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Euro-Finanzminister akzeptieren
Bis zu 100 Milliarden Euro könnte die Finanzhilfe für den angeschlagenen Bankensektor in Spanien umfassen. Samstagabend kündigte der spanische Wirtschaftsminister de Guindos nach langem Zögern an, dass Madrid bei seinen Partnern der Euro-Zone die Hilfe beantragen werde. Die Euro-Finanzminister stimmten nach einer fast dreistündigen Telefonkonferenz zu. Ein strenges Sparprogramm wird - vorerst - auf Spanien nicht zukommen. Denn die notwendigen Auflagen werden sich vor allem auf den Finanzsektor beschränken.
Auflagen für Finanzsektor
Lange hat sich Spanien geweigert, auch nur die mögliche Unterstützung durch den Euro-Rettungsschirm zu überlegen. Madrid werde seine europäischen Partner um Milliardenhilfen zur Sanierung seines angeschlagenen Bankensystems bitten, sagte der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Samstagabend.
Zuvor hatten bereits die Finanzminister der Euro-Zone und IWF-Chefin Christine Lagarde in einer fast dreistündigen Telefonkonferenz eine Finanzhilfe von bis zu 100 Mrd. Euro für Spaniens Banken akzeptiert. Voraussetzung ist, dass die EU-Kommission, die EZB und die EU-Finanzaufsicht prüfen, ob die Voraussetzungen für Kredite aus dem Rettungsschirm (EFSF) vorliegen.
Wirtschaftsminister de Guindos kündigte einen Antrag auf Finanzhilfe an „Ich rechne damit, dass Spanien demnächst einen offiziellen Antrag auf Unterstützungen bis zu 100 Mrd. Euro stellen wird“, sagte Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP). Der unmittelbare Rekapitalisierungsbedarf sei auf 40 bis 60 Mrd. Euro geschätzt worden, dazu komme noch beträchtlicher Restrukturierungsaufwand sowie „ein Puffer, damit man das entsprechende Vertrauen von den Märkten wiederbekommt.“
Kein strenges Sparprogramm
Spanien ist damit das vierte Land nach Griechenland, Irland und Portugal, das Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds erhält. Dennoch versucht sich Madrid deutlich von den anderen drei Kandidaten zu distanzieren. Auf Spanien wird kein strenges Sparprogramm im Gegenzug für die Finanzhilfen zukommen, hieß es auch vonseiten der EU nach der Konferenz der Euro-Finanzminister. Spanien entgeht damit strengen Auflagen und Kontrollen seines Staatsbudgets.
Das Problem sei der Bankensektor, nachdem die Immobilien- und Kreditblase geplatzt war. Dieser soll nun mit Milliardenhilfen vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Erstmals kommt ein spezieller Teil des Euro-Rettungsschirms (EFSF) zum Einsatz, der sich speziell auf die Rekapitalisierung der Banken spezialisiert. Der IWF übernimmt dabei eine Rolle bei der Überwachung, beteiligt sich aber nicht finanziell.
Geld nicht direkt an Banken
Das Geld soll nicht direkt an die Banken fließen, wie Madrid es sich gewünscht hätte, sondern an den Staat. Der spanische Bankenrettungsfonds FROB soll die Gelder erhalten. Dieser solle das Geld dann an die Banken weiterleiten. Fekter: „Es war allen klar, dass eine Hilfe natürlich nur unter ganz strengen Auflagen erfolgen kann.“ Geld ohne Auflagen direkt den Banken zu geben sei von allen abgelehnt worden.
Die Höhe der EU-Hilfe für Spanien werde die Zweifel der Märkte am spanischen Bankensystem ausräumen, betonte Guindos. In den kommenden Tagen sollen noch die Rahmenbedingungen der neuen Hilfskredite geklärt werden, auch ist noch nicht klar, ob sie aus dem Hilfsfonds EFSF oder dem permanenten Fond ESM kommen sollen.
Höhe des Finanzbedarfs noch unklar
Noch unklar ist aber, wie hoch der Finanzbedarf tatsächlich ist. Bis 21. Juni sollen nun Ergebnisse von unabhängigen Beratungsfirmen vorliegen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht in den ersten Ergebnissen eines Gutachtens, das in der Nacht auf Samstag veröffentlicht wurde, davon aus, dass allein der spanische Bankensektor einen Finanzbedarf von mindestens 40 Milliarden Euro hat. Das Geld würde gebraucht, wenn die düstersten Konjunkturvorhersagen für Spanien eintreten würden.
Der tatsächliche Kapitalbedarf sei wegen möglicher Kosten für Restrukturierungen und Kreditausfälle sogar bis zu doppelt so hoch, so eine IWF-Vertreterin. Einige Institute hätten Anfälligkeiten. Sie bräuchten Kapitalpuffer, um die ausgearbeiteten schärferen Eigenkapitalregeln („Basel III“) einhalten zu können.
Zustimmung aus Euro-Zone
Die Länder der Euro-Zone zeigten sich jedenfalls bereit, Spanien unter die Arme zu greifen. „Die Kredite werden so umfangreich sein, um einen Damm zu bilden, der alle möglichen Kapitalbedürfnisse auffangen kann“, hieß es in einer Erklärung nach der Konferenz. „Die Kreditsumme muss alle geschätzten Kapitalbedürfnisse plus eine zusätzliche Sicherheitsmarge umfassen, was sich schätzungsweise auf insgesamt bis zu 100 Mrd. Euro summiert.“ Dafür seien aber „Reformen im Finanzsektor, inklusive Restrukturierungspläne“ für die Banken notwendig.
Drängen auf rasche Lösung
Seit Freitag war spekuliert worden, dass Spanien noch am Wochenende einen Antrag auf Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm (EFSF) stellen wollte. Lange war das von spanischer Seite dementiert worden. Von zahlreichen Politikern und Ökonomen der Euro-Zone war Spanien zuletzt aber immer wieder ermahnt worden, schnell zu handeln und nicht weiter auf Zeit zu spielen. Am Samstag legte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker noch einmal nach: „Die Lösung wird schnell erfolgten müssen.“
Drastischer formulierte es der deutsche Bundesbank-Präsident Jens Weidmann im Interview mit der „Welt am Sonntag“: „Die Devise darf nicht sein, bloß nicht unter den Rettungsschirm zu gehen. Auf das Einspringen der Notenbank zu hoffen, damit keine Auflagen erfüllt werden müssen, ist der falsche Weg.“
Lagarde lobt Krisenhilfe
IWF-Chefin Lagarde lobte den Beschluss der Euro-Finanzminister, Spanien unter den Rettungsschirm zu lassen. „Das ergänzt die Maßnahmen der spanischen Regierung der vergangenen Wochen, das Bankensystem zu stabilisieren“, heißt es in einer am Samstag in Washington verbreiteten Erklärung Lagardes. Den schwächeren Teil des spanischen Finanzsystems zu rekapitalisieren, decke sich mit den Empfehlungen des IWF aus dem jüngsten Stabilitätsreport über die Banken des Landes. |