Debatte um Belastungen auch für die Verbraucher müsse zudem ehrlicher werden, forderte Rösler. Um wie viel der Strom teurer werde, könne er zwar noch nicht sagen, erklärte Rösler. Günstiger werde es aber keinesfalls. "Wir diskutieren über Strompreise nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Menschen." Rösler warnte, es dürfe nicht dazu kommen, dass am Ende vor allem die "normalen Menschen" und die mittelständischen Firmen die Mehrkosten tragen müssten.
Auch der neue Umweltminister Peter Altmaier forderte mehr Ehrlichkeit in der Diskussion über die Konsequenzen der Energiewende. Beide Minister verwahrten sich aber gegen die pauschale Kritik aus der Wirtschaft, die Regierung sei ein Jahr nach dem Beschluss zur Energiewende bei diesem "historischen Projekt" kaum vorangekommen. Einig waren sich die Minister in ihrer Ablehnung, einen zentralen "Energiemanager" oder ein eigenes Energieministerium zu schaffen, bei dem alle Kompetenzen zusammenlaufen. "Was sie erwarten können, ist, dass die Bundesregierung zusammensteht", versprach Rösler.
Rösler forderte vor allem mehr Ehrlichkeit in der Debatte. "Wenn wir nicht eine ehrlichere energiepolitische Debatte führen als in den letzten zwölf Monaten, wird es eher schwieriger als einfacher." Das gelte insbesondere für den Strompreis. Wenn die großen Industrieunternehmen aus Wettbewerbsgründen vor zu hohen Strompreisen geschützt werden sollten und dazu die Einkommensschwachen durch Subventionen entlastet würden, bedeute dies, dass am Ende der Mittelstand und die Mittelschicht das Gros tragen müssten. "Das kann man machen. Das wird aber am Ende dazu führen, dass die Akzeptanz sinkt bei den ganz normalen Menschen."
Mit Blick auf die Förderung des Solarstroms und anderer erneuerbarer Energien sprach sich Rösler dafür aus, das bestehende Instrumentarium zu überdenken und "weiterzuentwickeln". Man sollte sich zusammensetzen, "sich tief in die Augen blicken" und überlegen, ob man den einen oder anderen Mechanismus nicht ändern sollte. "Ich finde, es lohnt sich, darüber nachzudenken", sagte Rösler.
ALTMAIER GIBT SICH ÜBERZEUGT VOM GELINGEN DER ENERGIEWENDE
Altmaier versprach, die Bundesregierung werde bei diesem historische Projekt an einem Strang ziehen. "Ich bin überzeugt, dass es gelingt." Ob und wie die Energiewende laufe, entscheide auch über den deutschen Ruf in der Welt, führende Technologiemacht zu sein.
Ihn beunruhige, dass es zum Ausbau erneuerbarer Energien in jedem der 16 Bundesländer ein eigenes Konzept gebe, sagte der Minister weiter. "Die müssen wir jetzt unter einen Hut bringen, verbunden mit dem Ausbau der Netze." Auch Altmaier will "auf die Instrumente des Marktes setzen, wo immer der Markt uns helfen kann." Deutliche Fortschritte gebe es beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Was man sich aber nicht leisten könne, sei, aus Gründen der Versorgungssicherheit eine parallele Struktur von erneuerbaren Energiequellen und fossilen Kraftwerken zu unterhalten.
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, appellierte an die Länder, die Zuständigkeit für neue überregionale Höchstspannungsnetze an den Bund abzutreten. Anders könne er sich die Beschleunigung beim Netzausbau nicht vorstellen. Der DGB kritisierte, auch ein Jahr nach den Beschlüssen zur Energiewende fehle es der Regierung noch an der richtigen Umsetzungsstrategie. "Sie stockt und stottert", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel. |