Karlsruhe vertröstet Lottovermittler von Annette Berger (Hamburg) Private und staatliche Lottovermittler streiten sich bereits seit Jahren - für den heutigen Dienstag wurde ein wichtiges Urteil erwartet. Doch dann kam die überraschende Nachricht aus Karlsruhe - der Richterspruch wird verschoben.
Eine knappe, siebenzeilige Reuters-Meldung informierte am Dienstagvormittag: Der Lotto-Verkündungstermin beim Bundesgerichtshof (BGH) soll nun am 14. August stattfinden. Warum kurzfristig ein neuer Termin angesetzt wurde, ist unklar - auch auf Anfrage waren keine Details vom Gericht zu bekommen. Damit müssen sich die Lottogesellschaften weitere fünf Wochen gedulden.
Ist es in Ordnung, wenn Lottogesellschaften gewerbliche Glücksspielvermittler boykottieren? Darüber muss der BGH entscheiden. Kern des Verfahrens ist eine Verfügung des Bundeskartellamts: Die Wettbewerbshüter hatten 2006 den staatlichen Lottogesellschaften untersagt, per Boykott gegen gewerbliche Vermittler wie Faber oder Jaxx - damals noch Fluxx - vorzugehen.
Entzündet hatte sich der Streit an einem Versuch der Privaten, ihre Angebote nicht nur - wie bisher - über Internet oder per Post zu vertreiben, sondern auch über Annahmestellen in Kaufhausfilialen und Tankstellen. Die Reaktion des Deutschen Lotto- und Toto-Blocks war heftig: Er rief die Lottogesellschaften dazu auf, Umsätze gewerblicher Vermittler aus diesem "terrestrischen" Vertrieb nicht anzunehmen. Die Lottogesellschaften selbst unterhalten bundesweit rund 25.000 Annahmestellen - und wollen unliebsame Konkurrenz verhindern. Recht hat sich seitdem geändert
Die Auseinandersetzung zwischen staatlichen und privaten Lottovermittlern eskalierte, für das Kartellamt war die Sache jedoch klar: Der Boykott verstoße gegen deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht, entschieden die Kartellwächter 2006. Das Oberlandesgericht Düsseldorf schloss sich dieser Lesart an.
Nun liegt der Fall in Karlsruhe. Was auf den ersten Blick auch für Außenstehende gut nachvollziehbar erscheint, ist jedoch verzwickt. Denn egal, wie der BGH entscheidet - die Rechtslage hat sich seit damals geändert. Seit dem 1. Januar gilt der Glücksspielstaatsvertrag, der nach offizieller Lesart geschlossen wurde, um die Spielsucht der Tipper zu bekämpfen. Kritiker bemängeln, der Vertrag dränge gewerbliche Glücksspielvermittler zurück.
Lottogesellschaften müssen seit Januar darauf achten, den Vertrieb ihrer Angebote nicht zu sehr zu pushen. Werbung soll zurückhaltend sein - eben, damit kein schwacher Charakter zum Zocken verführt wird. Nur dieser Kampf gegen die Spielsucht rechtfertige das Glücksspielmonopol in Deutschland, lautet die Argumentation hinter der neuen Rechtslage. Der Umkehrschluss könnte lauten: Gewerblichen Vermittlern ist die mögliche Spielsucht ihrer Kunden egal, deshalb kann man ihnen auch ruhigen Gewissens Wettbewerbsnachteile zumuten. Der Staatsvertrag schränkt Onlinewetten stark ein oder verbietet sie gar ganz, weshalb sich gewerbliche Lottovermittler wie Tipp24, Jaxx oder Faber und Sportwettenanbieter wie Bwin stark benachteiligt sehen. Lotterien dürfen keine Lose mehr via Internet, Fernsehen oder Telefon verkaufen.
Das Wettportal Tipp24 hat beispielsweise nach eigenen Angaben sein Angebot der staatlichen Sportwette Oddset und die Lotterie Keno eingestellt, da diese laut Staatsvertrag nicht mehr im Internet angeboten werden dürfen. Zudem stiegen die Kosten durch einen erhöhten juristischen Beratungsbedarf, monierte das Hamburger Unternehmen in seinem Bericht über das erste Quartal. Vom damaligen Boykott sei Tipp24 nicht betroffen gewesen, heißt es bei dem Unternehmen. Man hoffe jedoch, dass bei dem Urteil grundsätzliche Worte zum Glücksspielstaatsvertrag fallen werden, sagte ein Sprecher FTD-Online.
Brüssel dringt auf mehr Wettbewerb im Glücksspielmarkt
"Wir hoffen, dass der BGH zum neuen Recht Stellung nimmt", sagte auch ein Sprecher des Lottovermittlers Jaxx, bekannt durch seine Tippstationen in Schlecker-Drogeriemärkten. Inzwischen sei das Recht schließlich zugunsten der Monopolisten geändert worden. Ginge es nach Jaxx, so müssten die Karlsruher Richter darauf dringen, dass Behinderungen der Privaten durch die staatlichen Lottovermittler eingeschränkt werden. Jaxx erhalte immer wieder Unterlassungsschreiben, in denen das Unternehmen aufgefordert werde, seine Lottostationen bei Schlecker abzubauen. "Bislang konnten wir noch jede Einstweilige Verfügung abwehren", sagte der Jaxx-Sprecher.
Sollte der BGH den Boykott untersagen, könnte dies der EU-Kommission helfen, den deutschen Glücksspielmarkt zu liberalisieren. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland läuft. Karlsruhe befindet also über mehr als nur über einen Boykott, der gut zwei Jahre zurückliegt.
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