DAS PRIVILEG JUDE ZU SEIN An open letter submitted by the author*
Wir dürfen die Wahrheit sagen, Unrecht, Nationalismus und Rassismus - alter und neuer Prägung - verurteilen, ohne dafür das Risiko einzugehen, als Antisemit angeprangert zu werden, und das gerade von den Enkelkindern derer, die damals in Europa nichts wussten und nichts sagten. Wir wollen nicht, dass unsere Enkel uns eines Tages fragen: "Wo warst du, als die israelische Armee das palästinensische Volk massakrierte?"
Mit Schmerz und Wut stellen wir fest, dass die Mehrheit der israelischen Juden, nachdem wir, jahrhundertlang Opfer grausamer Unterdrückung und Verfolgung waren, gegenüber der palästinensischen Minderheit genau nach den bekannten Schablonen des schlimmsten Nationalismus vorgeht.
Besonders erschreckt uns der Zynismus derjenigen, die in Deutschland ihre Solidarität für Mörder à la Sharon mit der angeblichen Solidarität für die Opfer der Nazi-Verfolgung begründen. Tatsache ist, dass die Mehrheit dieser Herren die legitimen Nachfolger einer politischen Klasse sind, die -gestern wie heute- aus Opportunismus auf der Seite der Macht steht. Wenn die Solidarität mit den Juden echt und nicht vom Servilismus gegenüber den USA diktiert wäre, dann bekämen auch Zigeuner, Kommunisten und alle anderen Opfer des Nazismus die selbe Solidarität zu spüren: aber – wie jeder weiß - das ist nicht der Fall. Wir lehnen es ab, fleißig als Alibi für die Politik des Westens zu dienen.
Wir klagen die Verantwortlichen des Dramas, das momentan in Palästina stattfindet, an:
a) die europäischen Rassisten und Faschisten. Nur in Anbetracht der Verbrechen der Nazis kann man erklären, wie der Zionismus eine Massenbewegung werden konnte. Dank der Gründung des Staates Israel konnten sich die "guten" Europäer sowohl von unserer "lästigen" Anwesenheit befreien, als auch einen mächtigen westlichen Brückenkopf gründen, unterstützen und bewaffnen, um ihre eigenen ökonomischen und strategischen Interessen zu verteidigen, die sie vom wachsenden arabischen Nationalismus bedroht sahen.
Über Nacht wurden die "bösen" Juden die "guten" Israelis, und man verlangte eine "Reparation" zu Gunsten der Opfer der Gräueltaten der Nazis zu leisten, die zu Lasten der Palästinenser lief. Ein neues zusätzliches Unrecht wurde somit zu dem Unrecht und den Verbrechen der Vergangenheit hinzugefügt.Zu einem späteren Zeitpunkt wurden die Europäer "leider" in ihrer hegemonischen Rolle von den USA ersetzt.
b) die israelischen Neo-Kolonialisten, die ihre schuldhafte Zusammenarbeit mit dem amerikanischen "goldenen Kalb" und ihren angeblichen europäischen neuen "Freunden" unter dem Feigenblatt des heiligen göttlichen Versprechens - dem Volke Israels das Land zwischen "Nil und Euphrat" anzuvertrauen - schamhaft zu kaschieren versuchen. Es ist auf Grund dieses Versprechens, dass sie sich das Recht anmaßen, das Recht zur Unabhängigkeit des palästinensischen Staates - eines Staates, der zu 22% der Fläche des historischen Palästina schrumpfen würde – zu verneinen. Sie drohen, auch die letzten Palästinenser zu verjagen und somit das Werk der schamlosen ethnischen Säuberung zu vollenden, das vor 50 Jahren begann. Wir erleben hier nur eine Wiederholung schlechten Geschmackes der leider bekannten Parole "Gott mit uns"!
Aus der Bibel Der Prophet Micha warnt:
Micha 2, 1-5
Weh denen, die Schaden zu tun trachten und gehen mit bösen Gedanken, um auf ihrem Lager, dass sie es frühe, wenn’s licht wird, vollbringen, weil sie die Macht haben! Sie reißen Äcker an sich und nehmen Häuser, wie sie`s gelüstet. So treiben sie Gewalt mit eines jeden Hause und mit eines jeden Erbe. Darum spricht der HERR: Siehe, ich ersinne wider dies Geschlecht Böses, aus dem ihr euren Hals nicht ziehen und unter dem ihr nicht so stolz dahergehen sollt; denn es soll eine böse zeit sein. Zur selben Zeit wird man einen Spruch von euch machen und klagen: Es ist aus – so wird man sagen -, wir sind vernichtet! Meines Volkes Land kriegt einen fremden Herrn! Wann wird er uns die Äcker wieder zuteilen, die er uns genommen hat? Jawohl, ihr werdet keinen Anteil behalten in der Gemeinde des HERRN.
Micha 3, 9-12
So höret doch dies, ihr Häupter im Hause Jakob und ihr Herren im Hause Israel, die ihr das Recht verabscheut und alles, was gerade ist, krumm macht; die ihr Zion mit Blut baut und Jerusalem mit Unrecht – seine Häupter richten für Geschenke, seine Priester lehren für Lohn und seine Propheten wahrsagen für Geld – und euch dennoch auf den HERRN verlasst und sprecht: Ist nicht der HERR unter uns? Es kann kein Unglück über uns kommen: Darum wird Zion um euretwillen wie ein Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Steinhaufen werden und der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden Gestrüpps.
Wird jemand den Mut haben, Michea als Antisemit zu beschimpfen?
Wir glauben, die Beweggründe derjenigen zu verstehen und zu kennen, die im Laufe der Geschichte, beginnend von Samson bis zu den Helden des Warschauer Ghetto, ihr eigenes Leben opferten, um das Recht für ein Leben zu beanspruchen, das sich zu leben lohnt.
Gerade weil wir in der Vergangenheit selbst Diskriminierung, Verfolgung und Ausrottung erlebt haben, sind wir heute in der Lage, die sogenannten palästinensischen Selbstmord-Attentäter doch zu verurteilen, wenn sie unbewaffnete Zivilisten angreifen, ihre Beweggründe jedoch zu verstehen: es sind dieselbe Wut, dieselbe Verzweiflung, dieselbe Perspektivlosigkeit unseres Volkes in der Zeit, in der unsere heutigen "Freunde" uns in Ghettos sperrten und in Lager steckten.
Wir verurteilen dagegen entschieden die anderen Mord-Attentäter, - diejenigen die - um ihre Ordnung zu erzwingen - den Aufstand des Warschauer Ghettos mit Flammenwerfern niederwarfen; - diejenigen, die tonnenweise Napalm über die Hütten der vietnamesischen Bauern in den befreiten Regionen abwarfen - mit einem einfachen Knopfdruck an ihrem Sitz im Cockpit.
Es ist qualitativ nicht anders, wenn heute israelisches Militär vom Boden, von der See und aus der Luft die Lager von Dschenin und Gaza bombardiert.
Wir betrachten deshalb als unsere Pflicht, die gegenwärtige israelische Politik als unmenschlich und damit auch als antisemitisch zu verurteilen, und das nicht nur weil auch die Araber bekanntlich Semiten sind, sondern auch:
a) weil die israelische antiarabische Politik der Tradition eines Volkes und den Prinzipien einer Religion offen und radikal widerspricht; einer Religion, die - im Laufe von Jahrhunderten - ein ununterbrochenes Zeugnis von Liebe und Achtung bezüglich jedes menschlichen Wesens gegeben hat und somit dieselbe Essenz des Judentums zerstört.
b) weil Israel auf seiner repressiven Politik besteht, verrät es unsere Geschichte, verstößt die Erinnerung jener Shoa, die uns belehrte, jede Gewalt gegen die Schwachen zu verurteilen und die Adligkeit dieser wenigen zu schätzen, die uns verstanden und versucht haben, uns zu helfen und zu retten. Nie und nimmer hätten wir uns vorstellen können, dass innerhalb einer einzigen Generation, unser Volk es geschafft hätte, einen repressiven Staat ins Leben zu rufen. Wir haben jetzt unsere Unschuld verloren; von Opfern sind wir zu Täter geworden. Wir haben kein Recht mehr, uns auf den Holocaust zu berufen, ohne uns die Anschuldigung der Instrumentalisierung gefallen zu lassen.
c) sogar das Recht auf die Existenz des israelischen Volkes ist langfristig gefährdet, und nicht von einem erniedrigten und märtyrisierten palästinensischen Volk, sondern von der eigenen Politik Israels.
Die Araber sind nicht die einzigen Opfer dieser Politik. Überall auf der Welt, wo der Imperialismus sich entschieden hat, zu Gunsten einer korrupten Clique, einiger Mörder-Generäle oder einer hemmungsloser Rassistenbande nicht direkt zu intervenieren, schickt er seine Hilfstruppen wie Israel, die für sie die Schmutzarbeit mit Effizienz und Eifer erledigen: ???Hilfsgüter“ werden geliefert, Waffen werden verkauft, die Polizei wird ausgebildet und geschult, man arbeitet mit den Geheimdienste zusammen, z.B. den Agenten des ehemaligen rassistischen Südafrika, des Kongo Mobutus oder den schlimmsten karibischen Diktaturen.
Wer sollte Israel in der Zukunft einmal helfen, würde der ökonomische, politische und militärische Schutz der USA, der neuen ???Herren der Welt”, irgendwann in der Zukunft entfallen, nachdem es mit Ausdauer und Kontinuität so viel Hass gesät und so viel Blut in der ganzen Welt vergossen hat?
Aber im Dunkeln leuchtet ein Licht: Es sind die wenigen Israelis, die aufrecht geblieben sind: Felicia Langer, Uri Avneri und viele andere wie z. B. 500 Reservisten der israelischen Streitkräfte, die trotz Drohungen und Repressalien, mutig proklamieren: "Wir weigern uns jenseits der Grenzen von 1967 zu kämpfen, mit dem Ziel, ein ganzes Volk zu beherrschen, auszuhungern, zu erniedrigen und zu vertreiben". Das ist leider nur eine Minderheit, die heute neuen Zulauf erhält und somit uns Hoffnung gibt, dass eines Tages in Israel/Palästina zwischen Völkern, Religionen und allen Menschen eine friedliche Koexistenz möglich sein wird.
|