Finanzkrise Rosige RechnungDas US-Finanzministerium erwartet einen Gewinn aus der Rettung von Banken und Versicherern. Zu optimistisch?
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Das AIG Gebäude in New York (Archivbild)
Amerikas Steuerzahler können aufatmen. Nach den großen Banken, die ihre Anteile an dem Rettungspaket für die Finanzbranche sogar mit Zinsen zurückbezahlten, hat nun auch Robert Benmosche gute Nachrichten: Schon bald, so kündigte der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Versicherers American International Group (AIG) an, werde man einen großen Teil jener 180 Milliarden Dollar zurücküberweisen können, mit denen die US-Regierung den Konzern vor zwei Jahren vor der fast sicheren Pleite bewahrte. Folgt man den Berechnungen des Finanzministeriums, hat die Staatskasse mit ihren Rettungsaktionen möglicherweise sogar einen guten Schnitt gemacht.
Sicher ist das freilich nicht. Bei genauerer Betrachtung fehlt es den jetzt veröffentlichten guten Nachrichten nämlich an Überzeugungskraft. Vor zwei Jahren drohte die AIG-Pleite das gesamte Weltfinanzsystem mitzureißen. Ob die dann folgende größte staatliche Rettungsaktion für einen privaten Konzern – einer der bis heute umstrittensten Eingriffe der Krise – sich nun auszahlt, hängt stark von der künftigen Marktentwicklung ab. Das Geld für die Rückzahlung hat AIG-Chef Benmosche bisher im Wesentlichen durch den Verkauf von Unternehmensteilen eingesammelt. Vergangene Woche brachte der Versicherer sein Asiengeschäft in Hongkong an die Börse. Das spülte 20 Milliarden Dollar in die Kasse. Am Montag schlug AIG die japanische Tochter Alico an den US-Lebensversicherer Metlife für 16,2 Milliarden Dollar los – dabei gab es rund sieben Milliarden Dollar cash, den Rest in Metlife-Aktien.
Damit kommt Benmosche auf die knapp 37 Milliarden Dollar, die er demnächst ans Finanzministerium überweisen will. 2011 soll dann der Rest folgen: Der Staat, so Benmosches Plan, soll 92 Prozent der Aktien erhalten und sich dann durch den Verkauf der Anteile nach und nach die ausgelegte Summe zurückholen. Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn AIG erfolgreich wirtschaftet.
Im US-Finanzministerium gibt man sich optimistisch. Noch vor einem Jahr hatte die Behörde einen Verlust von über 45 Milliarden Dollar für AIG in Aussicht gestellt. Jetzt ist diese Zahl auf fünf Milliarden reduziert worden. Und selbst dieser Verlust könnte sich noch in einen Gewinn verwandeln, so die neue, weit positivere Prognose. Das US-Finanzministerium hat bereits offiziell erklärt, eine vollständige Rückzahlung der Hilfszahlungen zu erwarten.
Doch Neil Barofsky, der Generalinspektor für die staatlichen Rettungsprogramme, hat in seinem jüngsten Bericht die Kalkulation scharf kritisiert. Die Buchhalter von Finanzminister Timothy Geitner hätten die Berechnung anhand bestehender Zahlen in den Büchern erstellt. Die jüngsten Vorhersagen basierten dagegen schlicht auf Annahmen zur weiteren Marktentwicklung. Durch die Änderung der Kalkulationsmethode setze sich das Finanzministerium dem Vorwurf der Manipulation aus, so Barofsky.
Geithners Behörde wies den Vorwurf zurück. Ihre rosigen Prognosen werden auch dadurch gestützt, dass sich der Börsenwert der ebenfalls geretteten Citigroup erholt hat und der verstaatlichte Autobauer General Motors diese Woche seine Werbetour für einen frischen Börsengang startete. Mit dessen Erlös will GM den Staatseinsatz vollständig zurückerstatten. Lediglich bei den beiden Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac, die seit dem Sommer 2008 in staatlicher Hand sind und weiter Milliardenverluste schreiben, gibt es bisher noch kein optimistisch stimmendes Ausstiegsszenario.
Doch selbst wenn es AIG gelingen sollte, nach und nach die restlichen Milliarden zu überweisen, stellen sie lediglich einen Teil des Verlustes für die Allgemeinheit dar. Bei den Berechnungen fließen etwa die Hilfsmaßnahmen der US-Notenbank nicht mit ein. Diese hatte zur Stützung des Weltfinanzsystems zusätzlich nicht Milliarden, sondern Billionen Dollar in Wertpapierkäufe und Kredite geleitet. Zudem senkte sie die Zinsen auf nahezu mull.
Die Kosten dafür tragen Rentner und Sparer weltweit. Aufgrund der Niedrigstzinsen sehen sie für ihre Ersparnisse keine Rendite.