Die hohe Staatsquote ist für Unternehmer ein Klotz am Bein
Analyse
Von Alfred Zänker
Es ist zum Verzweifeln. Seit Jahrzehnten gerät die Wirtschaftspolitik immer tiefer in die Sackgasse. Sie hat sich in Fehlentwicklungen verstrickt, die längerfristig zum Niedergang des Landes führen müssen. Zur mutigen Umkehr können sich die Deutschen nicht aufraffen. Allzu viele stecken im sterilen Konsensdenken und wollen nur ihren unmittelbaren Vorteil sehen.
Bürokratische Hemmnisse
Es gibt einen zentralen Krisenherd: den übermächtigen Staat. Die hohe Staatsquote, der Anteil des öffentlichen Sektors am Sozialprodukt, und die damit verbundenen Steuerlasten und bürokratischen Hemmnisse wirken wie ein Klotz am Bein. Sie nehmen vielen, nicht zuletzt den Jungen, die Lust zur Leistung und bremsen die Wirtschaft. Fast jeder zweite erarbeitete Euro fließt in die Staatskasse. Nach deutscher Rechnung sind es 48, nach international vergleichbaren, enger definierten Angaben der OECD 46 Prozent der Produktion. Damit zählt Deutschland zur Spitzengruppe der Hochsteuerländer, zusammen mit Skandinavien, Frankreich, Italien und Osteuropa. In der Eurozone sind es 45 Prozent. Weit weniger verstaatlicht sind Amerika mit 30 Prozent sowie Irland und Australien.
Einschlägige Studien belegen einen Zusammenhang von der Staatsquote einerseits und Wachstum, Beschäftigung und Lebensniveau andererseits. In der Regel hat der große Staat den Privatsektor zurückgedrängt und die Expansion gebremst. Die dadurch entstehenden Wohlstandsverluste sind in manchen Fällen auf ein Drittel des Potenzials geschätzt worden. So in Schweden. Hochsteuerländer stehen deutlich schlechter da. Bei uns ist die Produktion (Bip) seit 1995 kaum halb so stark gestiegen wie in den USA, Kanada und Australien. Euroland schneidet nur wenig besser ab. Wo aber hohe Steuerquoten drastisch gesenkt wurden (Finnland, Schweden, Niederlande), hat sich die Wirtschaft in den folgenden Jahren erholt.
Auch die Beschäftigung hängt von der Staatsquote ab, obgleich hier noch andere, den Arbeitsmarkt lähmende staatliche Regulierungen mitwirken. In Ländern mit großem Staat und schwachem Wachstum entstehen weniger echte Arbeitsplätze in Branchen, die sich im Wettbewerb behaupten können und nicht auf Beihilfen angewiesen sind.
In Nordamerika sind seit 1995 etwa zehn, bei uns zwei Prozent neue Stellen hinzugekommen. In Europa schwillt die Zahl derer an, die bei geltenden Löhnen keine Arbeit finden und vom Staat unterhalten oder in die Frührente geschickt werden. Schweden und Dänemark melden zwar nur vier, die Niederlande gerade zwei Prozent Stellenlose. Die versteckte Arbeitslosigkeit aber erreicht ein Vielfaches davon.
So sind Länder mit hoher Staatsquote, unter ihnen die Bundesrepublik, in der Wohlstandsliga allmählich abgestiegen. Heute müssen sie sich mit mittleren bis schlechten Rängen begnügen. Hier ist eine verhängnisvolle Spirale am Werk. Der auswuchernde Staat bremst die Expansion. Das schwache Wachstum wiederum treibt Sozialkosten und Bürokratie in die Höhe. Deutschland, einst unter den Spitzenreitern, ist im OECD-Raum (Industrieländer) auf Rang zwölf zurückgefallen. Italien liegt auf dem l5., Schweden dem l7. Frankreich auf dem 18. Platz. Irland, mit kleinem Staat und starkem Wachstum, liegt heute in Europa vor der Schweiz an der Spitze, wenn man den Bankplatz Luxemburg außer Acht lässt.
Wie viel Staat brauchen wir? Nach einer Studie des Währungsfonds (IWF) kann ein gutgeführter Staat mit 30 Prozent vom Bip alle wichtigen Aufgaben, soziale Sicherheit und Umweltschutz bewältigen. Was darüber hinausgeht, dient eher einer unproduktiven Umverteilung. Beim Staatsabbau können daher Produktivkräfte freigesetzt werden. Unsere Staatsquote müsste demnach durch Ausgabenkürzung, Streichung von Beihilfen, höhere Effizienz und Privatisierung um ein Drittel sinken. Das geht nicht von heute auf morgen. Es wäre aber ein realistisches Ziel für die neue Legislaturperiode sie schon unter 40 Prozent zu senken.
Mehr Eigenverantwortung
Skandinavier, Holländer und Spanier haben ihre Staatsquote inzwischen drastisch getrimmt und sind damit gut gefahren. Allzu viele haben sich daran gewöhnt, nach Vater Staat zu rufen, statt Eigenverantwortung zu tragen, das Schicksal in eigene Hände zu nehmen.
Anderswo sieht man im Staat den "Leviathan", das Ungeheuer, das mit gieriger Hand nimmt und die Freiheit der Bürger bedroht. Den Deutschen erscheint er in der Rolle der helfende Vatergestalt. Wie lange noch? Sollten sich nicht auch unsere Politiker über kurzsichtiges Besitzstandsdenken hinwegsetzen können? Sie müssen den Mut aufbringen, langfristig zu denken, um Auswege aus einer verfahrenen Lage zu suchen. Sonst schlittern wir in eine jahrzehntelange Wachstumskrise.
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