Gerade rief mich ein Bekanter an großer Artikel in der Morgenpost,mit genau dem Tietel.Da ich Welt Leser bin stell ich mal den Artikel rein.Heute steht in allen großen Zeitungen über WCM....
Ein Akrobat kurz vor dem Absturz Karl Ehlerdings Spezialität war das Zerschlagen von Unternehmen. Nun ist seine eigene Firma dran: Der Finanzjongleur hat sich mit der Beteiligungsgesellschaft WCM verspekuliert und Schulden gemacht. Die Banken sitzen ihm im Nacken, die Zeit läuft ihm davon - die Kredite sind nur bis Monatsende gestundet
von Dirk Nolde und Norbert Schwaldt
Das Haus ist mehr als 300 Jahre alt, es hat den Krieg überstanden und liegt direkt am Nikolaifleet, dem ältesten Teil des Hamburger Hafens. Hier servieren Dieter und Marion Eismann Fisch-Spezialitäten wie frisch geräucherten Aal aus Bad Zwischenahn. Der " Alt Hamburger Aalspeicher" ist eines der Lieblingsrestaurants von Karl Ehlerding. Der Unternehmer, Sohn eines Krabbenfischers, isst nach Möglichkeit pro Woche vier Mal Fisch. Auch die zivilen Preise im Aalspeicher kommen Ehlerding entgegen, dem Verschwendungssucht und Unzuverlässigkeit ein Graus sind. Was nicht bedeutet, dass Ehlerding nicht Schulden gemacht hätte. Im Gegenteil. Nun sitzen dem 61-Jährigen die Banken im Nacken. Die wollen, dass Ehlerding und seine Beteiligungsfirma WCM Kredite zurückzahlen, es geht aktuell um mehr als eine Mrd. Euro. Ehlerding hat sich verspekuliert. Und er hat keine Zeit mehr.
Der Berufsspekulant, Firmenhändler und Steuerprofi Ehlerding brachte es mit Immobiliengeschäften und Beteiligungen zum Spitzenunternehmer. Seine Spezialität war das Zerlegen von Firmen. Nun droht seinem Unternehmen WCM eben dies: zerschlagen zu werden.
Die Württembergische Cattunmanufaktur, kurz WCM, war das Vehikel für Ehlerdings Aufstieg. Die Firma wurde 1766 in Heidenheim an der Brenz gegründet und war schließlich eine Tochter der umstrittenen IG-Farben-Nachfolgegesellschaft. Die WCM hatte, nachdem Ehlerding sie 1984 erworben hatte, nichts mehr zu tun mit " leinwandbindigen Geweben aus mittelfeinen Baumwollgarnen" , Kattun eben, sondern diente als Mantel für die Aktivitäten des neuen Besitzers. Der machte, durchaus erfolgreich, in Firmenverwertungen. Ehlerding kaufte mit der WCM reihenweise Wohnungsbaugesellschaften, gemeinnützige Unternehmen mit hohen Verlusten. Die brachten ihm, zum einen über Abschreibungen, zum anderen bei Wiederverkäufen, Gewinne.
Weil die Geschäfte gut liefen, setzte sich Ehlerding größere Ziele - und damit begann der Abstieg der WCM. Die Commerzbank nahm man sich zu dritt vor: Ehlerding im Verein mit den Kaufleuten Clemens Johannes Vedder und Klaus-Peter Schneidewind, ebenfalls als Firmenverwerter bekannt und berüchtigt. Die Investorengruppe des Trios, Cobra, kaufte im Jahr 2000 fast 20 Prozent der Commerzbank-Aktien über die Börse auf - allerdings viel zu teuer. In der deutschen Bankenwelt werde " kein Stein auf dem anderen bleiben" , hatten Ehlerding, Vedder und Schneidewind angekündigt. Doch konnten sie mit den kostspieligen Anteilen praktisch nichts anfangen. Denn die Bankenaufsicht stufte den Cobra-Chef und früheren Dresdner-Bank-Vorstand Hansgeorg Hoffmann wegen eines Steuervergehens als unzuverlässig im Sinne des Kreditwesengesetzes ein und verbot Cobra deshalb die Ausübung der Stimmrechte. Dabei wollten die drei Investoren ihre Aktien bei den Fusionsversuchen der Frankfurter Großbanken vergolden. Doch sie konnten sie nicht einmal versilbern. Heute notieren die Commerzbank-Anteile bei 16 Euro, was deutlich unter dem Einstiegspreis von 30 bis 40 Euro liegt, den die Cobra-Investoren seinerzeit bezahlten.
Ehlerding hatte seine Commerzbank-Aktien überteuert gekauft - und per Kredit. Er konnte zwar das Gros der Anteile auf die WCM übertragen, die heute 5,5 Prozent an der Commerzbank hält. Doch die Banken, die ihm Geld für den Kauf der Commerzbank-Aktien gegeben hatten, wollen nicht mehr lange still halten. Ehlerding soll für die Rückzahlung nun seine WCM-Anteile an einen Investor verkaufen; Vereins- und Westbank, Bankgesellschaft Berlin, DZ Bank, Helaba, Dresdner Bank und WGZ Bank hoffen auf insgesamt 450 Mio. Euro.
Vor allem Interessenten aus den USA haben sich das Konglomerat WCM genauer angesehen. Glaubt man WCM-Vorstand Roland Flach, stehen die Käufer Schlange. Doch nur einer will die WCM so wie sie ist - die anderen wollen das Unternehmen zerschlagen. Zumal die Konzern-Töchter nur einen einzigen organischen Zusammenhalt haben, die Gewinnerzielung. Als Interessenten werden die Investmenthäuser Morgen Stanley und Goldman Sachs genannt, zudem US-Fonds wie Templeton, Fortress und die Texas Pacific Group von Christopher Flowers, aber auch israelische Beteiligungsholdings. Noch in diesem Sommer machte sich Ehlerding Hoffnungen, dass er wenigstens 20 Prozent seiner WCM retten könnte. Hier und heute aber sei das eher unrealistisch, sagen WCM-Vertraute. Und auch wenn Ehlerding die 45 Prozent seiner Familie verkauft, wird das wohl hinten und vorne nicht reichen, um die Kredite zurückzuzahlen.
Ab 1995 hatte sich Ehlerdings WCM stärker auf andere Branchen neben dem Immobiliengeschäft verlegt. Das Modell blieb das gleiche: Die WCM kaufte angeschlagene Unternehmen; die Verlustvorträge konnte Ehlerding mit Gewinnen im WCM-Konzern verrechnen. So nahm sich WCM die Textilunternehmen Wünsche und Jean Pascale vor. Später engagierte sich das Unternehmen erfolgreich im Einzelhandel, etwa bei Spar und bei SB Kauf. Die Beteiligungen veräußerte Ehlerding an die französische Intermarché und den Metro-Konzern, ebenso Gewinn bringend wie der Verkauf der WCM-Beteiligung am Versicherungskonzern Württembergische AG an die Hypo-Vereinsbank und eine Transaktion mit Sinalco-Aktien.
Schlagzeilen machte Ehlerding, als er 1998 versuchte, 30 000 Wohnungen der Deutschen Bahn zu übernehmen. Ehlerding bekommt die Immobilien - und muss sich Fragen stellen lassen. Vor allem die, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Zuschlag für Ehlerding und einer Spende seiner Familie für die CDU in Höhe von 5,9 Mio. DM (rund drei Mio. Euro), die größte private Spende für eine Partei seit Bestehen der Bundesrepublik. Und das kurz vor der Bundestagswahl. Von Schmiergeld ist die Rede. Vor einem Untersuchungsausschuss kommt es zu einem der seltenen öffentlichen Auftritte des Ehepaars Ehlerding. " Wir habe ein reines Gewissen" , sagte Ehlerdings Frau Ingrid zu den Vorwürfen.
Und Ehlerding bleibt erfolgreich. Im Jahr 2000 zählten Wertpapieranalysten WCM gar zu den Kandidaten für einen Aufstieg in den Dax. Vor allem war der WCM-Chef ein geschickter Stratege. Als ihm vor zwei Jahren beim Poker um Wohnungsbestände der Konkurrent RSE (Rinteln-Stadthagener Eisenbahn) in die Quere kam, erwarb WCM die Mehrheit an RSE und drängte RSE-Chef Lutz Ristow aus dem Geschäft. Mit der RSE hatte Ehlerding ein Bein im Berliner Markt, wollte nach Gehag, Herlitz-Falkenhöh auch andere Wohnungsbaugesellschaften unter seine Regie nehmen. Größere Beteiligungen gibt es an der Immobilien-Gruppe RSE, an der HBAG Deutsche Real Estate des Investors Rainer Behne, den Duisburger Klöckner-Werken und den Maternus-Kliniken. Bis vor wenigen Tagen hielt die WCM die knappe Mehrheit am Bonner Immobilien-Riesen IVG - doch das ist vorbei. Die IVG-Beteiligung ist neben dem Commerzbank-Engagement ein weiterer geschäftlicher Misserfolg für Ehlerding, an dem die WCM wohl zerbrechen wird.
Denn hier hat die WCM noch weitere Schulden. Im November 2001 hatte sie von der Amsterdamer Finanzholding Rebon einen Anteil von 42 Prozent an der Sirius Beteiligungsgesellschaft erworben, die 49,9 Prozent an der großen Bonner Immobiliengesellschaft IVG hält. Die IVG gilt als größte und attraktivste börsennotierte Immobiliengesellschaft in Deutschland. WCM kam mit der Übernahme der Rebon-Anteile auf 87 Prozent an der Sirius, zum Kaufpreis von einer DM, und hatte entsprechenden Zugriff auf die IVG.
Allerdings wurde der Kauf gekoppelt an die Auflage, dass WCM für Sirius-Kredite in Höhe von 620 Mio. Euro bürgt. Doch hatte sich die Rebon 2001 eine Rückkaufoption für den 42-prozentigen Kapitalanteil an der Sirius gesichert - zum Preis von einer DM. Hinter Rebon stehen Ehlerdings ehemalige Kompagnons Schneidewind und Vedder. Die fühlen sich ihrem ehemaligen Partner nicht mehr sonderlich verpflichtet - Vedder: " Wer mir WCM-Aktien schenkt, den zeige ich an" - und erhöhten den Druck auf Ehlerding und seine WCM, indem sie jetzt ihre Rückkauf-Option ausübten.
Gemeinsam mit einer befreundeten Investorengruppe, die 13 Prozent an der Sirius hält, kommen Vedder und Schneidewind dann auf 55 Prozent bei der Sirius. Das bedeutet: Ehlerdings Quote liegt nur noch bei 45 Prozent, die WCM bestimmt nicht mehr, was bei Sirius und damit bei IVG geschieht. Und bleibt trotzdem auf den Krediten sitzen. Und die hat das Bankenkonsortium unter der Führung der DZ Bank bis Ende Oktober nur gestundet.
Die von WCM-Vorstand Flach hingehaltenen Banken haben nun die Nase voll. Bis zum 24. Oktober sollen sich Investoren für die IVG-Anteile mit Preisvorstellungen melden. Ohne die IVG ist das Sammelsurium WCM deutlich weniger wert. Schon heute rangeln einzelne Banken um die günstigsten Startpositionen bei der absehbaren Zerlegung der Holding. Bei einem Schuldenberg von insgesamt rund 2,8 Mrd. Euro lauern die Schnäppchenjäger schon auf Notverkäufe von WCM-Töchtern.
Helfen soll Dieter Vogel. Den früheren Thyssen-Vorstandsvorsitzenden hat Ehlerding im September als neuen WCM-Aufsichtsratschef angeheuert. Vogel soll jetzt die Banken beruhigen. Von einem Rettungskonzept ist die Rede, das im November auf dem Tisch liegen soll. Der Druck ist groß, vielleicht zu groß. Aus dem Jäger ist ein Gejagter geworden.
Artikel erschienen am 22. Okt 2003 (Die Welt) |