Welche volkswirtschaftlichen Effekte haben Rüstungsausgaben? Es überwiegen Effekte, die man als kurzfristig bezeichnen könnte. Denn wenn der Staat einen Kredit aufnimmt und damit beispielsweise Panzer eines deutschen Herstellers kauft, kurbelt er damit zunächst die Wirtschaft an. Der Panzerhersteller macht Umsatz, stellt vielleicht sogar Arbeitnehmer ein. Und da so ein Panzer auch ein sehr physisches Gut ist, werden Zulieferer, wie z.B. Stahlwerke, ihren Umsatz steigern. Isoliert betrachtet ist das ein positiver Impuls. Aber das ist auch keine Kunst, denn ein solch kurzfristiger positiver wirtschaftlicher Impuls entsteht immer, wenn der Staat über Schulden frisches Geld schöpft und es ausgibt. Auch wenn Friedrich Merz mit seinem Privatjet über Berlin fliegen und frisch gedruckte 100-Euro-Scheine aus dem Fenster werfen würde, hätte dies kurzfristig einen positiven wirtschaftlichen Impuls.
Weniger banal sind die zwei Folgefragen: Wie bewertet man die volkswirtschaftlichen Folgen im Vergleich zu alternativen Investitionen? Und wie steht es mit den mittel- bis langfristigen volkswirtschaftlichen Folgen?
Fangen wir mit der Frage der Alternativen an. Wenn der Staat beispielsweise eine Milliarde Euro in die zivile Forschung stecken würde, würde dieses Geld auch zunächst bei denjenigen landen, die damit am Ende der Kette bezahlt werden – Hiwis an den Instituten, Forscher und vielleicht auch die Mitarbeiter von Ausrüstern oder Baufirmen, die die Infrastruktur für die Forschungseinrichtungen stellen. Hier ist zunächst kein Unterschied zu Rüstungsausgaben festzustellen. Ob ein Zerspanungsmechaniker bei Rheinmetall oder ein Doktorand in einem Forschungsinstitut Geld bekommt, spielt volkswirtschaftlich auf der ersten zeitlichen Ebene eine untergeordnete Rolle. Auf späteren zeitlichen Ebenen sieht dies jedoch anders aus.
Der Forscher entwickelt im Idealfall Ideen, Konzepte oder gar Patente, die ihrerseits die Produktivität steigern, und die Investitionen können daher, volkswirtschaftlich, als reproduktive Staatsausgaben gelten. Der Doktorand gründet beispielsweise dank seiner Forschungsergebnisse ein Unternehmen, stellt Mitarbeiter ein und so weiter. Und was macht der Panzer? Der steht auf einem Kasernenhof herum und produziert – wenn überhaupt – höchstens volkswirtschaftliche Kosten, da er gewartet werden muss, und wenn er einmal herumfährt, beschädigt er die Infrastruktur.
Daraus wird klar, warum der Ökonom Hyman Minsky Rüstungs- und Militärausgaben 1982 als "kollektiven Konsum" bezeichnet hat. Es ist wichtig, zwschen Konsumausgaben und Investitionen zu unterscheiden. Das „olivgrüne Wirtschaftswunder“ ist aus dieser Perspektive ein Strohfeuer, während beispielsweise Investitionen in die Weiterentwicklung regenerativer Energieerzeugung einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen, der auch volkswirtschaftlich messbar ist.
Noch deutlicher wird der Widerspruch, wenn man sich die langfristigen volkswirtschaftlichen Folgen anschaut. Der Doktorand, der später sein Unternehmen gründet, steigert nicht nur das Bruttoinlandsprodukt, sondern zahlt auch Steuern, wie seine Mitarbeiter. Fiskalisch ist das im Idealfall ein gutes "Geschäft", da die so zusätzlich generierten Steuereinnahmen höher sind als die Zinsen für den Kredit, mit dem die Forschung finanziert wurde. Ein wenig komplizierter ist es bei Investitionen in die Infrastruktur, da der Nutzen hier breiter gefasst ist und die gesamte Volkswirtschaft betrifft. Letztlich sind aber auch Infrastrukturinvestitionen langfristig volkswirtschaftlich sinnvoll.
Ganz anders sieht es bei Rüstungsausgaben aus. Will man beispielsweise die Jobs bei Rheinmetall und seinen Zulieferern langfristig sichern, reicht es ja nicht, nur einen einzigen Panzer zu bestellen. Man müsste dann jedes Jahr einen neuen Panzer kaufen und dies dauerhaft. Die Jobs sind aber nur so lange "sicher", wie der Staat zusätzliches Geld für Rüstung ausgibt.
Kritisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Rüstungsausgaben ja kreditfinanziert sein sollen. Und spätestens hier entsteht dann auch ein gesamtgesellschaftlicher Schaden. Um dies zu verdeutlichen, hilft ein Bild aus der Betriebswirtschaftslehre: Wenn ein Betrieb einen Kredit aufnimmt, den er in die Verbesserung seiner Produktivität investiert, muss der wirtschaftliche Nutzen der Investitionen höher als die Kosten des Kredits sein. In diesem Fall ist der Kredit sinnvoll. Wenn der gleiche Betrieb jedoch einen Kredit aufnimmt, der keine Verbesserung der Produktivität bringt, er die Kreditsumme also „konsumiert“, stehen den zusätzlichen Kreditkosten auf der Einnahmeseite keine zusätzlichen Einnahmen gegenüber. In diesem Fall ist der Kredit nicht nur sinnlos, sondern sogar schädlich. Sind die Kosten zu hoch, wird der Betrieb sogar um seine wirtschaftliche Existenz fürchten müssen.
Ähnlich verhält es sich bei den Rüstungsausgaben. Die Zinsen dafür werden über einen sehr langen Zeitraum von unseren Steuern bezahlt, also der Volkswirtschaft entzogen, und können zudem vom Staat nicht mehr für andere – sinnvollere – Dinge ausgegeben werden. Die Ausgaben steigen, auf der Einnahmeseite steht jedoch nichts. Panzer zahlen keine Steuern und erwirtschaften auch keinen Gewinn, wenn sie erst einmal ausgeliefert wurden. Indirekte positive ökonomische Effekte bei Dritten lösen Panzer, anders als beispielsweise neue Bahn- oder Stromtrassen, ebenfalls nicht aus. Dies ist sowohl nach betriebswirtschaftlicher als auch nach gesamt- bzw. volkswirtschaftlicher Logik eine klare Fehlinvestition.
Doch während einem Betrieb bei Fehlinvestitionen nur die individuelle Pleite droht - so schmerzlich dies für die Angestellten sein mag -, droht dem Staat als ganzes bei fortgesetzter Überschuldung - für "Konsum"-Investitionen inkl. Rüstung, die später keinen Cash-Flow erzeugen, schlimmstenfalls der Staatsbankrott. Deutschland als bislang letzter Stabilitätsanker der Eurozone könnte sogar ganz Europa in den Abgrund reißen, da viele Eurozonenstaaten bereits jetzt kritisch überschuldet sind - darunter Frankreich, Belgien, Italien und Griechenland. |