Zahlreiche neue Wirkstoffe versprechen hohe Wachstumsraten im Geschäft mit Krebsmedikamenten. Gleichzeitig wächst aber auch der Konkurrenzkampf auf dem Gebiet und damit indirekt auch das wirtschaftliche Risiko für die dort engagierten Pharmahersteller.
Dieser Trend zeichnet sich auf dem weltweit wichtigsten Meeting der Krebsforscher ab, der diesjährigen Konferenz der American Society for Clinical Oncology (ASCO).
Weltweit befinden sich nach Schätzung der Schweizer Investment-Gruppe Adamant inzwischen immerhin mehr als 400 neue Krebsmedikamente in der klinischen Entwicklung.
Ein typisches Beispiel für den wachsenden Wettbewerb auf dem Feld ist der Bereich Nierenkrebs, eine Erkrankung, für die es vor wenigen Jahren noch kaum Medikamente gab. Ende 2005 erhielten in den USA gleich zwei neuartige Wirkstoffe eine Zulassung, die Mittel Sutent von Pfizer und Nexavar von Bayer und dem Partner Onyx. Doch schon in naher Zukunft dürften weitere Nierenkrebsmedikamente folgen. So konnte zum Beispiel der US-Konzern Wyeth mit relativ guten Daten für einen neuartigen Wirkstoff aufwarten, der sich in der abschließenden Phase III der klinischen Studien befindet.
Gerade GPC Biotech liefert besonders gute Kaufargumente – und die Company hat auf dem aktuellen Kursniveau das größte Potenzial nach oben. Das Unternehmen wird für den Hoffnungsträger Satraplatin noch im Juni Nachrichten liefern. Die Tablette soll als Zweittherapie gegen hormon-resistenten Prostatakrebs bis zum Jahresende die entscheidenden klinischen Resultate liefern.
Leidtragender der neuen Konkurrenz könnte unter Umständen Bayer mit dem Wirkstoff Nexavar sein. Das Mittel zeigte zwar ebenfalls relativ gute Daten. Sie werden von Analysten aber als schwächer eingestuft als die von Sutent oder des neuen Wyeth-Wirkstoffs. Angesichts der starken Konkurrenz müsse man die Umsatzerwartungen für Nexavar im Bereich Nierenkrebs (von bisher 312 Mill. Euro) womöglich nach unten korrigieren, kündigte Oliver Kämmerer von der WestLB an.
In der Therapie von Brustkrebs schickt sich die Gruppe Glaxo-Smithkline an, mit ihrer Neuentwicklung Tykerb dem erfolgreichen Roche-Produkt Herceptin Marktanteile streitig zu machen. Im Bereich der Leukämie-Behandlung dürfte der Novartis-Bestseller Glivec Konkurrenz erhalten durch einen neuen Wirkstoff des US-Konzerns Bristol-Myers Squibb. Für dessen Medikament Dasatinib gaben vor wenigen Tagen Berater der US-Zulassungsbehörde FDA grünes Licht. In der Darmkrebsbehandlung hofft sich Amgen demnächst ein Stück vom prächtig wachsenden Kuchen abzuschneiden, den sich bisher Roche, Sanofi und BMS/Merck KGaA teilen.
Das Getümmel in der Krebsforschung ist Ergebnis einer Neuorientierung in der Pharmabranche seit Ende der Neunzigerjahre. Angesichts relativ zügiger Fortschritte in der Molekularbiologie und im Verständnis von Krebserkrankungen war es für viele Pharmafirmen plötzlich interessant geworden, auf einem Gebiet zu investieren, das zuvor nur mäßige Anziehungskraft ausübte. Die Krebsbehandlung avancierte seither zu einer Top-Kategorie für die Industrie. Im vergangenen Jahr stiegen die Umsätze in dem Bereich nach Daten des Marktforschungsunternehmens IMS Health um 19 Prozent auf knapp 29 Mrd. Dollar. Ein großer Teil entfällt dabei auf Präparate, die lediglich die Nebenwirkungen von aggressiven Chemotherapien mildern. Für die kommenden Jahre sagt IMS Wachstumsraten von etwa 18 Prozent voraus. Bis 2010 dürfte sich der Krebs-Pharmamarkt verdoppeln, wobei vor allem neuartige zielgerichtete Wirkstoffe ihren Anteil deutlich ausbauen werden.
Mit Abstand führender Akteur auf diesem Gebiet ist der Schweizer Roche-Konzern mit seiner US-Mehrheitsbeteiligung Genentech. Zu den Pionieren zählt ferner Novartis mit dem äußerst erfolgreichen Leukämiemittel Glivec. Darüber hinaus drängen inzwischen zahlreiche andere Pharmahersteller in das Segment, darunter zum Beispiel Bayer und der Fusionspartner Schering, Merck KGaA, BMS, Glaxo-Smithkline oder Eli Lilly. Die britische Astra-Zeneca, die bisher vor allem mit hormonbasierten Krebsmitteln im Geschäft ist, schluckte vor kurzem die Biotechfirma CAT – vor allem, um stärkeren Zugang zur Antikörper-Technologien zu erhalten, die in der Krebsbehandlungen eine zusehends prominentere Rolle spielen. In eine ähnliche Richtung zielt der US-Konzern Amgen mit dem Kauf von Abgenix.
Neue Krebstherapie
Kombination: Moderne, zielgerichtete Krebsmittel zeichnen sich durch neue Wirkmechanismen und geringere Nebenwirkungen aus. Eine große Chance für Ärzte und Hersteller besteht dabei darin, diese Mittel zusätzlich oder zusammen mit klassischen Chemotherapien einzusetzen. Auch die Kombination von mehreren neuartigen Wirkstoffen gilt als möglicherweise interessante Bereicherung für die Krebsbehandlung.
Kosten:
Die neuen Wirkstoffe gehören zu den teuersten Produkten auf dem Pharmamarkt. Eine offene Frage bleibt daher, in welchem Umfang die Gesundheitssysteme die Flut an neuen hochpreisigen Krebsmedikamenten verkraften können. Experten gehen daher davon aus, dass es mittelfristig zu Preisrestriktionen kommen wird. Auch die Eigenbeteiligung der Patienten an den Behandlungskosten könnte steigen.
Neue Krebstherapie von Siegfried Hofmann |