Rolf Morrien: Zombie-Aktie Tria IT Solutions: Vorsicht vor der große Abzocke | be24.at Zombie-Aktie Tria IT Solutions: Vorsicht vor der große Abzocke
Newsletter vom 7.9.2010
Liebe Schlussgong-Leser, an den Aktienmärkten in Asien, Europa und den USA wurde heute wieder der Rückwärtsgang eingelegt. In Europa verloren besonders die Finanzwerte. Hier belasten die Gerüchte über verschärfte Eigenkapitalvorschriften. Wenn die Unternehmen aus der Finanzbranche mehr Eigenkapital hinterlegen müssen, wird zukünftig der Rendite-Hebel kleiner. Zu den größten Verlierern an den deutschen Börsenplätzen gehörte heute die Arcandor-Aktie, die erneut zweistellig verloren hat. Mit 0,17 Euro marschiert die Aktie langsam Richtung Kursziel 0,00 Euro. Das bedeutet aber nicht, dass die Arcandor-Aktie nicht noch einmal kurzfristig steigen kann. Ein anderes Unternehmen, das ebenfalls ein Insolvenz-Fall ist, sorgt in diesen Tagen für spektakuläre Kurssprünge im dreistelligen Bereich. Die Zombie-Aktie lebt (noch). Von 0,03 Euro auf knapp 3,00 Euro Es gibt an der Börse immer wieder rätselhafte Kursbewegungen, die nie restlos aufgeklärt werden. Die Erfahrung zeigt aber: Fast immer steckt eine Abzocker-Masche dahinter. Werfen wir einen Blick auf den spektakulärsten Kurssprung der Woche: Die Aktie des IT-Dienstleisters TRIA IT-Solutions ist gestern von knapp 0,90 Euro auf 2,67 Euro geklettert. Gut 200% Kursgewinn an einem einzigen Tag. Es kommt aber noch besser: Vor einigen Tagen konnte die Aktie für 0,40 Euro eingesammelt werden, vor einigen Monaten mussten sogar nur 0,03 Euro je Aktie gezahlt werden. Ein erstaunliches Comeback einer (fast) toten Aktie. Letzte Bilanz aus dem Jahr 2007 Der Name TRIA wird Ihnen wahrscheinlich herzlich wenig sagen. Kein Wunder. Das Unternehmen verschickt seit Jahren keine Meldungen mehr. Der letzte geprüfte Geschäftsbericht stammt aus dem Jahr 2007. Der letzte Quartalsbericht wurde Ende 2008 veröffentlicht. Seit Jahresbeginn 2010 läuft auch offiziell das Insolvenzverfahren. Der IT-Dienstleister hat das Kunststück vollbracht, in den Boomjahren 2006/2007 abzustürzen. Ende 2007 schien eine Rettung möglich. Der Aktienkurs stieg noch einmal auf rund 5 Euro. Die „Kurs-Rakete“ stürzte aber bald wieder ab und konnte dann für unter 10 Cent je Aktie eingesammelt werden. Die Gründe für den Höhenflug Der spektakuläre Höhenflug der Aktie auf knapp 3 Euro in dieser Woche kann unterschiedliche Gründe haben. Das optimistische Szenario: Das Insolvenzverfahren wird erfolgreich beendet und das Unternehmen kann operativ wieder durchstarten. Ein TRIA-Comeback wäre natürlich für die Mitarbeiter, Aktionäre und Gläubiger die schönste Lösung. Leider konnte ich keine Hinweise finden, die dieses Szenario stützen. Wenn ein Unternehmen ein Comeback starten will, wird das angekündigt, um neue Investoren und Kunden anzulocken. Bis heute gibt es keine entsprechenden Informationen. Das spricht gegen eine überraschende Rettung. Der Börsenmantel ist kein Schnäppchen Zumindest für die TRIA-Aktionäre gibt es noch eine positive Variante: Es wird nicht das Unternehmen reaktiviert, wohl aber der „Börsenmantel“. In Deutschland ist es relativ kompliziert und teuer, ein Unternehmen neu an die Börse zu bringen. Einige Unternehmen nutzen daher einen Trick: Sie kaufen eine quasi wertlose Aktiengesellschaft (AG), die noch an der Börse notiert. Da es in Deutschland noch viele Neue-Markt-Leichen auf dem Kurszettel gibt, ist die Auswahl groß. Für 1 bis 2 Mio. Euro sind solche Unternehmen zu haben. Die Investoren kaufen alle Aktien des Pleite-Unternehmens, stülpen den leeren „Börsenmantel“ um das neue Unternehmen, ändern den Namen und schon notiert das Unternehmen an der Börse. Eine einfache, schnelle und billige Methode. Im Fall TRIA sprechen aber einige Gründe gegen eine solche Mantel-Spekulation: Zum einen erreichte das Unternehmen gestern in der Spitze eine Marktkapitalisierung von rund 10 Mio. Euro. Das ist viel zu teuer. Andere Börsenmäntel kosten nur 10% der Summe. Selbst wenn die ersten TRIA-Aktien billig eingesammelt wurden, dürften jetzt die noch fehlenden Aktien zu teuer sein. So wurden heute 1,2 Mio. TRIA-Aktien für rund 2 Mio. Euro gehandelt. Hinzu kommt: Die Investoren, die einen „Börsenmantel“ suchen, bevorzugen Unternehmen ohne Altlasten. Bei TRIA ist dagegen noch eine Wandelanleihe fällig. Die Investoren bräuchten daher alle Aktien und müssten sich dann auch noch mit den Besitzern der Anleihen einigen. Das ist zu teuer, kompliziert und zeitintensiv. Daher halte ich diese Lösung für unwahrscheinlich. Die Leerverkäufer müssen bluten Im Internet kursieren jedoch noch zahlreiche andere Erklärungsversuche für die Kursexplosion. Eine beliebte Variante: Leerverkäufer haben sich mit TRIA-Aktien verzockt und mussten gestern bluten. Die Annahme: Die Leerverkäufer haben sich TRIA-Aktien geliehen und dann leer verkauft, in der Hoffnung, dass der Kurs anschließend auf 0 fällt. Als dann plötzlich der Kurs stieg, mussten sich die Leerverkäufer zwangsweise wieder eindecken und dabei jeden „Mondpreis“ bezahlen. Denken Sie dabei an die VW-Aktie, die im Porsche-Übernahme-Kampf plötzlich auf über 1.000 Euro gestiegen ist. Eine Kursexplosion ist also möglich, wenn Leerverkäufer auf die falsche Kursentwicklung gewettet haben. Allerdings habe ich auch bei dieser Variante meine Zweifel. Leerverkäufer suchen sich in der Regel relativ liquide Werte aus, die sie schnell kaufen und verkaufen können (die VW-Stämme notierten damals noch im DAX). Die TRIA-Aktie war aber bis vor wenigen Tagen praktisch tot. Es gab an einigen Tagen nur Mini-Umsätze im dreistelligen Bereich. Sehr unwahrscheinlich, dass sich viele Leerverkäufer gleichzeitig auf die TRIA-Aktie gestürzt haben. Automatische Trading-Systeme können in die Falle gelaufen sein Die Leerverkäufer dürfte ein Blick auf das Unternehmen und die geringe Liquidität abgeschreckt haben. Was aber ist, wenn kein Mensch die Aktie als Kauf-Kandidat ausgesucht hat? Ich spreche von den automatischen Trading-Systemen, die „blind“ kaufen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden. Ein konkretes Beispiel: Im Internet finden Sie ganz aktuell ein kostenfreies Trading-System, das den Kursverlauf der TRIA-Aktie „analysiert“ und ein 6-Monats-Kursziel von über 30 Euro je Aktie nennt. Mit über 1.000% Kurs-Potenzial ist TRIA die „Top-Aktie“ des Systems. Wenn ein Anleger sein Trading-System auf „Automatik“ gestellt hat und bestimmte Sicherheitsregeln missachtet, wandert die TRIA-Aktie automatisch ins Depot. Gigantischer Betrug möglich Gehen wir noch einen Schritt weiter: Was ist, wenn ein Software-Programmierer, der die meistverkauften Handelssysteme bis ins Detail kennt, eine riesige Abzock-Falle konstruiert hat? Ein Software-Experte kann ohne Probleme feststellen, auf welche (Chart-)Signale ein automatisches Handelssystem reagiert. Der Programmierer müsste sich dann nur in ein „totes“ Unternehmen wie TRIA einkaufen und ganz gezielt einige Käufe und Verkäufe durchführen. Wenn kaum ein anderer Investor in diesen Tagen die Aktie handelt, kann der Programmierer einen Chart wie aus dem Lehrbuch konstruieren und weltweit Tausende Trader in die Aktie locken. Nach den ersten 100 oder 200% Gewinn verkauft der Programmierer dann sein Aktienpaket an die Trader. Ein Traumgewinn fast ohne Risiko. Kontrollieren Sie jeden Aktien-Kauf Ich habe keine Beweise dafür, dass diese Abzocker-Masche für den Kursanstieg bei TRIA verantwortlich ist. Wie oben geschrieben, gibt es völlig harmlose Erklärungen. Aber: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis clevere Computerspezialisten diesen Trick anwenden. Je mehr automatische Handelssysteme gestartet werden, die ohne menschliche Kontrolle handeln, desto schneller wird diese Betrugsmasche Schule machen. Daher kann ich Sie nur warnen: Kaufen Sie keine Aktien blind. Prüfen Sie zumindest, ob das Unternehmen operativ tätig ist und wie die Börsen-Story in den vergangenen Monaten aussah. Zu TRIA: Heute hat die TRIA-Aktie 50% verloren. Wer gestern den „Top-Tipp“ im Internet gekauft hat, sitzt heute auf hohen Verlusten. |