Warum erst jetzt? Nach den Anschlägen von Madrid lösen sich die EU-Außenminister endlich – viel zu spät – aus ihrer Starre. Und ziehen gleich die falschen Schlüsse Von Joachim Fritz-Vannahme für ZEIT.de Wer den Terrorismus bekämpfen wolle, erklärte am Montag der französische Außenminister Dominique de Villepin beim EU-Ratstreffen in Brüssel, der müsse erstens die in der Gemeinschaft längst beschlossenen Maßnahmen endlich umsetzen. Und zweitens zu neuen Mitteln greifen, wie sie die EU-Innenminister soeben empfahlen, vom Koordinator der Polizei- und Geheimdienste bis zur besseren Entschädigung der Terroropfer. Und drittens müsse man, so der Franzose, bei den Ursachen des Terrors ansetzen, bei Frustration, Wut, Hass, die zum Nährboden der Gewalt würden. Was de Villepin da sagte, unterschied sich im Kern nicht von den Erläuterungen seiner Kollegen, war aber klarer gegliedert und besser formuliert, kein Wunder, der Mann schreibt und publiziert mit einigem Erfolg historische Bücher und Gedichte. Aber wenn wir seine Prosa rezensieren sollten, würde unsere Besprechung dennoch kritisch ausfallen. Erstens: Diese Erinnerung an Versäumtes hätte man gern eher und energischer gehört, nicht erst nach den Anschlägen von Madrid. Zweitens: Nichts gegen eine bessere Koordination. Aber auch da gilt: Warum erst jetzt, wo allen der Schrecken in die Glieder gefahren ist und die institutionelle Starre endlich löst. Drittens aber und das ist unser Haupteinwand gegen solche Prosa: Es ist sicher nicht falsch, auf bessere Verhältnisse in der arabischen Welt und in muslimischen Staaten hinzuwirken. Aber die EU-Außenminister verschreiben sich einer riskanten Weltsicht. Sie machen es jedem Terroristen leicht, im Bekennerschreiben, erst recht vor Gericht sich auf eine Art Notstand zu berufen: Weil die Verhältnisse zu Hause nun mal schlecht sind, bleibt nur ein Ausweg, der Griff zur Bombe. Aber taugt das gefährliche Gemisch aus Diktatur und Demografie, Öl-Rente und sozialem Elend in diesen Ländern tatsächlich zur Erklärung des Terrorismus? Osama bin Laden etwa verfügt über rund 300 Millionen Dollar, wenn man den Dossiers des spanischen Antiterror-Richters Garzón glauben darf. Seine milliardenschwere Familie hatte ihn einst ausbezahlt, als ihr die Umtriebe des Verwandten peinlich wurden. Die Attentäter von New York und Washington genossen das Privileg einer höheren Bildung auf westlichen Hochschulen. Verelendung? Gewiss, aber doch nur in den Köpfen und Herzen dieser Mörder. Die Staats- und Regierungschefs, die sich am Donnerstag und Freitag zum EU-Gipfel in Brüssel treffen, sollten darum auf ihre Außenminister nicht hören und Punkt drei schleunigst aus ihren Erklärungen des Terrorismus streichen. ZEIT.de, 22.3.04 |